Zur Erklärung komme ich zunächst einmal zu meinem etymologischen Hintergrund: Ich bin in Deutschland geboren, mein Vater ist Deutscher, meine Mutter Japanerin. Und auch wenn ich so-called "Schlitzaugen" habe und klein bin, fühle ich mich persönlich als Deutsche.
Traurigerweise werde ich im Alltag immer und immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass ich eben nicht deutsch sei. Seien es Kommentare wie „Ist dein Sichtfeld eigentlich eingeschränkt?“ oder „Schulnoten sind unfair, denn Asiaten ist Intelligenz angeboren!“, die meiner Meinung nach nur ein Ergebnis grenzenloser Dummheit und Respektlosigkeit sind, oder gewöhnlicher Alltagsrassismus wie „Sching-Schang-Schong“, „Nihao“ und dämliches Rumgegrunze, das irgendwie „asiatisch“ klingen soll (Asien ist ein Kontinent, liebe Leute) – ich bin das gewohnt, aber glaubt mir: Es nervt.
Bislang hatte ich jedoch in der Metalszene mit solchen alltagsrassistischen Konfrontationen kaum ein Problem und war entsprechend positiv begeistert. Ich habe mich heimisch und Willkommen gefühlt. Endlich zu den anderen gehören zu dürfen, nicht blöd angesehen zu werden.
Erst habe ich mich nicht getraut, diesen Artikel zu schreiben. Wir leben nun mal in einer „Mimimi“-Gesellschaft, aber so etwas ist das hier nicht. Es geht um grundlegende Verhaltensweisen, die vielleicht aufgedeckt werden müssen, damit sich endlich etwas ändert und vielleicht der eine oder andere Mensch mal versteht, dass er mit dem, was er sagt, anderen Menschen wehtun kann.
Dieses Jahr war ich mal wieder auf dem Metal Festival schlechthin, dem Wacken Open Air. Und die Erfahrungen, die ich dort gemacht habe, haben meinen Eindruck von dieser Gemeinschaft, die sich selbst als so weltoffen verkauft, um 180 Grad gedreht.
Endlich angekommen auf dem Holy Ground, habe ich mich auf die kommenden Tage gefreut, doch wurde ich mit kleinen Situationen konfrontiert, die vielleicht vereinzelt harmlos erscheinen mögen. In der Summe jedoch haben sie meine gute Laune ziemlich gekillt. Hier ein paar Beispiele:
1. Ich laufe über das Feld und innerhalb von 100 Metern treffe ich auf acht verschiedene Leute, die mir ganz freudig „Peace“ zeigen. Es tut mir ja wirklich leid, aber nicht jeder lebt das Klischee des Manga-Mädchens aus.
2. Männer, die sich lautstark über die „asiatischen Festivaltouristen“ aufregen und darüber ungläubig den Kopf schütteln. Hallo – ich kann euch verstehen!
3. Die gesteigerte Variante sind die, die dich von Kopf bis Fuß mustern (meist einige Minuten lang), sich dann an ihren Kumpel wenden, angestrengt die Augen zusammenkneifen und dann (ebenfalls lautstark) fragen: „Denkst du, die gehören zur Sorte Japaner?“
4. Zu einer ganz anderen Kategorie gehören die (meist alten) Männer, die vermutlich irgendwann aus irgendwelchen Gründen Japanisch gelernt haben und somit auf jedes asiatisch wirkende Wesen anspringen, das ihnen über den Weg läuft. Natürlich werde ich auf Japanisch angesprochen. Und obwohl ich ihnen klar mache, dass ich Deutsch bin und kein Japanisch spreche, lassen sie nicht locker.
Ich habe es mit Ignorieren versucht. Doch diese Menschen, die ihre Ausländersammlung erweitern wollen, lassen sich davon nicht beirren. Sie können doch nicht einfach so ein rares Fundstück entkommen lassen! Deshalb wird hinterhergelaufen und unsinniges Zeug gerufen.
5. Ähnlich verhält es sich mit der Security-Dame, die im übrigen Deutsch kann. Auf so einem internationalen Festival ergibt es natürlich Sinn, Leute auf Englisch anzusprechen. Antworte ich jedoch auf Deutsch, werde offensichtlich verstanden und die Antwort ist schon wieder auf Englisch, fühle ich mich einfach verarscht.
6. Ganz anders als sonst war auf dem diesjährigen Wacken nicht mit Schlamm, sondern mit Staub zu kämpfen. Nach einem Tag ohne Mundschutz habe ich einen Reizhusten bekommen und ich wusste, dass ich den Stoffschutz tragen muss. Und da man als Asiate damit wohl jedes Klischee bedient, musste ich mir auch dann jede Menge Kommentare unter der Gürtellinie anhören. „Wir sind hier nicht in Tokio!“ oder „Ihr Asiaten mit Mundschutz seid doch alle hässlich“ waren wohl die gängigsten Sprüche, obwohl bestimmt ein Drittel aller Festivalbesucher auch auf ihre Gesundheit achteten und den Stofffetzen vorm Gesicht trugen.
7. Man sollte an dieser Stelle erwähnen, dass ich mit meiner Schwester und einem deutschen Kumpel unterwegs war. Der Anblick von einem vermeintlich Deutschen, der mit zwei Asiatinnen unterwegs war, muss wohl für einige Anwesenden so verstörend gewesen sein, dass nicht meine Schwester und ich gefragt wurden woher wir kommen, sondern unser Freund – auf Englisch. Da stellt sich mir natürlich die Frage: Dachte der Typ, dass mein Kumpel unser Besitzer sei? Glaubte er, wir sind taubstumm? Oder sind wir Außerirdische, zu denen man den Kontakt besser nicht aufnehmen sollte? Und im Übrigen: Wieso ist das denn eigentlich so wichtig, woher wir kommen?
8. Der schlimmste Moment, den ich wohl nie vergessen werde, war beim Auftritt von STEEL PANTHER. Man darf STEEL PANTHER und ihre Texte nie so richtig ernst nehmen. Nur weiß ich nicht so ganz, ob sich alle Fans darüber im Klaren sind. STEEL PANTHER waren nie eine Band, die ich mochte, da ich persönlich Sexismus und Rassismus (egal, wie ironisch das ganze gemeint ist) ungern in meiner Playlist habe. Dennoch schaute ich mir zumindest den Beginn des Konzertes meinem Kumpel zuliebe an.
Aus dem Augenwinkel bemerkte ich einen Mann, der uns mal wieder intensiv musterte. Plötzlich kam er her und fragte auf Denglisch, woher wir kämen. Als ich dann auf Deutsch antwortete, dass ich Deutsche sei, war er erstmal sprachlos. Als er sich dann wieder gefangen hatte, fragte er, woher ich URSPRÜNGLICH käme. Um das noch einmal klarzustellen: Ich bin nicht importiert. Schon bald gesellte er sich zurück zu seinen Freunden, die dann bei dem Lied „Asian Hookers“ ganz herzlich zu lachen begannen. Sie zeigten mit dem Finger auf uns und machten sich "Schlitzaugen". Es muss wohl nicht erwähnt werden, dass ich direkt zu einem anderen Auftritt marschiert bin. Mit schlechter Laune, gedemütigt wegen meines Aussehens. Herzlichen Dank, liebe Metal-Gemeinde.
Zu Beginn des Festivals meinte mein Kumpel noch: „Hab dich doch nicht so, ist doch nur eine Kleinigkeit“, doch nach einer gewissen Zeit, nach einer gewissen Frequenz, nach einer gewissen Heftigkeit war auch er schockiert über das Verhalten dieser Menschen. In vielen Momenten habe ich mir einfach gewünscht, ein großer, europäischer Mann zu sein, um endlich mal in Ruhe gelassen zu werden.
Mein Fazit dieser fünf Tage war, dass unglaublich viele Metalheads nicht besser sind, als jeder andere alltagsrassistische Mensch auf dieser Erde. Solche Menschen gibt es in dieser Szene definitiv nicht weniger, und der Titel „tolerante Szene“ ist in jedem Fall unverdient. Die sogenannten Werte des Metals sind ein leeres Ideal, eine Lüge, ein Sich-selbst-schönreden.
Egal, ob die Leute aus Italien, Australien, Kolumbien oder Norwegen kamen: dass sie als Metalheads beim Wacken waren, wurde nie angezweifelt. Als Ostasiate sieht die ganze Sache schon ein wenig anders aus. Dauernd muss man beweisen, dass man tatsächlich die Musik mag. Man muss viel mehr dafür tun, um in der Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Selbst ein Mann im „I love Helene Fischer“-Shirt wurde weniger beschämt, als wir. Besonders Ostasiaten scheinen aus dem Gemeinschaftsbegriff ausgegliedert zu sein – "Schlitzaugen" werden nicht geduldet.
Ich habe mir den Kopf über die Ursache dieses Verhaltens zerbrochen und kam einfach auf keine richtige Antwort. Denn meine Erfahrung zeigte, dass Menschen aller Generationen kollektiv zu handeln scheinen. Sind die Menschen dumm? Sind die Menschen ungebildet und haben noch nie etwas von Globalisierung gehört? Leben sie in Dörfern, wo es keine Ausländer gibt? Sind sie tatsächlich rassistisch? Denken sie einfach nicht über ihr Verhalten nach?
Wenn man voller Vorfreude zum Metal-Mekka marschiert, das laut Eigendefinition der Metaller entsprechend tolerant und weltoffen sein soll, und in solch ein tiefes Loch fällt, ist man entsprechend enttäuscht. So verhalten sich also 85.000 "tolerante Metaller" komprimiert auf 7,1 Quadratkilometern – meine Begeisterung hält sich in Grenzen.
Ein solches Verhalten ist in keinem Fall zu entschuldigen, ob unter Alkoholeinfluss oder nicht. Es bedarf nur ein wenig Empathie, um Menschen etwas Gutes zu tun. Und in dem Fall kann in Ruhe gelassen zu werden mehr wert sein, als dumm von der Seite angelabert zu werden. Sensibilisiert euch für die Gefühle anderer Menschen. Bitte. Danke.