So lange ist es noch gar nicht her, da schossen Onlinemagazine wie Pilze ins World Wide Web. So mancher schien einen einfachen Weg zu kostenlosen CDs und freien Konzerten gefunden zu haben, doch von den Meisten dieser Magazine hat man von Anfang an wenig und schon bald nichts mehr gehört. Natürliche Auslese könnte man mit Recht sagen, aber seit einiger Zeit sind es nicht nur die dilletantischen Fanzines, die verschwinden, es wackeln auch immer mehr langjährig aktive, etablierte Medien.
Gründe dafür gibt es reichlich. Die meisten Magazine werden irgendwann während Schulzeit oder Studium gegründet (das war schon zu Zeiten von schwarz-weiß fotokopierten Fanzines so), wenn man bei allen Verpflichtungen seine Zeit noch verhältnismäßig frei einteilen kann. Als Schreiber werden Freunde und Bekannte rekrutiert, meistens im ähnlichen Alter.
Das rächt sich spätestens, wenn alle Schreiber dann zur gleichen Zeit ins Berufsleben eintreten und plötzlich feststellen, dass sie auf einen Schlag sehr viel weniger Zeit zur Verfügung haben. Und selbst, wenn diese Schwelle gemeistert wird, mit Familie, Kindern, beruflichen Veränderungen oder auch einfach neuen Hobbies oder einem veränderten Musikgeschmack, bleiben genug weitere Stolpersteine auf dem Weg.
Ab- und Neuzugänge gab und gibt es ohnehin ständig. Ein Blick etwa auf unsere eigene Team-Seite zeigt, wie viele Musikinteressierte in den letzten fünf Jahren eine mehr oder weniger lange Zeit mit uns verbracht haben. Doch auch wenn man sich von einigen Weggefährten nur ungern trennt, Wechsel sind normal und so lange kein Problem, wie auch immer wieder neue Schreiber den Weg in die Redaktionen finden.
Das aber scheint mehr und mehr auch für die etablierten Magazine zu einem Problem zu werden. Man kann in jedes beliebige Musikerforum schauen, man wird verschiedene Onliner auf Mitarbeitersuche finden, teilweise auch mit dem dritten, vierten oder fünften Gesuch. Und auch uns ist die Problematik nicht fremd. Meldeten sich früher auf solche Anzeigen in kurzer Zeit eine Reihe von Interessierten, ist man heute schon über einige wenige Antworten und ein oder zwei Schreiber froh, die auch tatsächlich ihre Arbeit aufnehmen und in der Redaktion bleiben. Denn auch unter den willigen Kandidaten unterschätzt immer noch mancher den Arbeitsaufwand oder lädt sich gleich am Anfang ein Pensum auf, das sich mit einem normalen Leben nicht vereinbaren lässt, und verliert die Lust, bevor er oder sie sich auf einem moderaten Niveau einpendeln kann.
Kurz, die Lage ist schwieriger geworden und die Zeichen des Abschwungs sind bei verschiedenen Mitbewerbern nicht zu übersehen. Die letzte neue Rezension liegt Wochen, der letzte Konzertbericht und das letzte Interview gar Monate zurück. Manches über Jahre aktive Magazin musste bereits die Segel streichen.
Ich verzichte hier bewusst darauf, Namen anderer Magazine zu nennen, denn ich möchte niemanden an einen virtuellen Pranger stellen, einen Finger in eine, zumindest für die Schreiber die mit Herzblut bei der Sache sind oder waren, sicher schmerzhafte Wunde legen. Auch bin ich weit davon entfernt, schadenfroh zu sein. Konkurrenzdenken zwischen den Magazinen konnte ich noch nie nachvollziehen, denn im Gegenteil zu der tatsächlichen Konkurrenz zwischen Print-Mags (man kann nun mal jeden Euro nur ein Mal ausgeben), nimmt mir und uns ein anderer Onliner nichts weg.
Im Gegenteil: Es ist schade um jede Stimme der Szene, die verstummt. Die große Anzahl kleiner und damit unabhängiger Magazine (egal ob gedruckt oder im Internet) und (Internet-) Radios im deutschsprachigen Raum sind etwas, um das uns Fans und Musiker vieler anderer Länder beneiden.
Noch dazu habe ich, wie viele andere Schreiber bei BurnYourEars, freundschaftliche Beziehungen zu verschiedenen anderen Medien und Medienschaffenden, manch einer schreibt nebenbei auch nur an anderer Stelle. Niemand von uns gönnt und wünscht anderen den Abschwung.
Viel, und das ist mein Fazit an diesem Punkt, hängt davon ab, wie sich die nächsten Jahrgänge positionieren. Wird sich daraus auch eine neue Generation von Schreibern entwickeln, die aus reinem Idealismus und, wie die älteren Semester vor ihnen, ohne Bezahlung, aus Freude an der Musik über die Musik schreiben wird? Fehlt den jungen Fans dieser Antrieb oder wird er durch die Dutzenden sozialen Netzwerke abgelenkt, die heute unabhängig von der festen Struktur einer Redaktion die Möglichkeit geben, sich auszudrücken?
Oder wird die Magazin-Vielfalt weiter abnehmen, bis eine kleine Gruppe der professionellsten und ambitioniertesten Mags alle noch verfügbaren Schreiber unter sich aufgeteilt haben? Letztendlich liegt es an der Szene, welche Medienlandschaft sie möchte. Ohne euch... ohne uns... geht es nicht.
Mit diesen nachdenklichen Worten setze ich mich dann auch an meine nächste Rezension, lege die Promo ein und drehe den Regler auf Elf...