Mit "The Shadow Self" veröffentlicht TARJA im August 2016 ihr viertes Studioalbum (zählt man das Weihnachtsalbum "Henkäys ikuisuudesta" nicht mit). Als Vorgeschmack bringt die finnische Sängerin keine Single und auch keine EP, sondern eine Scheibe mit Albumcharakter heraus. "The Brightest Void" wird als Prequel für das reguläre Album bezeichnet und steht bereits zwei Monate vorher in den Verkaufsregalen.
"The Brightest Void", das in einem aufwändig bedruckten, sehr schicken Digipack erscheint, umfasst insgesamt neun Songs, von denen einer bereits bekannt ist ("Paradise", die Kollaboration mit WITHIN TEMPTATION). "No Bitter End" sowie "Eagle Eye" werden zudem (wenn auch in anderen Versionen) auf "The Shadow Self" enthalten sein. Bleiben noch sechs weitere neue Nummern, von denen zwei wiederum nicht von TARJA selbst stammen ("House O Wax" von PAUL MCCARTNEY, der James Bond-Titelsong "Goldfinger"). Bleiben mit "Your Heaven And Your Hell", "An Empty Dream", "Wicth Hunt" und "Shameless" immerhin noch vier TARJA-Eigenkompositionen, die nicht auf dem Album im August enthalten sein werden und der Vorab-CD ein gewisses Maß an Exklusvitität erhalten.
Der Opener "No Bitter End", zu dem auch ein Video existiert, ist nicht mehr als eine poppige Modern Rock-Nummer ohne Wiedererkennungswert, in der die finnische Sängerin extrem blass bleibt. Im von Sleaze Rocker Michael Monroe unterstützten "Your Heaven And Your Hell" gefällt zumindest der Chorus sehr gut; das Duett ist insgesamt aber nicht gelungen, weil die starke Tarja viel zu weit in den Hintergrund gedrängt wird und Monroe absolut furchtbar klingt. Das Country-/Blues-Intermezzo zieht die Nummer zusätzlich in die Länge. Das leicht elektronisch angehauchte "Eagle Eye" zeigt die Finnin dann endlich von ihrer besten Seite. Zusammen mit ihrem prominentesten Gast, dem RED HOT CHILI PEPPERS-Drummer Chad Smith, verleiht sie der Midtempo-Nummer einen mystischen Touch, der auch gut zu TARJAs Debüt "My Winter Storm" gepasst hätte.
Auch das ruhige "An Empty Dream" überrascht mit elektronischen Einsprengseln, die im folgenden "Witch Hunt" noch deutlicher zu hören sind. Beide Songs bauen eine schön dichte Atmosphäre auf, die TARJA so gut zu Gesicht steht. Das zweite Duett, diesmal mit ihrem Bruder Toni, meistert die finnische Sängerin deutlich besser als "Your Heaven And Your Hell": "Shameless" zieht die Härteschraube wieder deutlich an, gefällt mit düsterer Grundstimmung und präsentiert im Chorus eine Tarja, wie man sie kennt und liebt - ist aber leider etwas zu kurz geraten. Das PAUL MACCARTNEY-Cover "House Of Wax" meistert die Sängerin gut, aber recht unspektakulär, "Goldfinger" klingt leider so wie die meisten der Coverversionen auf den TARJA-Solo- oder Livescheiben: uninspiriert, unmotiviert vorgetragen, gezwungen. Das abschließende "Paradise" (mit WITHIN TEMPTATION) mischt im alternativen Mix die Finnin einfach nur ein bisschen präsenter in den Vordergrund.
Eine schwierige Kiste, dieses Prequel-Album. Den Beginn setzt TARJA völlig in den Sand, in der Mitte wird es insbesondere bei den elektronischen Nummern besser, wenn auch nicht das Niveau der ersten beiden Alben erreicht wird. Nach hinten raus wird's wieder schwächer. So richtig lohnt sich das Teil nur für absolute Hardcore-Fans. Immerhins timmt die optische Aufmachung.
TARJA verfügt ohne Zweifel über eine außergewöhnliche Stimme. Die funktioniert meiner Meinung nach allerdings nur im richtigen Kontext - und das sind neben klassischen und atmosphärischen Stücken eben die symphonischen Metal-Nummern, die NIGHTWISH mit "Angels Fall First" bis "Once" mit ihr aufgenommen haben. Während sich ihr ehemaliger Arbeitgeber, der sich bewusst war, eine solch talentierte Sängerin niemals ersetzen zu können, über den mutigen, aber leider missglückten Umweg Anette Olzen nun mit Floor Janssen die perfekte Sängerin ins Boot geholt hat, die elfenhaft, opernhaft und rockig singen kann, scheint TARJA noch immer auf der Suche nach dem passenden Sound zu sein.
Chrischi
Stile: Metal und (Hard) Rock in fast allen Facetten
Bands: Metallica, Pearl Jam, Dream Theater, Iron Maiden, Nightwish ...