Evergrey - Torn




Stil (Spielzeit): symphonischer Powerrock (53:35)
Label/Vertrieb (VÖ): Steamhammer/SPV (19.09.08)
Bewertung: 6 / 10
Link: http://www.evergrey.net

Die Rock Hard CD-Beilagen sind ja nicht oft für `was gut. 1999 aber war auf einer der x-mal Dynamit-CDs „Nosferatu“ von EVERGREY drauf. Symphonischer, epischer Power Metal mit Thrash Einflüssen. Und außerdem leicht angedunkelt. Mit einem extrem geilen Sänger und phantastischen Chören… Seitdem schob ich regelmäßig mein Geld für ihre CDs über den Ladentisch. Diesmal muss ich’s nicht…Hätte ich? Wohl kaum.

Was mich nach dem ersten Durchlauf schon mal seltsam berührt: „Torn“ steht ganz offenbar unter dem Motto: „Vorwärts, wir müssen zurück“. Schien die „Monday Morning Apocalypse“ eine Reaktion auf die langsam aufkeimende Kritik des Selbstkopierens, haben sich Danhage / Englund nun wieder eines Besseren besonnen und gestalten die Songs im Schnitt wieder weniger experimentell; was bei EVERGREY heißt: weniger kompakt, ergo wieder verspielter. Das ist erst- und überhaupt mal ein Schritt in die richtige Richtung. --- Und dennoch wirkt „Torn“ noch weniger überzeugend als MMA.

Einerseits klar: Tom S. Englund hat definitiv eine der intensivsten und angenehmsten Stimmen im Metal überhaupt… zum Niederknien, wenn denn die Stücke so dramatisch sind wie bspw. „Words Mean Nothing“ oder „Different Worlds“. --- Genau diese Kategorie aber sucht man knapp 54 Minuten vergeblich.
Weiterhin klar: das Gitarren-/ Songwriter-Duo Danhage & Englund ist prinzipiell ganz weit vorn, und völlig unfähig miese Songs zu schreiben. Aber es hat eine Tendenz kultiviert, die sich punktuell auch schon auf älteren Alben findet: gutklassige, komplex aufgebaute Rocksongs in metallischer Rüstung. Wer so was mag, ist mit „Torn“ sicher bestens bedient. Ich nicht. Das Metall ist zu poliert. Und bei aller Komplexität sind die Nummern unterm Strich und im Vergleich zu zahllosen alten Überstücken erstaunlich seicht.
--- Dabei fallen auch einige typische Hooklines und catchy Leads bei ab, aber nur Wenig, das an bessere, sprich: düsterere und ruppigere Tage erinnert.

Ein oder zwei vor sich hin rockende Ausfälle gab es ja immer, aber diesmal dödelt das gesamte Teil recht belanglos an einem vorbei. Selbst der Titeltrack, indem sich nicht bloß ahnen lässt, was für ein Stimmgott Englund eigentlich ist, wird von harmlosen Melodien in die Beliebigkeit verabschiedet. An der Produktion, die diesmal von Englund und Drummer Jonas Ekdahl ist, hat’s sicher nicht gelegen: die ist diesmal vielleicht sogar heavier als alle vorherigen ausgefallen. Aber auch das macht aus „Torn“ nicht, was Englund meint: einen „modern mix of `In Search of Truth` and `Recreation Day`“. Anhand seiner Stimme und einigen Chören kann man erraten, dass das dieselbe Band ist. Mehr aber auch nicht.

Im Nachhinein muss ich gestehen, dass ich lieber ein paar Warzen besprochen hätte als dieses Album… War aufkommende Melancholie früher der Intensität der Musik geschuldet, ist sie diesmal nur das Resultat der traurigen Einsicht, dass die alten EVERGREY vorerst Geschichte sind.

„Torn“ ist kein schlechtes, aber ein enttäuschendes Album geworden. Alte Fans sollten es mit sehr spitzen Fingern anchecken. --- Anderen, die auf gut gemachten harten, symphonischen Rock mit metallischen Sounds stehen, könnte „Torn“ sehr gut gefallen.