Geschrieben von Freitag, 11 November 2005 22:53

Interview mit Eddie Ojeda (u.a. Twisted Sister) zu "Axes 2 Axes"














Link: http://www.eddieojeda.com
Der Name Eddie Ojeda sollte jeden Rocker aufhorchen lassen. Immerhin hat der Gitarrist bis Mitte der 80er mit der New Yorker Band Twisted Sister eine ganze Reihe unsterblicher Party-Hymnen geschrieben. Nach dem Auseinanderbrechen der Band 1987 verschwand er aus dem Licht der Öffentlichkeit, nur um Anfang dieses Jahrtausends mit seinen alten Bandkollegen wieder aufzutauchen. Während Twisted Sister in England für Alice Cooper eröffnen, nimmt sich der Gitarrist die Zeit, mit uns über sein aktuelles Soloalbum und die Zukunft von Twisted Sister zu sprechen.
Hi wie geht’s dir?

Danke, mir geht’s gut. Freut mich, dass es dieses Mal geklappt hat. Du klingst müde, hattest du einen langen Tag?
Nein, ich bin Student und kann mir meinen Tag ganz gut einteilen. (lacht) Na dann ist ja gut.
Laß uns über dein Album reden. Gern, schieß los.
Warum hast du dich erst so spät entschlossen, ein Soloalbum zu veröffentlichen? Weißt du, zunächst war ich mit Twisted Sister in den 80ern sehr beschäftigt. Wir haben jedes Jahr acht oder neun Monate getourt. Als Twisted Sister sich dann getrennt haben.... na ja, eigentlich haben wir uns ja nie offiziell getrennt, wir haben einfach 1987 aufgehört zusammen zu spielen ... hab ich schon einmal überlegt, ein Soloalbum aufzunehmen. Dann habe ich allerdings schnell in der Computerbranche Arbeit gefunden und konnte mich nicht mehr so auf die Musik konzentrieren. Heute spielen Twisted Sister hauptsächlich an Wochenenden und auf Festivals, und so hatte ich endlich die Chance, mir diesen Traum zu erfüllen.
Da du bereits seit einigen Jahren über ein Soloalbum nachgedacht hast, drängt sich die Frage auf, ob du neues Material verwendet oder auf alte Stücke zurückgegriffen hast. Die Stücke auf dem Album sind bis auf eine Ausnahme alle neu. Lediglich der Song „Senorita Knows“ habe ich vor langer Zeit geschrieben. Ich hatte mir immer vorgenommen, den Song zu nutzen, wenn ich jemals ein Soloalbum aufnehmen sollte.
Das Stück hat einen funkigen Touch. Findest du? Ich denke, es hat einen spanischen Touch. „Funky Monkey“, das Instrumentsalstück, hat einen funkigen Touch. Sagt ja auch schon der Titel (lacht). [Damit hat er auch recht, ich hatte das Stück „Senorita Knows“ mit dem nachfolgenden „Love Power“ verwechselt. T.B.]
Du arbeitest mit einigen Gastsängern. Warum hast du Dee Snider ein Coverstück singen lassen, anstatt ihm eines deiner eigenen Stücke zu geben? Eigentlich hätte er den Song „Please Remember“ singen sollen, den ich jetzt singe, aber das Stück war zu tief für ihn. Er hat eine weit höhere Stimme als ich und so habe ich Eleanor Rigby von den Beatles für ihn arrangiert.
Mir ist der Song jetzt ehrlich gesagt etwas zu geradlinig geworden. Ich finde, er hätte eine etwas jazzigere Note haben müssen. Wie meinst du das, eine jazzigere Note?
Na ja, meine Lieblingsversion dieses Stücks ist die von Ray Charles. Ja, das ist eine tolle Version, da gebe ich dir recht, die kenne ich auch. Aber ich war schon immer der Meinung, dass der Song eigentlich ziemlich düster ist, deshalb hab ich ihn in eine Heavy Metal Version umgeschrieben, etwas Iron Maiden-artig, würde ich sagen.
Übrigens finde ich, dass du erstaunlich gut singst. Das hatte ich gar nicht erwartet. Vielen Dank (lacht). Ich habe drei außergewöhnlich gute Sänger auf dem Album. Ronny James Dio, Leo Lynn Turner und natürlich Dee Snider. Neben den dreien gut zu klingen war mir natürlich wichtig.
Wie kommt es, dass du nicht schon früher mehr gesungen hast? Warum hast du bei Twisted Sister nicht zum Beispiel einen eigenen Song gehabt? Weißt du, bei allen Bands in denen ich bisher war, gab es einen Leadsänger. Ich habe es einfach nicht als meine Aufgabe gesehen. Außerdem gehöre ich zu den Gitarristen, die ihre eigene Stimme nicht mögen. Jimmy Hendrix gehörte auch dazu, er konnte seine eigene Stimme nie leiden. Oder John Lennon von den Beatles, er mochte seine Stimme nie, obwohl ihn Millionen für einen der begnadetsten Sänger halten. Es freut mich aber unheimlich, wie viel positives Feedback ich bekomme. Den Leuten scheint meine Stimme wirklich zu gefallen.

War es eine bewusste Entscheidung oder eher ein Ergebnis des kreativen Prozesses, dass sich dein Soloalbum so gar nicht nach Twisted Sister anhört? Ich würde sagen, das war eher aus dem kreativen Prozess heraus. Es ist lustig, dass du gerade Ray Charles erwähnst, den ich selbst sehr bewundere. Weißt du, meine Plattensammlung geht von den Sex Pistols bis Ray Charles und ich wollte in meinem Album alles vereinen, was mich berührt, was mich inspiriert. Wie gefällt dir denn das Album?

Ich finde, es bewegt sich insgesamt auf einem sehr hohen Niveau, hätte aber ein oder zwei echte Hits vertragen können. Hits? Ich denke, jedes Stück auf dem Album hat einen eigenen Charakter, eine eigene Seele. Ich wollte ein Album machen, das wirklich gute Stücke enthält und es dauert seine Zeit, zehn eigenständige Stücke zu schreiben. Ich wollte auch ganz bewusst ein kurzes Album machen. Mir ist es lieber, ich habe zehn gute Stücke auf hohem Niveau, als zwanzig Stücke mit zwei Hits. Überhaupt sind viele Alben heute einfach zu lang. Man gibt dem Hörer zu viel Input auf einmal, das er so schnell gar nicht verarbeiten kann.

Wirst du denn mit dem Album auf Tour gehen? Ich würde gerne mit dem Album touren, aber es gibt noch keine konkreten Pläne. Ich muß sehen, wie es mit Twisted Sister weitergeht und wer verfügbar ist.

Wenn du touren würdest, aus wem würde dann deine Band bestehen? Immerhin hast du alle Gitarrenparts und einige Bassspuren selbst eingespielt. Bass habe ich nur bei Eleanor Rigby gespielt. Ansonsten käme es darauf an, wer Zeit hat. Ronny James Dio wäre sicher nicht dabei, denn er hat ja seine eigene Band am laufen. Vielleicht könnte Joe Lynn Turner mitkommen. Am Schlagzeug wäre Joe Franco, der auch das Album eingespielt hat, natürlich eine Option, ich habe aber auch schon mit A.J. Perro von Twisted Sister gesprochen. Natürlich würde ich gerne möglichst viele Leute dabeihaben, die auch auf dem Album zu hören sind.
Laß uns einen Moment zu Twisted Sister kommen. Ja, gerne.

Als ihr 2003 wieder zusammen gespielt habt und auch in Deutschland aufgetreten seid, hieß es, das wäre, um Twisted Sister zu einem würdigen Ende zu bringen. Es sollte nur einige wenige Konzerte geben und dann sollte Schluß sein. Jetzt sind zwei Jahre vergangen und ihr spielt immer noch. Wie geht es weiter? Wird es weitere Touren oder ein neues Album geben? Ich glaube nicht, dass es ein weiteres Studioalbum geben wird, aber man weiß heute nie, was morgen passiert, weißt du. Bei Twisted Sister zu sein ist immer sehr aufregend (lacht). Im Moment läuft es sehr gut. Wir haben Spaß an den Konzerten und kommen besser miteinander aus als jemals zuvor. Wir haben eine freundschaftliche Basis gefunden. Und die Leute wollen uns sehen, besonders in Deutschland und dem Rest von Europa. 
Warum sollten wir aufhören, wenn es so gut läuft? Wir haben Spaß und die Zuschauer haben Spaß. Wenn es uns keine Freude mehr macht, werden wir aufhören, vorher nicht. Wir spielen heute hauptsächlich an den Wochenenden und bei großen Festivals wie bei euch in Deutschland oder in Schweden. So haben wir Zeit, unser Leben zu leben und gleichzeitig dem nachzugehen, was uns selbst am meisten Spaß macht, nämlich der Musik.
Also ist Deutschland für euch nach wie vor wichtig? Sehr! Eigentlich ganz Europa. Weißt du, in Europa ist es vollkommen anders als in den Staaten. Am liebsten würde ich zu euch ziehen (lacht). Hier in den USA gibt es zwar auch immer noch Hard Rock und Metal, aber die Szene ist lange nicht so lebendig wie bei euch. Die Europäer haben ein ganz anderes Verhältnis zu richtiger Musik. Hier in den USA ist Hip Hop im Moment einfach dominierend. Dann gibt es eine sehr starke Pop-Kultur. Wir hatten hier diese Shows wie Starsearch oder American Idol, das ist es, worauf die Leute hier drüben im Moment stehen.

Ja, solche Shows gab es bei uns leider auch. Wenn du mich fragst, sollte man alle diese Shows aus dem Programm schmeißen. Das ist doch wirklich unerträglich. Aber man merkt, dass einige Leute langsam wieder zu echter Musik finden. Die Rolling Stones sind wieder erfolgreich unterwegs, genau wie Paul McCartney.

Ja, die Stones touren Deutschland ja auch immer wieder. Es wäre ja schön, wenn die Leute echte Musiker und echte Instrumente wieder zu schätzen wüssten, statt Musik zu hören, die ein Computer generiert hat. Ich könnte dir kaum mehr zustimmen als gerade jetzt (lacht). 

Aber es gibt doch auch in den USA Ansätze. Zum Beispiel haben doch dieses Jahr Iron Maiden beim Ozzfest als Co-Headliner gespielt. Ja, Maiden, für die haben wir mal eröffnet. Wir waren mit denen in Kanada und den USA unterwegs. Eine Tolle Band, leider bin ich in den letzten Jahren nie dazu gekommen, sie mir anzusehen. Ich hoffe, das ergibt sich bald.

Laß uns noch mal auf Twisted Sister kommen. Ihr habt in diesem Sommer die „Live in Wacken“ DVD veröffentlicht. Seid ihr zufrieden mit dem Produkt? Hier in Deutschland gab es einiges an Kritik, vor allem am Sound. Ich zum Beispiel finde die DVD insgesamt viel zu leise. Du hast sicher gehört, dass es Probleme mit dem Sound gab. Die Tonspuren wurden zerstört und wir mussten sie rekonstruieren, aber jetzt finde ich den Sound klasse. Hast du vielleicht eine schlechte Kopie bekommen?

Kann ich mir nicht vorstellen. Ich habe auch kein Promo-Exemplar, sondern eine gekaufte Version. Aber ich musste meinen Verstärker sehr weit aufdrehen, um etwas zu hören. Hm, na ja, ich bin in England und du in Deutschland, da kann ich von hier natürlich schlecht abschätzen, was da schiefgegangen ist und ob du vielleicht einfach eine verunglückte Kopie bekommen hast. Vielleicht brauchst du aber auch einfach einen leistungsfähigeren Verstärker (lacht). 

Beim Bang Your Head 2005 wirkte es auch so, als würdet ihr für eine DVD mitschneiden. Wird es eine Veröffentlichung geben? Im Moment ist nichts geplant, aber wie gesagt, alles ist möglich. Es ist eben nie langweilig, bei Twisted Sister zu sein. Manchmal wird aber auch einfach nur so mitgeschnitten und man schaut sich hinterher an, ob man vielleicht etwas davon gebrauchen kann. Wie hat dir denn die Show beim Bang Your Head dieses Jahr gefallen? 

Ich hatte das Gefühl, ihr würdet auf der Bühne etwas weniger spontan agieren, als noch 2003. Außerdem war das Publikum deutlich lahmer als bei eurem letzten Deutschlandaufenthalt. 2003 hat man in Balingen einfach gemerkt, dass euch die Publikumsreaktionen umgehauen haben. Ja, das stimmt. 2003 war der Hammer. Aber ich hatte von meinem Platz aus eigentlich nicht das Gefühl, dass die Zuschauer weniger enthusiastisch gewesen wären, als vor zwei Jahren, aber jetzt, wo du das sagst, werde ich mal darauf achten, wenn ich mir die Bänder ansehe. Natürlich waren da auch zwei Jahre dazwischen und es war ein anderes Line Up. Die Leute werden eben auch müde, wenn sie den ganzen Tag da draußen auf dem Gelände sind. Aber das macht nichts, solange sie sich immer noch für uns begeistern. Für mich ist es auch nicht, als würde ich vor Fremden auftreten. Wer unsere Musik schätzt, ist mein Freund und besonders, wenn ich in bei einem Festival auf die Bühne gehe ist es, als ob ich vor 20.000 oder 40.000 meiner engsten Freunde spiele.
Hast du das Gefühl, dass es heute für euch besser läuft als vor eurem Split? Ja, man könnte wahrscheinlich sagen, dass wir heute erfolgreicher sind als in den 80ern. Damals hätte wir nie vor 40.000 Leuten headlinen können wie heute. Wir spielen heute sicher vor größerer Kulisse.
Was sind deine Pläne für die nähere Zukunft? Wie gesagt, ich würde gerne mit meinem Soloalbum auf Tour gehen. Dann wird man weitersehen, wie es mit Twisted Sister weitergeht. Wir werden nächstes Jahr sehen, wo wir spielen können, aber das entscheidet sich nicht selten erst in letzter Minute. 

Möchtest du euren Fans in Deutschland noch etwas sagen? Ja, sag meinen Freunden in Deutschland, dass ich sie liebe und mich freue, sie bald wieder zu sehen.

Vielen Dank für dieses Gespräch.