Das aus Basel stammende Duo ist mittlerweile mit Bassist Marco Nenniger und Schlagzeuger Jonas Prina zum Quartett angewachsenen und ist bereit, der Musikwelt einen weiteren Dark-Indie-Anstrich zu verleihen.
Die Farbpalette ihres Klanges bedient sich überwiegend Schwarztönen, der Farbe der Nacht und Melancholie. Ihre Musik ist sehr nahe an den früheren Werken von NICK CAVE, lässt an PORTISHEAD denken, besticht aber durch ihre Eigenständigkeit, die vor allem der rauchigen und erstklassig kratzenden Stimme von Bürgin geschuldet ist. Die Baslerin habe schon als Kind „wie ein heiserer Bub“ geklungen. An manchen Stellen kommen einem Vergleiche mit ASAF AVIDAN in den Sinn, der mit den Trauer-Indierockern THE BLACK HEART PROCESSION gemeinsame Sache macht. Aufblitzende helle Tupfer sorgen für den nötigen Kontrast im musikalischen Gesamtbild.
Before Beyond - ein Drama in 10 Akten
Nach den ersten beiden beschwingten, mit schön phrasierten klaren Gitarren und warmem Bass instrumentierten Pop-Tracks geht es in die morbide Welt der Düsternis und Schwermut. Die cineastische Songmalerei von „Beautiful“ zeichnet mit Bürgins klagender, rauer Stimme, hypnotischen und zäh aufgetragenen Soundcollagen im geheimnisvollem Bluestakt ein tragisches Bild von Verblassen, Erinnerung und Sehnsucht. Schauer laufen einem über den Rücken, wobei man nie genau weiß, ob sie wohliger oder eiskalter Natur sind. Der Song ist eine Reminiszenz an den Mythos von Orpheus and Eurydike. Orpheus liebt sein Frau Eurydike über alles. Als sie eines Tages an einem giftigen Schlangenbiss stirbt, steigt er in die Unterwelt hinab, um durch seinen Gesang und das Spiel seiner Lyra den Gott Hades zu bewegen, ihm seine Geliebte zurückzugeben. Die Musik verströmt das gleiche Verständnis von tiefer Liebe und untröstlichem Verlust.
Ähnlich schlägt „Give Me Your Pain” mächtig aufs Gemüt, wo die Gesangsmelodie wie von Zauberhand perfekt auf dem shoegazigen Gitarrenlauf schwebt. „What A Waste“ versprüht mit psychedelischem Orgelsound freizügigen DOORS-Charme, bis „The Crow And The Sheep“, das zweite Highlight des Albums, wieder mit in schwarze Farbe getünchtem Klang-Pinsel imaginäre Bilder auf die Kopfkino-Leinwand zaubert. Wie in einem berauschenden Traum wandelt man in einer majestätischen Langsamkeit durch die tief emotionale Seelenballade. Der elegante, walzerartige Song handelt von der Suche des Menschen nach Rausch, nach dem Sich-Auflösen. In dem perfekt inszenierten dazugehörigen Video setzen die Filmer nicht bei der metaphorischen Endzeitgeschichte von Raben und Schafen an, sondern holen die bildliche Sprache zurück in unsere westliche Konsumgesellschaft, in der wir Rausch und Ekstase, das Auslöschen des Bewussten suchen.
Auf wenige Töne reduziert verkörpert „Maybugs“ die abstrakten Stellen des Indie-Werks. Eher unbekümmert gespielt entpuppt sich dagegen „Repression“ mit starkem Refrain als fast radiotaugliches Lied, hebt sich aber vom flachen Mainstream-Allerlei deutlich ab. Das energische „Rope Walker“ zieht ein paar heftige Kratzer durchs Album-Klanggemälde und zeigt, dass SCRATCHES auch anders können, was sie live in längeren Improvisationen schon öfter unter Beweis stellen konnten. Fast bedrohlich, gebetsmühlenartig lässt der Schlusstrack „Father“ den Hörer erneut in der Verzweiflung zurück.
„Before Beyond“ trägt eine unverkennbare künstlerische Handschrift, die in der Romantik gründet und mit Dramatik und Poesie Licht im Schatten erschafft, auch wenn sich die wahre Schönheit des Werks in den schwarzen Flächen widerspiegelt, die die dunklen Orte der menschlichen Seele bebildern.
Besetzung:
Sarah-Maria Bürgin – Vocals, Keyboards
Sandro Corbat – Guitars
Marco Nenniger – Bass
Jonas Prina – Drums
Tracklist:
01. Medusa’s Hair
02. Lonel & Iness
03. Beautiful
04. Give Me Your Pain
05. What A Waste
06. The Crow & The Sheep
07. Maybugs
08. Repression
09. Rope Walker
10. Father