Denn nach sechs großartigen und einer zumindest guten siebten Staffel, die allerdings schon deutlich weniger Höhepunkte und Twists bot, geht eine der ambitioniertesten Buchumsetzungen aller Zeiten mit einer solchen Belanglosigkeit zu Ende, dass mir am Ende tatsächlich die Emotionen fehlen, die mich über weite Strecken der Serie begeleitet haben – Folge für Folge, Cliffhanger für Cliffhanger, Twist für Twist, Figurentod für Figurentod.
ACHTUNG: SPOILER!
Ich beziehe mich auf Ereignisse aus der kompletten achten Staffel, insbesondere der letzten Folge. Wenn ihr sie noch nicht gesehen habt, lest nicht weiter!
Bis auf den ersten Band habe ich die Buchvorlagen nicht gelesen. Ich kann und werde also an keiner Stelle auf Unterschiede zur filmischen Umsetzung eingehen. Weil mich die letzte Staffel und das Serien-Finale mit so vielen offenen Fragen und ambivalenten Eindrücken zurück ließ, möchte ich einfach schildern, was ich denke und mich frage – und zwar in loser Reihenfolge, ohne Gewichtung von Figuren oder Ereignissen, einfach so, wie es mir in den Kopf kommt.
Also dann:
Warum bleibt Jon Schnee nach dem Verrat an seiner geliebten Königin eigentlich am Leben? Warum macht Drogon nicht ein Häufchen Asche aus ihm, als er sieht, was er mit der Mutter der Drachen gemacht hat? Warum schmilzt der Drache den Eisernen Thron? Obwohl es wie so vieles Interpretationssache ist, gefällt mir die Symbolik dahinter: Es soll keinen anderen Herrscher über Westeros geben als Daenerys. Ohne sie gibt es auch keinen Thron mehr, von dem sich herrschen lässt. Dumm nur, dass es am Ende völlig egal ist, weil es eben doch einen neuen König gibt. Oder aber der Drache sah den Dolch in Daenerys' Leib, die Schwerter am Thron und wollte eine mögliche Bedrohung auslöschen. Wer weiß schon, wie Drachen denken?
Die Dothraki sind nicht gerade als friedliebendes Volk bekannt und hätten neben Drogon den wohl besten Grund, den Mörder ihrer Khaleesi mit dem Tod zu bestrafen. Auch der vom Hass völlig verblendete Grauer Wurm müsste Jon eigentlich ohne zu zögern hinrichten wollen. Aber nein, er und die Unbefleckten übergeben ihn nicht nur an die Nachtwache, sondern (widerwillig) auch Tyrion an den neuen König und segeln am Ende gen Naaht, während die Dothraki Seite an Seite mit den Bürgern von Königsmund durch die Straßen spazieren. Apropos Bürger: Von denen sieht und hört man seit der Zerstörung Königsmunds sehr wenig. Keine Aufstände, nachdem ihre neue Kurzzeit-Königin mal eben die komplette Hauptstadt eingeäschert hat, nichts.
Jon selbst darf zur Mauer und das Schwarz anlegen. So endet seine Geschichte, wie sie begann. Weil es aber keine Weißen Wanderer und damit Gefahren jenseits der Mauer mehr gibt, zieht er mit den Wildlingen weiter in den Norden – dorthin, wo er sich heimisch fühlt und schon immer gefühlt hat. Nein, er wollte nie König sein, auch wenn es ihm nach seinem Erbrecht zustand. Es hätte so wunderbare Möglichkeiten gegeben, wenn er von den anderen tatsächlich zum Herrscher über die sieben Königslande gemacht worden wäre. Stattdessen läuft er vor seinem Verrat seiner Geliebten schwanzwedelnd und geblendet hinterher, verteidigt sie vor Tyrion, will die grausame Wahrheit nicht wahrhaben. Dass ausgerechnet er sie tötet, erscheint da ziemlich inkonsequent. Und dennoch ist sein Werdegang mit der Verbannung, die keine ist, logisch und konsequent – so gerne ich ihn auch als König gesehen hätte.
Arya hätte Daenerys töten sollen. Während und nach der Zerstörung von Königsmund spricht ihre Mimik Bände: Die selbsternannte Königin, die Tausende Unschuldige verbrennt, muss sterben. Sie kann nicht über die sieben Königslande regieren, ist am Ende eben doch kein Stück besser als die brutalen Herrscher vor ihr. Was hätte das für eine Spannung geben können, wenn die Bezwingerin der Weißen Wanderer, auf ewig Retterin der Lebenden, Fast-Möderin von Cersei, auch die irre, neue Königin getötet hätte? Stattdessen hat das jüngste Stark-Mädchen, dessen Verbindung zu Sandor Clegane immerhin zu den Höhepunkten der letzten Staffel gehört, nach der Schlacht der langen Nacht nicht mehr wirklich viel zu tun. Bezeichnend nichtssagend ist die Szene in der letzten Folge, in der sie in der völlig verbrannten Stadt mit einem einsamen Pferd durch die Straßen galoppiert. Am Ende segelt sie gen Westen, um unbekannte Gegenden zu entdecken.
Schade übrigens, dass der Bluthund, eine der sympathischsten und ambivalentesten Figuren der ganzen Serie, letztendlich so ein maues Ende findet. Natürlich muss er auf seinen großen Bruder treffen und will ihn töten, aber doch bitte nicht so. Überhaupt ist der Tod vieler Figuren entweder unnötig oder seltsam emotionslos – seien es Theon Graufreud, der endlich Frieden mit Sansa und dem Haus Stark schließen kann, oder Jorah Mormont. Dass im Laufe der Serie zahlreiche liebgewonnene Figuren unerwartet sterben, daran muss man sich bei "Game Of Thrones" gewöhnen. Doch manche Tode werden so beiläufig abgehandelt, dass die Emotionen völlig auf der Strecke bleiben.
Bran wird König. Der echte, lebende von Westeros, nicht der Nachtkönig. Wie jammerschade. Dass er nicht der Anführer der Weißen Wanderer ist, wird schon lange vorher klar. Dabei hätte es so gut gepasst, wenn der völlig empathielose Stark-Junge auch der größte Schurke von Westeros gewesen wäre. Seine Ernennung zum König strotzt vor Logikfehlern. Als Samwell Tarly in versammelter Runde der verbliebenen Lords vorschlägt, den König von allen Menschen Westeros wählen zu lassen, wird er herzhaft ausgelacht. Kurze Zeit später wird Bran aber nicht seines Blutes wegen König, sondern weil er – na? – gewählt wird. Und zwar so einstimmig und problemlos, dass es einfach überhaupt nicht zum Charakter dieser vielschichtigen Serie passt.
Sansa macht derweil klar, dass der Norden wie die tausende Jahre zuvor ein eigenes Reich bleibt. Ist gebongt, hat keiner was gegen. Dann herrscht Bran eben über sechs statt sieben Königslande. Ob er als dreiäugiger Rabe wohl vorhergesehen hat, dass keiner der anderen Lords nicht auch die Unabhängigkeit für sein eigenes Land fordert – nicht mal die Lady der Eiseninseln, die in der letzten Staffel sowieso keine Rolle mehr spielt? Man fragt sich eh, was Bran so alles gesehen und gewusst hat – oder eben auch nicht, denn seine Visionen werden erst gar nicht mehr gezeigt. Vielleicht hat er sich gar am Ende selbst auf dem Eisernen Thron gesehen?
Ein kurzes, aber wirklich feines alternatives Ende rund um Bran als Nachtkönig, der Daenerys kontrolliert, hat übrigens ein Fan erstellt:
What if #GameOfThonesFinale Was like this
— Khaled Comics (@KhaledComics) 21. Mai 2019
#alternativeEnding#GOTSeasonFinale pic.twitter.com/3t4P6grscu
Tyrions Wahl als Hand des Königs ist logisch. Am Beratertisch des neuen Königs versammeln sich außerdem die sympathischsten und fähigsten Figuren der Serie: Ser Davos, Großmeister Samwell Tarly, Brienne von Tarth. Und Ser Bronn vom Schwarzwasser, wie von den Lannister-Brüdern versprochen Lord von Rosengarten, als – Achtung – Meister der Münze. Schäkernd sitzt er da mit Tyrion, den er im Auftrag von Cersei wenige Folgen zuvor noch droht, umzubringen. Ich mag Bronn als Figur sehr, er und Tyrion sind in den früheren Staffeln ein einzigartiges Gespann. Aber um Himmels willen, das ist dann doch zu viel des Guten. Übrigens hätte der Zwerg nach den zahlreichen Taten, die seiner Königin gar nicht gefielen, schon mehrmals umkommen müssen, statt nach dem Niederlegen seines Amtes als Hand der Königin einach nur eingekerkert zu werden. Ein Wunder, dass er es bis zum Ende schafft – schließlich ist die Sprengerin der Ketten mit Verrätern nie zimperlich umgegangen.
Mit Jamie, der nach dem so lange erwarteten und erhofften Techtelmechtel mit Brienne dann doch ganz schnell wieder voller Sehnsucht zu seiner Schwester nach Königsmund reitet, meint es das Schicksal nicht gut. Nachdem sein Bruder ihm in Daenerys' Gefangenschaft zur Flucht verhilft, schafft er es nicht, in die Stadt zu gelangen und die Glocken zur Kapitulation zu läuten. Als er endlich den Zugang zu den Gewölben unterhalb des Roten Bergfrieds erreicht, wird er auch noch von Euron Graufreud aufgehalten. Verletzt kann er die verängstigte Cersei noch in die mittlerweile verschütteten Gewölbe bringen, bis unter den Einschlägen des Drachenfeuers die Decke auf das Geschwisterpaar fällt und beide begräbt. Puh.
Cersei, die selbstsüchtige Herrscherin, will zuvor ihr nahendes Ende nicht wahrhaben, tut aber während ihrer seltenen Auftritte nichts anderes, als Wein zu trinken und aus dem Fenster zu schauen. Einzig bei Missandeis Hinrichtung glänzt sie noch einmal mit böser, alter Stärke. Überhaupt kommen die Bösewichte besonders in dieser letzten Staffel zu kurz – auch, weil die Weißen Wanderer viel zu früh besiegt werden und fortan die anfangs latente, sich steigernde und schließlich ganz konkrete, permanente Bedrohung völlig fehlt. Dass es ausgerechnet Arya ist, die den Nachtkönig tötet, überrascht ebenso sehr, wie es einfach nebenbei passiert.
So bleibt Daenerys Targaryen als "bad girl", dessen Wandlung vom schüchternen Mädchen zur rachsüchtigen, kalten Herrscherin dann am Ende doch etwas zu schnell vonstatten geht. Im Laufe der Serie wird immer deutlicher, dass sie nicht gerade die gütige Königin und Sprengerin der Ketten sein wird. Um das auch dem Zuschauer in Erinnerung zu rufen, resümmiert Tyrion Jon gegenüber noch einmal, was sie getan hat – Gutes wie Schlechtes. Doch wie Jorah Mormont und Ser Davos, wie Jon, Tyrion und der arme Varys glaubt man (zu) lange daran, dass das Gute und Gütige in ihr siegt. Dass Daenerys letztendlich trotz Jons Bitten, trotz Tyrions selbstloser Versuche, Tausende von Unschuldigen zu retten, trotz der Kapitulation des Feindes rachsüchtig, wahnsinnig und ohne Rücksicht auf jegliche Verluste ganz Königsmund niederbrennt, ist logisch und konsequent, in seiner Plötzlichkeit aber doch seltsam enttäuschend.
Was allerdings gar nicht logisch ist, sind die zahlreichen Ungereimtheiten und Logiklücken, die für eine solch durchdachte Serie nicht nur ungewöhnlich, sondern einfach störend sind. In der einen Folge wird Drache Rhaegal urplötzlich und recht unspektakulär von Lanzen durchbohrt und getötet. Abgesehen davon, dass Daenerys die Schiffe von der anderen Seite aus hätte angreifen können, ist es wenig später überhaupt kein Problem, sowohl die gesamte Flotte als auch die Verteidigungsanlagen der Stadt niederzubrennen, ohne dass Drogon auch nur einen Kratzer mitbekommt.
Die Entwicklung der Charaktere findet entweder gar nicht (mehr) statt oder geht viel zu schnell. Das ist das größte Problem dieser achten Staffel und vor allem der letzten Folgen. Hier wurde so viel Potenzial verschenkt, indem die Story völlig überhastet erzählt wird, dass es fast schon weh tut. Nie hätte ich gedacht, dass ich eine "Game Of Thrones"-Staffel so unkonzentiert und unaufgeregt verfolge wie diese letzte, selbst wenn sich das in der siebten schon andeutete.
Vielleicht macht sich die fehlende Buchvorlage ab Staffel sieben zu deutlich bemerkbar. Dabei geht es gar nicht mal so sehr um den Twist am Ende. Überraschend ist es, denn mal ehrlich: Wer hätte schon mit Bran als König gerechnet? Es bleibt Geschmackssache, klar. Dennoch hatten nicht nur die Showrunner Benioff und Weiss, sondern Autor Martin höchstselbst die Idee dazu. Nein, es geht um den Weg dorthin. Der ist gerade in der letzten Staffel teilweise so wirr, inkonsequent, unlogisch und überraschungsarm, dass er mir die Lust an dieser sonst so großartigen Serie vorerst genommen hat.