Ibaraki - Rashomon Tipp

Ibaraki - Rashomon
    Progressive Black/Death Metal

    Label: Nuclear Blast
    VÖ: 6.5.2022
    Bewertung:10/10

    Ibaraki Homepage


Als ich das erste Mal davon gehört habe, dass TRIVIUMs Frontmann Matt Heafy ein Black-Metal-Projekt startet, habe ich mich gefragt, ob das funktionieren kann. Und ja – es kann.

Ein gesamtkonzeptionelles Bandprokjekt

Seine Vielseitigkeit hat der Sänger und Gitarrist ja 2005 schon unter Beweis gestellt – damals war er als einer der vier „Teamkapitäne“ am Projekt „Roadrunner United: The All-Star Sessions“ beteiligt und komponierte verschiedene Genre-Songs. Dann tauchte irgendwann der Bandname IBARAKI auf und ab da wurde es spannend:

Ist das Projekt nach einer japanischen Präfektur oder nach einem gleichnamigen Asteroiden benannt? Nachdem erste Fotos auf den Social-Media-Kanälen aufgetaucht sind, war aber auch das klar. Ab diesem Zeitpunkt hatte mich Matt am Schlafittchen und die Spannung stieg immer weiter.

Die Vorabsingles

Im Januar 2022 erschien endlich die erste Single "Tamashii No Houkai", bei der Matt tatkräftige Unterstützung von Ihshan (EMPEROR) bekommen hat. Der Song ist ein ordentliches Black-Metal-Brett, glasklar und extrem modern, aufgefrischt mit Clean Vocals. Sechs Minuten kein Schnickschnack, sondern einfach nach vorne gehende Riffs.

Einige Wochen später veröffentlichte IBARAKI eine weitere Single, „Akumu“, diesmal mit Hilfe von Nergal (BEHEMOTH). Ich persönlich wurde auch das zweite Mal nicht enttäuscht. Der Song beginnt schnell und brutal und wird zwischendurch bei Nergals Gesangsparts unglaublich düster und doomig bis deathmetallisch. Hier hört man an einigen Stellen TRIVIUM-Anleihen, gerade bei den Breaks. Das war irgendwie zu erwarten … ich habe immer gehofft, nicht zu oft.

"Rōnin" war die dritte Vorabsingle und ließ mich zunächst aufhorchen, als ich gesehen habe, dass Gerard Way (MY CHEMICAL ROMANCE) als Gastsänger fungieren sollte. Ich persönlich kann mit MCR nicht so viel anfangen und hatte jetzt doch etwas Sorge, dass es nicht so blackmetallig werden würde. Nun, ich wurde eines Besseren belehr – gerade, wenn man bedenkt, dass Gerard die fiesen Growls eingesungen hat. Der Song ist mit knapp über neun Minuten der längste auf dem Album und hat neben fiesen Black-Metal-Parts einige progressive Elemente und auch teilweise Post-Momente.

Anfang Mai ist dann das Album „Rashomon“ endlich erschienen. Nach dem kurzen Intro „Hakanaki Hitsuzen“ geht es mit „Kagutsuchi“ direkt los. Und gleich am Anfang sind mir dann doch die Parallelen zu TRIVIUM im Eröffnungsriff und gerade im Refrain aufgefallen. Das hat mich zunächst für die kommenden sieben Minuten enttäuscht und ließ mich doch etwas zweifeln.

Der Rest des Albums

Diese Zweifel wurden allerdings direkt beim dritten Track „Ibarki-Döji“ vergessen gemacht. Hier rauscht ein atmosphärisch dichter progressiver Death-Metal-Song auf einen zu, der sich zwischendurch bei fiesem Metalcore und Black Metal bedient. Dann wird der Song sehr ruhig und wandelt auf weichen Postrock-Pfaden, bis er zum Ende hin wieder explodiert. Unglaublich abwechslungsreich, bestimmt für einige Hörer zu viel Abwechslung – aber ich finde es großartig.

Der vierte Song startet sehr ruhig und zeigt Matt von einer ungewohnt verletzlichen und gefühlvollen Seite, bis er nach knapp drei Minuten in ein wahnsinniges Black-Metal-Gewitter ausartet, um nach einigen Minuten in einem beinah vertracktem Tech-Death-Riff aufs Ende zuzusteuern. Denkt man zumindest, denn das Ende wird erst mit atmosphärisch tragendem Wechselspiel zwischen cleanen Vocals und Gekeife wirklich eingeleutet.

Danach kommt mit dem Song "Tamashii No Houkai" eines meiner Highlights des Albums, und auch den folgenden Song „Akumu“ habe ich oben ja bereits beschrieben. Nach den beiden Vorabsingles folgt mit „Komorebi“ ein sehr geradliniger und melodiöser Song, sehr episch hallend. Man möchte beinah meinen, der Song leitet den zweiten Teil des Albums ein, denn danach folgt mit „Ronin“ weitere bereits erwähnte Vorabsingle.

Bevor das Outro „Kaizoku“ das Ende des Albums ebnet, schleichen sich nochmal sieben Minuten vertrackten Wahnsinns und Ausufereien, die teilweise an BETWEEN THE BURIED AND ME oder auch an DEVIN TOWNSEND erinnern, in Form des majestätischen Songs „Susanoo No Mikoto“ ein.

Fazit

Was ein Album. Ich habe puren Black Metal erwartet, ich habe Matt Heafys Interpretation von Black Metal bekommen. Wer reinen, puren Black Metal erwartet – nein, definitiv nicht. Wer Lust hat, Songs zu hören, die sich auf sämtlichen Metal-Spielwiesen austoben, hier bitte. Und das Beste ist, IBARAKIs „Rashomon“ klingt zu keiner Sekunde wie eine billige Kopie oder wie irgendwie passend aneinander gereihte Riffs. Das Werk läuft bei mir seit Erscheinen beinah auf Dauerrotation.

Wenn man nach dem Haar in der Suppe suchen will, dann ist es die Sprache. Wer eine Art japanische Konzeptthematik für sein Bandprojekt an den Tag legt, hätte auch gerne einige japanische Textzeilen einbauen dürfen, wenn nicht sogar müssen. Aber das ist jetzt Meckern auf ganz hohem Niveau.

Für mich – trotz des Namedroppings und meinem leichten Desinteresses TRIVIUM gegenüber – ein Highlight des Jahres! Es möge bitte nicht bei einem Album bleiben.