Es gibt Musiker, die eine Phase der Musikgeschichte, einen Sound oder auch nur eine Phase der Höhrgewohnheiten ihres Publikums entscheidend prägen. Heute wird Jon Oliva, der kreative Kopf hinter SAVATAGE, JON OLIVA'S PAIN, DOCTOR BUTCHER und dem TRANS SIBERIAN ORCHESTRA, 50 Jahre alt.
Für mich ist Jon – am 22. Juli 1960 als John Nicholas Oliva in der Bronx, NYgeboren – einer dieser Musiker. Als er 1981 zusammen mit seinem jüngeren Bruder, dem unterbewerteten und viel zu früh verstorbenen Christopher Michael Oliva, die Band AVATAR gründete, war von dem späteren Ruhm, der sich in der gemeinsamen Arbeit nie in einem kommerziellen Durchbruch auszahlen sollte, noch nichts zu ahnen.
Die New Wave Of British Heavy Metal bewegte sich langsam auf ihren Höhepunkt zu. IRON MAIDEN veröffentlichten mit „Killers" ihre zweites Album, SAXON mit „Denim And Leather" ihr vielleicht wichtigstes. Gleichzeitig entwickelten VENOM ihren Sound und sollten im Folgejahr mit „Black Metal" ein ganzes Genre aus der Taufe heben.
Die Oliva-Brüder, die ihre Band kurz darauf in SAVATAGE umbenennen mussten, gingen andere Wege. Während die Thrash-Welle, die in den folgenden Jahren die Metal-Szene überrollte, oft ziemlich stumpf auf schneller, härter und noch schneller setzte, brachten SAVATAGE den Pomp zurück in die harte Gitarrenmusik, den sonst zu diesem Zeitpunkt vielleicht noch die immer weiter ins Poppige abdriftenden QUEEN verkörperten.
Die filigrane Gitarrenarbeit von Criss traf auf die voluminösen Pianoarrangements seines Bruders, doch das allein konnte die Magie nicht erklären. Mindestens ebenso wichtig war die Stimme des Mountain Kings. Das sanfte Timbre in den ruhigen Passagen wechselte sich mit kranken Schreien ab, die besser als alle Möchtegern-Satanisten dieser Welt von Wahnsinn und herzzerreißender als alle Emos von Schmerz und Leid zu erzählen wussten.
Wie unersetzbar Jon für SAVATAGE war, zeigte sich spätestens nach seinem Ausstieg. Mit einem Hang zu ungesunden Substanzen ausgestattet, verließ er schließlich die Band und agierte nur noch aus dem Hintergrund. Doch weder der ohne Zweifel talentierte Zakk Stevens, noch der nur kurzfristig engagierte Diamond Jiniya konnten die Lücke (die, auch wenn böse Zungen heute anderes behaupten, physisch noch nicht so gewaltig war) schließen.
Der vielleicht größte Bruch im Leben Olivas war der plötzliche Tod seines Bruders bei einem unverschuldeten Autounfall am 17. Oktober 1993. Man konnte praktisch dabei zusehen, wie Jon in den folgenden Jahren körperlich abbaute, und auch musikalisch konnte Jon danach lange nicht an seine Glanztage anknüpfen, mancher mag sagen, das gelingt ihm bis heute nicht.
Live ist der Mountain King seit einigen Jahren wieder oben auf. Mit seiner Band JON OLIVA'S PAIN, die er größtenteils von Ex-Sänger Zakk Stevens CIRCLE II CIRCLE geerbt hat, hält er die SAVATAGE Fahne hoch und begeistert sein Publikum mit einer Mischung aus alten Hits und neuem Material, das die Tradition wahrt. Auf TSO, das in den USA jedes Jahr gigantische Hallen ausverkauft, als wirtschaftliche Basis kann er sich verlassen.
Vielleicht, und das wäre dem wirklich sympathischen Schwergewicht zu wünschen, hat er in seinem Leben jetzt langsam eine Balance gefunden, in der er zufrieden auf sein Leben schauen kann.
Und so an dieser Stelle herzlichen Glückwunsch Jon Nicholas Oliva, zum ersten vollendeten halben Jahrhundert. Auf das noch viele Jahre Wahnsinn in den Hallen den Bergkönigs folgen mögen. Und damit verabschiede mich mich, mit einem Klassiker aus dem Hause SAVATAGE auf den Kopfhörern... natürlich mit den Reglern auf 11.
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