Geschrieben von Samstag, 24 März 2012 16:31

SXSW Festival 2012 in Austin, Texas - Reisebericht und Tipps

sxsw 2012

"SXSW" oder "South by Southwest" oder einfach nur "South by" – so heißt das größte Musikfestival der Welt: über 2.000 Bands aus über 50 Ländern bespielen sechs Tage lang über 90 Bühnen. BurnYourEars war zum ersten Mal mit dabei.


Seit 26 Jahren findet das SXSW Anfang/Mitte März in Austin, Texas statt und versetzt das "Live Music Capital Of The World" vom 13. Bis 18.03. in den absoluten Ausnahmezustand: über 2.000 Bands spielen in über 90 Locations... und das ist nur der musikalische Teil. Gleichzeitig ist das SXSW auch noch ein Film- und Interactive-Festival inklusive Branchentreff. Darüber hinaus finden für alle Bereiche Vorträge und Workshops statt. In diesem Jahr fallen noch zwei weitere Events in die Festival-Woche: St. Patrick's Day (Samstag, 18.03.2012) und Spring Break. Mehr geht nicht! Übrigens: SXSW ist auch Vorbild für das Hamburger Reeperbahn Festival.

Anreise und Ankommen

Nach der insgesamt ca. 17-stündigen Anreise aus Hamburg (zwei Zwischenstopps sind realistisch) bin ich ziemlich geschafft und will erst mal nur ins Hotel und ausruhen. Der Zeitunterschied liegt im März bei sechs Stunden. Der Flughafen von Austin ist sehr klein, so dass man sich dort schnell gut zu Recht findet. Für die Fahrt zum Hotel empfiehlt sich ein Taxi oder ein Shuttle von R&R (vorab online unter http://www.rrlimobus.com buchen).

Wer noch nie in Amerika war, den beschleicht beim Transfer sofort ein Gefühl des "eingeschüchtert seins": alles ist groß, grell, laut und wirkt im ersten Moment ein bisschen bedrohlich. Aber das gibt sich schnell. Am nächsten Morgen heißt es dann früh aufstehen, sich im Convention Center registrieren und dann erst mal einen Überblick über Downtown und die genauen Standorte der Clubs verschaffen. So verliert man keine Zeit, wenn zwischen zwei Showcases ein Ortswechsel anliegt.

Das Musik-Festival

Neben den regulären Showcases, die jeden Tag gegen 19 Uhr starten, spielen täglich ab ca. 11 Uhr viele Bands "inoffizielle" Konzerte. So hat man die Chance, seine Lieblingsband oder die spektakuläre Neuentdeckung des Vortags mehrmals (mitunter am gleichen Tag) zu sehen. Die Showcases beginnen in der Regel immer zur vollen Stunde und dauern ca. 40 Minuten.
Über die Website www.sxsw.com oder die gut gelungene Festival-App kann man sich rechtzeitig vor Festival-Beginn seinen Terminplan mit den offiziellen Showcases zusammenstellen... eine Funktion zur Web-Synchronisation sowie das in Amerika fast überall frei (im Sinne von kostenlos) verfügbare WiFi sorgen dafür, dass man per Smartphone jederzeit auf sein "Schedule" zugreifen kann. Wer es lieber analog mag, für den gibt es ein sehr übersichtlich gestaltetes Programmheft inkl. Venueplan. Beste Quelle für die "inoffiziellen" Showcases ist übrigens die Website www.austin360.com.

In den meisten Clubs gibt es, je nach Ticketart, unterschiedliche Warteschlangen: für Badges, Wristbands und General Public. Die vielen freiwilligen Helfer sorgen dafür, dass man schnell zur richtigen Schlange gelangt. Bei 90 Prozent der Showcases kommt man problemlos in die Clubs. Aufgrund der vielen Parallel-Veranstaltungen sind die Clubs oft nur zu 50 bis 75 Prozent gefüllt. Nur bei sehr großen bzw. bekannten Acts sollte man sich rechtzeitig vorher am Club einfinden. Das gilt insbesondere für örtliche Größen, die im Rest der Welt noch kaum bekannt sind.

Ganz wichtig: unabhängig von Alter und Aussehen muss man beim Betreten eines Clubs seine ID (deutscher Personalausweis reicht) vorzeigen. Wer nachweislich über 21 ist, erhalt dann als Zeichen dafür, dass er Alkohol trinken darf, ein Bändchen oder einen Stempel. Innerhalb kürzester Zeit hängt so der Unterarm voller Bändchen, denn: jeder Club überprüft selbst.
Jetzt aber zur Musik. Man hat im Grunde zu jeder Tageszeit die Wahl zwischen mehr als 20 unterschiedlichen Bands. Das da die Auswahl nicht leicht fällt, ist klar.

Für die Tagesplanung gibt es zwei unterschiedliche Strategien: 
1. Auswahl nach Venue: In den meisten Clubs finden sog. Themenabende statt... bspw. lässt ein bestimmtes Label nacheinander seine Künstler dort auftreten. So kann man schon mal gut einen ganzen Abend in nur einem Club verbringen. Realistischer ist allerdings Strategie Nummer 2: Auswahl nach Band... das führt zwar dazu, dass man ganz schön Meilen sammelt, dafür sieht man aber alle seine Lieblingsbands und bleibt flexibel.

Was ich mir angesehen habe:

Dienstag, 13.03.2012

20 Uhr: Thomas Wynn & The Believers @ Empire Auto & Club 606
Fazit: Kraftvoller Southern Rock

21 Uhr: The Apache Relay @ The Bat Bar
Fazit: Einfühlsame Indie-Musik

22 Uhr: Ume @ The Bat Bar
Fazit: Zierliche Sängerin, aber sehr kraftvolle Performance

23 Uhr: Slowtrain @ Beale Street Tavern
Fazit: Tolle Bar-Band im Stile von The Hold Steady

0 Uhr: Frank Turner @ Latitude 30
Fazit: Klassiker, nur er alleine mit Akustik-Gitarre, das Cover von Tom Petty's "American Girl" kam besonders gut an

Mittwoch, 14.03.2012

21 Uhr: Vintage Trouble @ ACL Live at the Moody Theater
Fazit: immer noch "LA's hottest Band"

22 Uhr: Dead Black Hearts @ Frank
Fazit: Nichts Besonderes

23.40 Uhr: Dr. John @ La Zona Rosa
Fazit: Rock ´N´ Roll-, Blues- und Jazz-Legende; großartige Band

0.45 Uhr: Gary Clark Jr. @ La Zona Rosa
Fazit: Die neue Blues-Hoffnung aus den USA

Donnerstag, 15.03.2012

14 Uhr: Two Gallants @ XXX
Fazit: Tolles Wetter, toller Sound... toller Start in den Tag

20 Uhr: Milo Green @ Stubb's
Fazit: Schöne Überraschung

21 Uhr: Dry The River @ Stubb's
Fazit: Wie gewohnt großartig

22 Uhr: The Features @ Maggie Mae's Rooftop
Fazit: Toller Sound... extrem "tight", wie mein Nachbar bemerkt

23:00 Uhr: Nada Surf @ Red Eyed Fly
Fazit: Überzeugendes Akustik-Set ihrer Greatest Hits

0 Uhr: White Rabbits @ Club de Ville
Fazit: Die Frage "Wer ist besser: White Rabbits oder Delta Spirits?" klärt sich am Freitag

1 Uhr: Adam Arcuragi @ The Whiskey Room
Fazit: Große Band, kleine Bühne, tolle Musik... wunderbarer Ausklang eines langen Abends

Freitag, 16.03.2012

14 Uhr: On Board With The Germans @ Lone Star Boat
Bands: Fenster, Talking to Turtles, Touchy Mob
Fazit: Eine besondere Boots-Tour mit den wichtigsten deutschen Exporten in 2012

17 Uhr: Delta Spirit @ Clive Bar
Fazit: Der 15. Gig der Band beim SXSW 2012; so viel Energie verbreiten sonst nur sehr wenige Bands

20 Uhr: Counting Crows @ Auditorium Shore
Fazit: Es reiht sich Klassiker an Klassiker; tolle Show trotz teilweise sehr leisem Sound

22 Uhr: Delta Spirit @ Stubb's
Fazit: 16. Gig, noch besser als am Nachmittag; Delta Spirit gewinnt somit klar gegen White Rabbits

0 Uhr: Talking to Turtles @ St. David's Bethell Hall
Fazit: Tolle Akustik, guter Auftritt; für die Band aus Leipzig geht es anschließend weiter auf eine kleine Tour durch den Westen der USA

Samstag, 17.03.2012

14.45 Uhr: Typhoon @ Dirty Dog Bar
Fazit: Grundsolide, wenig Überraschendes

16 Uhr: Filmpremiere "The Big Easy" @ Paramount Theater
Fazit: Tolle Kombination aus beeindruckenden Landschaftsbildern und hervorragenden Musikern; anschließend kurzer Auftritt von Mumford & Sons

20 Uhr: Michael Kiwanuka @ Stubb's
Fazit: The next big thing in Europa; Ist gerade mit seinem Debutalbum auf Platz 4 der UK-Album Charts eingestiegen

22 Uhr: Blitzen Trapper @ Stubb's
Fazit: Americana vom Feinsten

23.15 Uhr: Keane @ Stubb's
Fazit: Tolle Stimme, toller Sound, toller Gig

0.45 Uhr: The Jealous Sound @ Red 7
Fazit: Absolutes Kontrastprogramm zu Keane; neben Delta Spirit größte persönliche Entdeckung


Fazit

Das SXSW ist in allen Belangen extrem und einzigartig. Darüber hinaus ist Austin eine wundervolle Stadt, in der es deutlich liberaler zugeht als im Rest von Texas. Die Menschen leben hier nach dem Motto "Keep Austin weird"! Wer sich also nichts Besseres als sechs Tage Non-Stop-Musik in einer der entspanntesten und schönsten Städte Amerikas vorstellen kann, ist hier genau richtig aufgehoben. Ich kam zwar alleine, hatte aber das große Glück, sehr schnell eine tolle Gruppe von SXSW-erprobten Leuten kennenzulernen.

Auch wenn – wie ja im Grunde bei allen Festivals – die Leute, die schon seit längerer Zeit dabei sind, sagen, dass es früher besser (weil nicht so voll) war, kommen doch alle jedes Jahr wieder. Egal wie voll es ist: Ich glaube, wer das SXSW einmal erlebt hat, der möchte unbedingt wiederkommen. Allerdings ist der Spaß nicht ganz billig. Wer es richtig machen will (siehe "Tipps" unten) muss sich insgesamt auf Kosten von rund 2.200 Euro einstellen (Flug, Hotel, Transfer, Festival-Ticket, Verpflegung etc.)... aber für Musikliebhaber ist das extrem gut investiertes Geld. Wenn (finanziell) nächstes Jahr alles passt, werde ich wieder hinfahren.


Zum Schluss noch fünf Tipps für ein erfolgreiches SXSW:

1. Ein Hotel in Downtown nehmen

Wer sechs Tage lang jeden Tag um 8.30 Uhr (viele Hotels servieren nur bis 9 Uhr Frühstück) aufsteht, bis nachts um 3.00 Uhr unterwegs ist und pausenlos zwischen den Venues pendelt und während der Konzerte die meiste Zeit steht, wird es zu schätzen wissen, wenn er sein Hotel von den meisten Downtown-Clubs in ca. fünf Minuten zu Fuß erreichen kann. Ich weiß es jetzt auch. :)

2. Was gehört in den Koffer?

In Austin wird es im März tagsüber bis zu 28°C warm... abends kühlt es auf ca. 15°C ab. Kurze Hosen und T-Shirt stellen also den Großteil der Garderobe dar. Sonnenschutz nicht vergessen. Allerdings kann es auch gerne mal regnen... und dadurch insbesondere abends kalt werden. Eine warme Jacke gehört also ebenso ins Gepäck. Das Convention Center ist übrigens aufgrund der ständig auf Hochtouren laufenden Klimaanlage der kälteste Ort in ganz Austin.

3. Erst am Montag zurückfliegen

Der Sonntag steht ganz im Zeichen der Entspannung: Ausschlafen, außerhalb des Hotels in Ruhe frühstücken, einen Einkaufsbummel bei Waterloo Records machen und abends im Stadtteil South Congress bei Burgern und Bier (bspw. im Doc's) die Woche ausklingen lassen. Keine Sorge, dass man gleich wieder übertreibt: die Kneipen machen sonntags um 0.15 Uhr zu.

4. Bierauswahl

Das Bier in Amerika unterscheidet sich bzgl. Stärke und Geschmack teilweise deutlich von dem in Deutschland, aber mit folgenden Sorten macht man nichts verkehrt: "Lone Star" (vorzugsweise aus der Dose) oder "Shiner Bock" (aus der Flasche). Preis je nach Club oder Bar zwischen 2,50 und 6 Dollar.

5. Trinkgeld oder "Tip me bitch!"

Die Amerikaner haben eine ausgeprägte Trinkgeld-Kultur: 10 Prozent sind selbst bei schlechtem Service selbstverständlich, richtig guter Service wird dagegen mit 20 Prozent honoriert. Im Club bzw. an der Bar gilt: pro Bestellung (egal wie viele Getränke) einen Dollar als Tip geben. 

 
Fotos © BurnYourEars / Timo-Andreas Wolff