Geschrieben von Donnerstag, 23 April 2009 12:27

Casper - Interview mit dem 'Emo-Rapper'

casper

CASPER ist der neue aufstrebende Stern am deutschen Hip-Hop-Himmel. Erst kürzlich von Selfmade Records gesignet, spricht der Rapper in einem Interview mit BurnYourEars neben Hip-Hop auch über seine Ausflüge in die Punk- und Hardcore-Szene. 

Hey CASPER! Wie sind die besherigen Shows der "Mittelfinger Hoch"-Tour so gelaufen? Seid ihr zufrieden oder gab es auch Stress? Ich habe gehört, dass es in Berlin etwas gekracht haben soll ...

Also zu Berlin darf und werde ich zu diesem Zeitpunkt erstmal nichts sagen. Im Vorfeld der Tour war ja mein Signing bei Selfmade Records, und das fanden halt viele Leute ziemlich cool und viele wiederum auch richtig scheiße. Diejenigen haben sich dann wohl irgendwie in ihrem Gangstertum angegriffen gefühlt, dass jetzt ein Rapper wie ich neben KOLLEGAH steht. Deshalb war ich vor der Tour halt super nervös, weil ich einfach nicht wusste, was mich erwartet.

Ich habe wirklich fest damit gerechnet, dass pro Show mindestens zwei, drei Flaschen fliegen oder gebuht wird oder sowas. Aber man muss sagen, dass bis jetzt fast bei jeder Show mein Teil der zweieinhalbstündigen Darbietung mega abgegangen ist. Und man muss auch ehrlich sagen, dass sich seitdem meine Meinung über das Internet sehr gewandelt hat. Im Internet wurde zum Beispiel super viel gelästert und Unsinn geredet, so pubertärer Schwachsinn einfach ...

Gibt es diesbezüglich ein konkretes Beispiel?

Naja, einer meinte zum Beispiel, wenn ich in Köln spiele, würde er mich anzünden ... Also richtig grober Hip-Hop-Idioten-Scheiß ist das einfach. Und ich dachte einfach wirklich, dass es auf jeder Show rappelt, aber wie gesagt, es war wider Erwarten super!

Ein anderes Beispiel dafür ist die neue Platte von TUA, der jetzt auch mit KIZ auf Tour geht. Die Platte wird in diversen Foren seitenlang gefeiert, aber irgendwie hat es sich total schlecht verkauft und daher denke ich, dass man erst live wirklich sieht, was von dem Zeug gut ankommt und was nicht.

Ein anderes Problem ist natürlich auch, dass sich viele Kids die Musik einfach aus dem Netz besorgen. Hattest du damit schonmal Stress, dass die Plattenverkäufe unter den ganzen Webstreams eingebrochen sind?

Also ich denke, dass man sich damit immer etwas leicht tut, zu sagen: Ich verkaufe nichts mehr und wenn die Leute nicht saugen würden, dann wäre ich in den Charts. Aber das halte ich eigentlich für Schwachsinn, denn wenn weniger Leute meine Platte saugen würden, würden auch weniger Leute die SAMY DELUXE Platte saugen, und dann hätte er vielleicht mehr verkauft, oder ich vielleicht mehr, aber dann wären wir immer noch nicht in den Charts, weil dann jeder mehr Platten verkauft hätte.

Und ich denke, dass es momentan einfach eine Entwicklung annimmt, die mir etwas in die Tasche spielt, und zwar dass ich einfach eine krasse Liveshow habe. Wir machen uns eben viele Gedanken über unsere Liveshows, schnippeln hier an den Songs rum und machen da Choreographien.

Ich denke, wenn die Leute Geld für Shows bezahlen, dann wollen sie auch einfach was sehen.

Ich für meinen Teil denke, dass die Platte oder der Tonträger zu einem Sammlerstück werden, und dass es rückläufig wieder zu Vinyl zurückgehen wird, wenn man mich mal nach einer kleinen Zukunftsprognose fragt. Bei mir war es zumindest so, ich kaufe seit vier oder fünf Jahren nur noch Vinyl. Das ist einfach so ein Stück Sammlerwert, wenn du du siehst, dass du dir jetzt ein Platte gekauft hast, und die ist jetzt soooo groß und soooo breit, und dann das Artwork und so.

Man bekommt einfach etwas für sein Geld.

Eben. Und ich glaube, dass sich die Leute einfach anstrengen müssen, coolere Produkte abzuliefern und sich coolere Sachen auszudenken, live und musikalisch, im kreativen und promotechnischen Bereich aber natürlich auch.

Deshalb halte ich es halt für totalen Quatsch, wenn dann die Leute irgendwelche Webagents rausschicken, die ermitteln, wie oft welcher Link von wem aufgerufen wurde und dann einen Rechtsanwalt da hinterher schicken, der dann von jedem die 50 Euro Bußgeld einfordert. Im Endeffekt kostet das doch einfach mehr Zeit und Nerven, als dass man sagt, "Lass und doch einfach viel touren und gucken, dass wir dann die Leute einfach live touchen", wie SLICK ONE sagt.

Man muss auch sagen, dass die Platten, die aus dem Netz gesaugt werden, natürlich auch Promotion sind, wenn auch unbezahlte ...

Ja, in letzter Zeit bekomme ich auch viel mit, wie die Leute sagen: Ich hab von dir gehört und dann hab ich mir die Platte runtergeladen, und dann war ich auch auf einer Show. Wenn das natürlich den Umweg nimmt, dass sich die Leute die Platten runterladen, aber dann auch tatsächlich eine meiner Shows besuchen, dann sollen sie halt!

Im Endeffekt hab ich auch nicht alles gekauft, was ich höre. Aber eine coole Liveshow erleben und fühlen, das kann man nicht runterladen, sowie man ein T-Shirt nicht runterladen kann, und man kann den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern, das kann man ja auch nicht runterladen. (grinst) Deshalb finde ich das Geheule einfach nicht ok, das ist Geheule von Leuten, die sich immer schon einen Scheiß um die Fans gekümmert haben.

Wie kann man denn zum Beispiel von einem richtig krassen Battle-Rapper, der immer nur Battle-Rap gemacht hat, zum größten Deutschland-Zyniker werden, der sich im politischen Bereich engagiert und sich plötzlich als Mann des Volkes darstellt? Ihr wisst wahrscheinlich, von wem ich rede ... Und das halte ich halt für Schwachsinn, im Endeffekt hast du dich von Anfang an gekümmert und dann wird es dir auch weiterhin gut gehen, oder du gehst mit dem Schiff unter.

Was dürfen die Fans von "Chronik II" erwarten?

"Chronik II" ist jetzt der erste Schritt dieser Akzentuierung, die innerhalb von Selfmade Records stattfinden wird. Früher war es da nicht so stark differenziert, es gab überwiegend diese Gang-Mentalität oder dieses Camp- oder Crew-Ding und das ist eben eine Sache, die vorher nicht ganz so stark stattgefunden hat. Und was mit meinem Signing jetzt auch viel stärker wird, ist, dass eben ich der Künstler bin, Toni der Künstler und soweiter.

Man muss auch sagen, dass die ganzen Plattenfirmen, die jetzt zugemacht haben, wie zum Beispiel Optik oder Aggro, Konzepte gefahren haben, die sich nicht bewährt haben. Bei Aggro war jeder ein Gangsterrapper, bei Optik war jeder ein Giggyrapper, und bei all diesen Firmen hattest du immer einen Starrapper – und hätte man es denen gleichtun wollen, hätte man Toni nach vorne gestellt und sechs Zuhälterrapper um ihn herum, aber das soll es ja nicht sein. Es soll ja einfach ein independet funktionierendes Hip-Hop-Label sein.

Also hat jeder von euch seine eigene Rolle ...

Ja! Nun kann man natürlich ketzen und sagen, Selfmade wäre ein Image-Rapper-Label, was nicht falsch wäre, es wäre einfach verfärbt dargestellt. Ich denke einfach – und das ist auch mit ein Grund dafür, dass ich zu Selfmade gegangen bin –, dass jeder von uns eine krasse Persönlichkeit ist, zumindest auf dieser unterhaltungstechnischen Ebene.

Natürlich ist Toni (aka KOLLEGAH) kein messer-meuchelmordender Zuhälter, natürlich steht FAVORITE nicht morgens um fünf auf und schmeißt sich zwölf Pillen und vergewaltigt Minderjährige, und natürlich sitz' ich nicht den ganzen Tag rum und bin den ganzen Tag schlimm depressiv. Das wird halt einfach akzentuiert und gefördert und graphisch dargestellt, und musikalisch natürlich. Und das kann man eben auch auf dem Sampler erwarten.

Ich habe mit einem neuen Produzenten aus Chemnitz gearbeitet, von dem ich sehr viel halte, TK ONE heißt er. Toni macht das, was er schon immer gemacht hat, und die neuen Sachen von Fav sind einfach so wahnsinnig lustig. Jeder macht einfach sein Ding, und das finde ich super.

Wie bist du an den Deal mit Selfmade Records gekommen?

Ich war eigentlich immer schon mit Toni in Kontakt, wir haben ja auch öfter schon sporadisch Songs miteinander gemacht. Und das, wo Aggro vor drei Jahren das Traumsigning gewesen wäre, ist heute einfach Selfmade.

Natürlich stelle ich mich jetzt nicht hin und sage: Wir übernehmen das Spiel! Aber was für Hardcore momentan Bridge 9 ist, oder für Metal Century Media oder Metal Blade, ist für Hip-Hop einfach Selfmade Records, keine Frage.

Ich hatte ziemlich viele Independent-Angebote, ich hatte Major-Angebote, ich hatte alles, aber für mich war es eben auch so ein Anti-Ding. Ich bin ja ein großer Fan von Anti-Sein, wenn zum Beispiel alle rechts laufen wollen, bin ich der einzige, der links läuft und das dann einfach aus Prinzip, auch wenn man auf jeden Fall dabei stirbt. (lacht) Und es war mir schon klar, dass es für viel Wirbel sorgen würde.

Ich habe ja "Hin zur Sonne" rausgebracht, und da ist leider auf meinem alten Label nicht alles so gelaufen, wie ich es mir erhofft hatte. Nicht auf so einer utopisch denkenden Ebene, sodass ich sage: Die hätten mich doch in die Charts bringen müssen! Aber ich hatte einfach das Gefühl, dass der Push hinter der ganzen Sache nicht so ideal war.

Und was SLICK ONE mit Selfmade aus dem Boden gestampft hat, ist einfach Wahnsinn. Die ganzen Hypes, die um irgendwelche Veröffentlichungen gemacht werden, waren einfach natürlich, das war jetzt nicht durch irgendwelche Mechanismen herbeigeführt.

Die Jungs sind ja auch nicht einfach auf die Szene los und haben alles Mögliche gedisst, die beiden Stressgeschichten momentan sind ja einfach Reaktionen auf Sticheleien gewesen. Das mit Aggro zum Beispiel war ja auch nur eine Reaktion. Und das finde ich einfach gut, dass Selfmade so eine Sache ist, die einfach für sich selbst steht.

Wir haben uns dann öfter getroffen und eben auch einige Dinge klargestellt. Dieses CASPER-Ding ist einfach mein Baby, und ich habe klare Vorstellungen davon, wie das optisch rüberkommen und musikalisch klingen soll, ich möchte das einfach selbst in der Hand behalten.

Das heißt, durch das Signing bei Selfmade machst du jetzt nicht nur noch Tough-Guy-Rap, wie man es hätte erwarten können?

Nein, auf keinen Fall! Ich hab ja auch keine Bomberjacke an und trage überall Goldketten und verkaufe Crack oder so, das würde ja auch gar keinen Sinn machen.

Ich denke, dass jeder bei uns so perfekt zu den anderen passt, weil wir einfach die gegensätzlichsten Personen überhaupt sind. Wir haben eigentlich musikalisch sowie auch privat so wenig Berührungspunkte, dass es aber gerade dadurch viel Gesprächsstoff gibt. Man muss sich das vorstellen wie ein Jugendzentrum, wo jeder eingeladen ist, und das ist definitiv interessant, wir kommen aber trotz allem wirklich gut miteinander aus!

Wir sind momentan natürlich auch in dieser "Chronik II" Promophase, wo wir zusammen Interviews geben und so, aber danach leben wir auch wieder unser eigenes Leben, es ist nicht so, dass wir täglich telefonieren und fragen, ob wir zusammen ins Kino gehen. Aber ich denke, auf "Chroink II" hört man, dass es trotz allem gut zusammen passt.

Ich denke, musikalisch aufgeschlossene Menschen können den Sampler durchhören und alles cool finden. Ein radikaler Toni-Fan wird vielleicht meine Sachen ok finden, vielleicht auch cool. Es gibt dadurch einfach diese Synergie-Effekte, es kann jeder etwas vom anderen Künstler auf der Platte entdecken ... oder halt auch nicht.

Das heißt, man darf nicht nur einseitigen Rap erwarten?

Genau! Das krasse Gegenbeispiel ist: Auf einer Aggro-Ansage wurde 18 Songs lang "eine Mutter gefickt". Und hier eben nicht. (lacht)

Wie bist du zum Rappen gekommen?

Ich bin ja in Deutschland geboren, und als ich zwei Wochen alt war, sind wir sofort nach Amerika gezogen. Mein Vater hat zum Beispiel viel BLACK SABBATH und ALICE COOPER gehört, und irgendwann hat meine Mutter einen Schwarzen geheiratet und der hat dann wirklich nur Rap gehört, das waren dann die ersten Sachen von LL COOL J zum Beispiel oder BIG DADDY KANE. Und als Kind stand ich dann immer vor dem Spiegel und hab LL COOL J Songs gerappt und ich glaube, da ist es irgendwann ganz normal, dass man anfängt, rumzuspinnen und sich seine eigenen kleinen Reime ausdenkt.

Als ich dann mit elf, zwölf Jahren zurück nach Deutschland gekommen bin, gab es hier Hip-Hop quasi gar nicht, zumindest im Mainstream. Und da bin ich dann eher Punk geworden, THE CLASH hab ich viel gehört, BLACK FLAG und ich war ein riesiger SLIME Fan. Dann natürlich auch SHELTER und EARTH CRISIS, ich war ja grandiose acht Monate Straight Edge. (lacht) 

Und dann bin ich irgendwie wieder zum Rap gekommen, für mich war ja die erste unpeinliche deutsche Rap-Veröffentlichung "Sport" von EINS ZWO. Davor fand ich eigentlich alles unfassbar schlecht. Aber es gab für mich als Zwölf- oder Dreizehnjähriger nicht so die Möglichkeit, ich habe vielleicht mal Platten im Marktkauf gekriegt, und da gab es einfach nicht die NWA Platten zum Beispiel.

Deshalb war ich eben erst auf Punk und dann irgendwann bin ich halt zum Hip-Hop zurückgekehrt. Damals war DENDEMANN zum Beispiel mein Idol, und KOOL SAVAS war dann meine Offenbarung. Das hat man dann immer extra laut gehört, damit Mutti das auch mitbekommt.

Das thematisierst du ja auch zum Teil auf "Hin zur Sonne" ...

Ja, wir dachten ja auch damals auf dem Dorf, SAVAS sei ein drei Meter großer Schwarzer, der Kinder zum Frühstück isst, wir dachten, er wäre einfach der Krasseste! Und dann kam das "King of Rap"-Video raus, und ich dachte nur: Nein, das ist SAVAS? Was für ein dünner, netter Junge! (lacht)

Wo siehst du denn die Unterschiede zwischen Hip-Hop und Hardcore? Wo, meinst du, könnten beide Szenen noch etwas voneinander lernen?

Ich glaube, dass sich die Szenen unglaublich ähnlich sind. Zum Beispiel finde ich, momentan in dieser ganzen Fashion-Punk-Mode, dass FAVORITE mehr Punk als jeder Punk ist. Er lässt dann einfach so geniale Sachen los wie, "Ich kann nur Straßendeutsch, obwohl ich so deutsch bin wie das Hakenkreuz"! Ich finde es geil, wie er einfach auf alles scheißt und alles ausspricht, was ihm in den Kopf kommt. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum er ständig angefeindet wird und Leute wollen ihn schlagen und so ...

Ich glaube, der einzig große Unterschied ist, dass es im Punk oder Hardcore diese Lobby-Sache gibt, von wegen: Ich kümmere mich um alles und engagiere mich für PETA, bin Veganer und für Globalisierung, also lasst uns eine Demo machen!

Das finde ich aber wiederum auch recht angenehm im Punk, dass sich die Leute, obwohl es oft aufgesetzt ist, Gedanken um allgemeine Dinge machen und eine generelle Toleranz an den Tag legen, die es beim Hip-Hop einfach nicht gibt. Das merkt man schon allein an Reaktionen, die dann mit mir in Verbindung stehen, wenn so Kommentare unter Interviews stehen, wie: "Der ist doch so eine krasse Schwuchtel, guck dir den doch an, der muss schwul sein!"

Ich glaube, Hip-Hop wird viel von grob blöden Menschen gehört – das ist das einzige, was ich irgendwie schade finde.

Wie gehst du mit solcher Kritik um?

Das kann man ziemlich schnell umschreiben. Ich finde, wenn Kritik fundiert ist, dann kann ich jede Kritik annehmen und verstehen. Wenn zum Beispiel jemand sagt, "Ich finde deine Sachen echt ok, aber deine Stimme ist so unerträglich, das kann ich mir nicht anhören", dann sage ich: Das ist eben nicht jedermanns Sache, aber damit bin ich halt geboren. Schade.

Aber was mich aufregt, ist, wenn es einfach auf diese intolerant-dumme Schiene gerät. So auf die Art: Ich hab deine Platte noch nie gehört, aber ich sag jetzt einfach was dazu, weil ich 14 Jahre alt bin und im Internet gerade nichts anderes zu tun habe. Das regt mich dann natürlich schon krass auf.

Deinen Style beschreibst du ja selbst als Emo-Rap ...

Naja, das wurde so beschrieben. Ich habe es irgendwann einfach akzeptiert, weil ich keine Lust mehr auf die Fragen hatte. Auf die Art, "Gut, dann mache ich eben Emo-Rap, dann lasst mich aber auch bitte in Ruhe"! Aber mein Style ist sicherlich eine Prägung von Lieblingsplatten, wie es bei jedem so ist.

Meine Alltime-Favourite-Platten sind zum Beispiel GIVE UP THE GHOSTs "Background Music" und die "Witness" von MODERN LIFE IS WAR. Und dann natürlich auch andere energiegeladenere Sachen, die der Massimo auch hören sollte (ruft rüber zum Tourmanager), die beste Platte aller Zeiten: "Six Feet Deep" von GRAVE DIGGER. Findest du nicht? Also das sind meine drei Lieblingsplatten, die mich so beeinflusst haben.

Und zweitens denke ich, dass es für verschiedene Leute verschiedene Beweggründe gibt, Musik zu machen. Toni zum Beispiel hat sicherlich den Ansporn, der krasseste technischste Rapper zu sein, bei ihm ist das so ein Baukasten-Ding und eine coole Beschäftigung eben. Für mich ist es aber diese typische Klischee: Musik ist mein Ventil und ich kann mich dadurch einfach so gut ausdrücken.

Ich mag es einfach, so eine Stimmung mit meiner Musik zu erzeugen, und es gibt dann eben die Leute, die drauf klarkommen und jene, denen einfach eine lustige Punchline lieber wäre. Es kommt einfach auf den Beweggrund an ... Vor allem habe ich meine Songs aber auch nie als Emo-Rap gesehen, da ich denke, dass die Battle-Rap-Songs, die ich mache, auch cool sind. Dass die jetzt nicht technisch schlecht sind.

Ich bin ja kein dahergelaufener Emo-Punker, der traurig auf einem ganz schlimmen technischen Level irgendwas macht. Und dass ich jetzt irgendwann nach dem Signing gesagt hab', "Gut, dann mach ich eben Emo-Rap!", kommt einfach daher, dass ich wirklich in jedem Interview danach gefragt wurde.

Wie gehst du mit dem Erfolg von "Hin zur Sonne" um?

Naja, das Album war ja jetzt kein kommerziell sich verkaufender Erfolg, das mich auf irgendein Level katapultiert hat. Das war eher so ein Achtungserfolg innerhalb der Szene, würde ich sagen. Wenn ich natürlich jetzt mit "Chronik II" Top 5 gehe ... dann ist das natürlich etwas ganz anderes! (schmunzelt und lacht)

Inwiefern hat Rap dich verändert? Bist du erfolgsorientierter geworden?

Nein, also erfolgsorientiert überhaupt nicht. Aber das engt einen auch irgendwie ein. Zum Beispiel ist es momentan total hip in Deutschland, auf so Golden-Era-Parties zu gehen, dieser ganze 90er-Rap. Und es ist einfach mittlerweise bei so Hip-Hop-Discos, dass ich sage, "Ich gehe da nicht mehr hin!". Da hängen dann die ganzen Hip-Hop-Leute rum und quatschen einen mit Hip-Hop voll, und da habe ich einfach keinen Bock mehr drauf.

Ich bin meistens in so Elektro- oder Indie-Rock-Diskotheken und ich freue mich auch immer, wenn ich Frauen treffe, die so gar keine Ahnung haben, was ich mache, da ist man immer noch auf einem gleichen Level irgendwie.

Ich habe ja mit "Hin zur Sonne" jetzt gerademal zweieinhalbtausend Platten verkauft, das ist einfach nicht viel. Das war eher so ein Netz-Hype. Aber natürlich geht es auch immer darum, den nächsten Schritt zu machen, mein nächstes Soloalbum kommt im Herbst und ich hoffe, dass das mehr Beachtung finden wird.

Nochmal zurück zu dieser Indie-Geschichte. Auf "Mittelfinger Hoch" gibt es eine Line, wo du sagst, du seist der Vater der Kinder von Jennifer Rostock. Was hat es damit auf sich?

Wir sind zusammen und ich habe sie geschwängert.

Nein, Scherz. Ich war auf der MTV Designerama Party und dachte immer, sie sei eine richtig hässliche Krähe, und dann kam sie da vorbei, und sie hat einfach unfassbar lange Beine. Sie sieht einfach super aus. Und seitdem bin ich einfach verliebt.

Aber die Line sollte man halt nicht zu ernst nehmen. Es war eher ein Kompliment, welches ihr dann allerdings nicht so gefallen hat, und ihrem Freund auch nicht. (lacht) Sie war dann allerdings in Berlin auf dem Konzert, welches leider ein nicht so schönes Ende gefunden hat.

Du hast oftmals polarisierende oder kontroverse Themen als Texte. Mit welcher Intention hast du denn zum Beispiel den Track "Vatertag" auf "Chronik II" geschrieben?

Das war eine Mischung aus Muse, Inspiration und gewollter Provokation. Es gibt eine großartige New Yorker Band namens ANTHONY AND THE JOHNSONS, die gerade ein neues Album namens "The Crying Light" veröffentlicht hat. Da ist ein Song drauf, der heißt "Cripple and The Starfish". Dieser Song ist auch aus der Sicht eines Mädchens geschrieben und hat einen ähnlichen Inhalt.

Dann war ich bei TK und sagte ihm, wir müssten mal aufhören, immer nach diesem Strophe-Hook-Strophe-Hook-Schema zu arbeiten, wir müssten anfangen, die Songs mal richtig aufzubauen, gut zu instrumentieren und zu arrangieren, und dann hatte er eben dieses Gitarrenlick und diesen geilen Beat, und alles wurde mit dem Laufe des Songs immer pompöser und so.

Ich wusste dann auch, dass 90 Prozent der Hip-Hop-Hörer es nicht checken werden, dass der Song nicht aus meiner Sicht geschrieben ist. Und gerade deshalb wollte ich den Song rausbringen, da ich es nicht einsehe, mich für ein junges Publikum irgendwie runterzublöden. Und das sagte dann auch SLICK ONE, er fand den Track super und wollte ihn rausbringen.

Und die Reaktion kam, wie ich sie erwartet hatte. Die eine Hälfte sagte, "Haha, der ist von seinem Vater gefickt worden!", und die andere Hälfte hat den Song einfach gecheckt und auch, dass es eben einfach ein gut produzierter Song ist.

Ich wollte auch einfach auf dem Sampler die Vielfältigkeit zeigen, dass ich halt einfach ein cooler Rapper bin. Denn ich denke, über diese ganzen Songs wie "Rasierklingenliebe", "Unzerbrechlich" und "Lippenlesen" haben die Leute einfach vergessen, dass ich doch rappen kann. Daher habe ich auf dem Album ein paar Represent-Sachen, ein paar lustige Sachen, und dann wollte ich natürlich auch einen deepen Song machen, um ein Stück weit meinen alten Fans zu zeigen, dass sich eigentlich nicht viel geändert hat.

Ich habe den Song natürlich im Vorhinein meinen Leuten vorgespielt und der Affenboss zum Beispiel sagte, er fände den Song ekelhaft. Gar nicht mal krass, sondern einfach ekelhaft. Und da hab ich mir gesagt, dann packen wir den Track jetzt erst recht auf den Sampler. (lacht)

Du hast dir ja anscheinend mit KOLLEGAH eine Punchline geteilt, und zwar die mit den WinRar-Archiven ...

Die hatte ich zuerst! (lacht) Die ist auf meinem Album vor seinem Album erschienen. Damit hab ich gewonnen! Ich bin krasser als KOLLEGAH! Stress gab es darüber aber auch gar nicht, es ist ja in der Tat ein total nahliegender Vergleich.

Was kann man von deinem Selfmade-Debut im Herbst erwarten?

Konzeptionell steht das Album schon, die Songs sind schon betitelt. Ich gehe da ja ganz akribisch dran, ich habe ja die genaue Vorstellung davon, wie das Album heißen, wie es klingen und aussehen soll. Und jetzt arbeite ich das alles einfach ab. Es wird auf jeden Fall gute Live-Songs geben, aber es wird nicht so ein pures Rap-Ding, es werden einfach coole Themen-Songs mit einer richtigen Rockattitüde sein. Die deepen Sachen werden dann aber noch deeper als bisher.

"Vatertag" war ja zum Beispiel schon so pompös orchestriert, und jetzt haben wir einen Song, der heißt "Michael X". Der handelt von einem Kumpel von mir, der sich letztes Jahr das Leben genommen hat, und für diesen Song haben wir einen Pianisten, eine Bläsersektion und einen Kinderchor. Es ist nicht alles analog und live aufgenommen, aber zumindest da, wo es wirklich passt, damit er dann auch auf VIVA laufen kann. (lacht) 

Ich habe zwar noch nicht alle Songs, aber man kann sagen, dass es ein Mix aus alten CASPER-Sachen meets COLDPLAY, THE STREETS und GRIME wird. Es wird abgehen, aber auch gefühlvoll. Es wird einfach mega verrückt.

"Hin zur Sonne" hast du damals als pures Hip-Hop-Album betitelt. Wie sieht es mit dem neuen Album aus? Geht es den Weg weiter?

Nein, es wird etwas komplett anderes! Ich fände es Quatsch, nochmal ein "Hin zur Sonne"-Album zu machen, das Album war einfach auf 4/4-Hip-Hop-Beats gepolt, und das neue Teil hat es einfach so noch nicht gegeben. Es wird jetzt kein experimentelles Acid-Jazz-Projekt, es wird einfach coole Musik und natürlich auch klar Hip-Hop. Nicht, dass wir jetzt etwas mit wirren 10/8 Takten mit Doubletime machen und im Hintergrund Grillen zirpen, das natürlich nicht.

Gibt es irgendwelche Ziele, die du im Rap-Biz noch erreichen willst?

Ich würde gerne ganz viele Songs mit TUA mal machen, das wäre klasse. Ich würde total gern mal auf dem Hip-Hop Open spielen, das sind einfach kleine Ziele.

Vor allem wäre es Quatsch, ich studiere nebenbei noch Pädagogik und arbeite in einer Großraumdiskothek und verdiene mit Rap eigentlich kaum Kohle. Deswegen wäre es eben Quatsch, total auszurasten und zu sagen, ich will in die Charts und so, weil das einfach nicht mein Plan A ist. Ich will einfach Touren, ein bisschen dieses Rockstar-Leben leben und dann wieder nach Hause und der normale Trottel sein. (lacht)

Ich bekam vorhin mit, dass bei euch Sex, Drugs & Rock'n'Roll auf Tour ein wichtiges Thema sind ...

Also bei mir eher nicht, ich bin Drugs und Rock'n'Roll ... Auf Selfmade-Konzerten ist der Altersdurchschnitt oftmals nicht so hoch. Bei einem CASPER-Konzert hingegen schon. (grinst)

Möchtest Du unseren Lesern noch etwas mitgeben?

An dieser Stelle ermutige ich die Leute ja immer, einfach zu sein, wer man ist. Wenn man genau das bleibt, was man ist, hat man größere Chancen, als Mensch akzeptiert zu werden. Ich denke, wenn ich es mit meinem Kleidungsstil in der Hip-Hop-Welt so weit geschafft hab', dann kann auch jeder mit etwas anderem auch woanders hinkommen. Das hält die Welt auch spannend.

Bleibt einfach so, wie ihr seid, und nur so könnt ihr das Beste sein, was ihr sein könnt! Super oder? Wie ein Lehrer gesprochen!

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