Geschrieben von Montag, 03 September 2012 20:49

Der Desperado aus dem Ruhrgebiet

HelgeSchneiderTeaser

HELGE SCHNEIDER: Entertainer, Musiker, Philosoph, Regisseur für Theater und Film, Buchschreiber, Maler, Hörspielemacher und Geschichtenerzähler. Schon seit seinem offiziellen Durchbruch mit "Katzeklo" (aufgenommen in einem winzig kleinen Studio im Ruhrgebiet), scheiden sich die Geister an diesem Künstler. Während ihn die einen lieben, verehren und jede Geste vom SCHNEIDER abfeiern, können die anderen nur müde gähnen, sind irritiert oder halten HELGE SCHNEIDER sogar für einen Nichtskönner und Kunstbanausen. Aber die Bilanz seiner erfolgreichen Veröffentlichungen, sein übervoller Tourplan und das nun schon seit Jahrzehnten ungebrochene Interesse gibt HELGE SCHNEIDER Recht. Wird Zeit, dass ich meinem Meister ein paar Zeilen in meinem Blog widme. Wenn einer rockt, dann ja wohl HELGE SCHNEIDER!


guten tachIch kam zum ersten Mal mit HELGE SCHNEIDER in Kontakt über die LP "Guten Tach!" im Jahre 1992. Damals war ich 14, also im besten "Albernheitenverwertungsalter", vollkommen unvoreingenommen und offen für alles. Eine Mutter von einer Schulfreundin brachte uns die Platte ins Jugendzimmer, sie hätte da was Lustiges für uns. Ok, wir so:"Gib", und sie so: "Da". Also die Platte mit dem hässlichen, kleinen Mann reingelegt und los ging es mit Nummer eins mit dem logischen Titel "Ansage". Wurde dem ein Zahn gezogen oder warum spricht der Mann so komisch?

Natürlich haben wir den Humor null verstanden, aber uns standesgemäß weggeworfen bei Titeln wie "Der Viereckige Hai", "Pubertät" und "100.000 Rosen". Wir haben die Platte immer wieder gehört, auf MC "raubkopiert" und (war damals halt so üblich) an jeden Menschen verteilt, der Lust darauf hatte. So war HELGE natürlich schon bald Bestandteil unserer Partys, und wenn der "Meisenmann" ertönte, war es Pflicht, das Licht im Raum zu löschen und Feuerzeugschwenkalarm war angesagt. Als dann am Ende das Klavieroutro ertönte, sagte mal einer: "Is' ja gar nicht immer nur lustig... hört sich irgendwie voll schön an, da kriegt man echt irgendwie Mitleid mit dem Meisenmann". In diesem Moment haben wir gerafft, worum es in dem Song wirklich geht und dass wir alle irgendwie auch Meisenmänner und Meisenfrauen sind.

Niemals hätte ich gedacht, dass die singende Herrentorte zwanzig Jahre später einen immens großen Anteil an meiner Charakterbildung und Lebenseinstellung haben wird und seine Kunst einen so hohen Stellenwert in meinem Leben hat. Tatsächlich transportiert HELGE SCHNEIDER eine ganze Menge liebens- und lebenswerter Grundsätze und Werte, die mir schon so manche schwere Situation erleichtert haben. Deshalb gehe ich auch regelmäßig in die Helge-Messe, sprich zu Konzerten von HELGE SCHNEIDER. Spätestens nach zwei, drei Monaten merke ich immer: Ich habe Entzug! Entzug von Helge, und ich benötige sozusagen eine Portion skurrile Gehirnwäsche, eine Art "Geraderücken meines Weltbildes".

Den Schneider zu beschreiben fällt wahrlich schwer, zumal noch jeder seine eigene, andere Sicht auf ihn hat. Was HELGE SCHNEIDER sagt, ist für mich sehr stark philosophisch, er stellt den Sinn gewisser alltäglicher Abläufe infrage, interessiert sich für Menschen, seine Umwelt und verkörpert den Jazz mit aller Konsequenz wie kaum ein anderer deutscher Künstler. Schon alleine seine Karriere und die Tatsache, dass HELGE SCHNEIDER schon seit Jahrzehnten quasi pausenlos erfolgreich tourt (was ihm mit fortschreitendem Alter gesundheitlich nicht mehr so gut bekommt, weshalb er jetzt seine Auftrittsfrequenz auf Normalmaß runtergeschraubt hat) und das alles ohne Schulabschluss, ohne Arschkriecherei und extrem renitent gegenüber jeglicher Trendwelle. Das allein verdient Respekt. HELGE SCHNEIDERs Kunst scheint zeitlos. Oft kopiert und nie erreicht, das trifft auf ihn zu! Wer schon mal auf einem Konzert von HELGE SCHNEIDER gewesen ist, der weiß, wovon ich spreche und alle anderen sollten das schleunigst nachholen. HELGE begeistert "scheinbar Intellektuelle" genauso wie richtige Schlauköppe.

Es ist durchaus nicht so, dass man sein Niveau an der Garderobe abgeben muss und HELGE dann für zweieinhalb Stunden dem Publikumsaffen Zucker gibt. Im Gegenteil: HELGE SCHNEIDER kennt ihn genau, den Punkt, an dem er vorhersehbar wird und reißt das Ruder vorher um. Und wenn man das von ihm erwartet, dann tut er es eben genau nicht. Klingt anstrengend, ist es sicherlich auch für HELGE selbst. HELGE SCHNEIDER wird eine gewisse Pedanterie nachgesagt, und wer sich Filme von seinen Dreharbeiten angeschaut hat oder bei Reportagen genau hinschaut, der kann das bestätigen. HELGE hat eigentlich auch nichts gegen Cheftum, so lange er selbst der Chef ist. Dabei hat HELGE lange damit gehadert, sein Talent zum Beruf zu machen.

"Für etwas, das Spaß macht, da kann man doch kein Geld dafür nehmen" – das war sein Gedanke, als er anfing, in Jazzkneipen rumzuhängen statt in die Schule zu gehen. Wobei von "rumhängen" sicher nicht die Rede sein keine. Eher Faco (Fanta mit Cola gemischt) trinken und mit dem Rücken an der Wand langschleichen wird der Fall gewesen sein, und nebenbei hat HELGE ja auch noch sein sogenanntes Eduschostudium absolviert. Das bestand darin, bei Eduscho die kaffeetrinkenden Gäste zu beobachten und in gewisser Weise auch Weisheiten aus deren Rede zu ziehen.

texas"Wetter?"
"Ja.... ne, das wird heut nix mehr."
Eine besondere Vorliebe hatte HELGE schon immer für Opas, er wollte angeblich schon als Kind gerne Opa sein, fasziniert von der Ausstrahlung eines lebenserfahrenen, gelassenen alten Mannes.

Genau das ist die Basis der Hörspiele von HELGE, im Prinzip eine maßlose Übertreibung von alltäglichem Wahnsinn, oft kann man gar nicht mehr unterscheiden, was denn nun Spaß und was Ernst ist. Wenn HELGE beim Konzert von seinem Hamster erzählt, der nach dem Konsum eines zu feuchten Salatblatts starb, dann wirft sich die Meute weg. Ist aber tatsächlich so... Ein einziges Mal habe ich es geschafft, den SCHNEIDER live für Sekunden zu irritieren. Für den Film "Mein Führer" hatte er sich damals die Haare schneiden müssen und beim Konzert in Dortmund (meilenweit von meinem Wohnort entfernt, aber wenn HELGE sein muss, dann muss HELGE sein) spielte er das (damals noch) obligatorische "Katzeklo". Als er bei der Textzeile war "...meine Katze frisst mir die Haare vom Kopf..." war das für uns, in Anbetracht seiner geschorenen Mähne, Anlass zum Lachen. Dieses Blitzen in seinen Augen, das überraschte "Hä?'", die kurze Irritiation "Warum lachen die jetzt?" sieht man selten beim SCHNEIDER. 

Seine Verwirrung hören konnte man auch bei seinem legendärsten Konzert in der Irrenanstalt. Anlässlich einer Themenwoche wollten die Betreiber zahlreiche Besucher in die Irrenanstalt locken, um die Scheu vor dem Umfeld dort zu nehmen und Urängste abzubauen. HELGE SCHNEIDER durfte die Woche eröffnen und spielte – neben uns normalen Irren – auch vor den attestierten Irren. Der Unterschied war nicht besonders... aber HELGE zeigt sich stellenweise schon von den Zwischenrufen (und den ständigen Komplettausfällen von Strom und somit auch dem kompletten Licht) irritiert.

Wer ihm schon mal gegenüberstand, wird bestätigen: Er beobachtet sehr genau. Was sind das für welche? Warum lachen die über mich? Wer die Formel HELGE SCHNEIDER mal verstanden hat, wird merken, dass HELGE sich immer auf aktuelle Ereignisse aus seinem Umfeld, Privatleben oder dem aktuellen Tagesgeschehen bezieht und mit sehr offenen Augen durch die Welt läuft. HELGE SCHNEIDER hat zu überraschend vielen Themen eine fundierte Meinung, weiß aber auch wann "Fresse halten" angesagt ist. Leider wissen viele Comedians, gerade die selbsternannten, genau das nicht. Wobei HELGE SCHNEIDER für mich kein Comedian im eigentlichen Sinne ist, sondern ein Entertainer, für mich der beste Entertainer überhaupt, gleich nach Helmut Schmidt – "so lange man lebt, soll man rauchen!"

helgejimmyundpeteIn erster Linie ist HELGE SCHNEIDER ein Musiker – und was für ein Musiker, ein Ausnahmetalent. Unvergleichlich, wie HELGE aus jedem Instrument das Maximum rausholt und zwar in seiner ganz eigenen Art. Auch wenn der SCHNEIDER das Instrument nicht perfekt spielen kann, er schafft es immer, dass es genauso gut oder noch besser als bei studierten Musikern klingt. Da HELGE direkt aus dem Herzen spielt und wahrscheinlich ohne Musik schlicht und ergreifend nicht leben könnte. Die Musik ist sein Antrieb, sein Motor und deshalb sind die Songs von HELGE SCHNEIDER auch so extrem intensiv. Ein Typ vom Broadway in New York soll mal gesagt haben, dass "Katzeklo" (es heißt wirklich Katzeklo und nicht Katzenklo, HELGE hatte schließlich nur eine Katze zu diesem Zeitpunkt... wieder eine typische Schneiderlogik) für ihn eine Art Standardwerk ist.

Ist mir total egal, was der Mensch vom Broadway sagt, aber ich habe noch bei keinem Künstler so viele magische Momente erlebt wie bei HELGE SCHNEIDER. Minutenlang staart man gebannt Richtung Bühne oder merkt, dass man schon seit Minuten entspannt vor sich hinlächelt, weil HELGE SCHNEIDER mit seiner Musik und Bühnenpräsenz einfach glücklich macht. Ich weiß nicht, ob man ein Freak sein muss, um einen Freak zu erkennen und zu mögen. Anscheinend sehen das einige andere Musiker auch so: UDO LINDENBERG, PETE YORK, JIMMY WOODE, SCOOTER (!), FEHLFARBEN, STEFAN RAAB, GONZALES, KLAUS DOLDINGER... alle schätzen seine spontane Genialität und zwar an beinahe jedem verfügbaren Instrument. 



"Meine Herren, Intelligenz ist wohl ausgestorben....", kann ich nur jedem entgegen, der denkt, es geht hier tatsächlich in erster Linie um ein Käsebrot...

Als mein erstes Konzert anstand, hatten meine Begleitung und ich etwas Angst. Kurz zuvor war nämlich eine Meldung durch die Presse gegeistert – sinngemäß ging es darum, dass Helge einem nervigen Fan eine auf die Mütze gegeben hätte. So beschlossen wir, während des Konzertes auf keinen Fall auf die Toilette zu gehen, um bloß nicht unnötig aufzufallen und somit in den Radar des bösen Schneiders zu gelangen. Total hirnrissig und unbegründet im Nachhinein, da Helge natürlich harmlos und freundlich ist und seine Witze nie unter die Gürtellinie oder schon gar nicht gegen Unschuldige gehen. Mittlerweile kann ich nicht mehr mitzählen, wie viele HELGE Konzerte ich schon gesehen habe und schon gar nicht, wie viele (legale!) Mitschnitte, Bücher, MCs, VHS und DVDs ich von ihm besitze. Durch die Mitgliedschaft im HELGE Fan-Klap Klapperstrauß (R.I.P.) und rege Teilnahme im Helge Fanforum ist meine Sammlung fast komplett und sicher einiges an Zaster wert. Wer was Seltenes besitzt, kann mir gerne eine Email schicken!

Ich hab den Meister schon oft nach dem Konzert kurz getroffen und – watt soll ich sagen? Astrein, der Typ! Am 30.08. hatte HELGE SCHNEIDER Geburtstag, alles Gute nachträglich! Hoffentlich kommt der Tastengott noch häufig auf ein Tässchen Tee vorbei, ohne HELGE wäre die Welt verdammt öde...

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