Geschrieben von Dienstag, 16 Juli 2024 11:32

Die große Scorpions-Verschwörung: Wer schrieb 'Wind of Change'?

Wind Of Change Podcast Wind Of Change Podcast Pic: Crooked Media

“Wind Of Change” von den SCORPIONS war zur rechten Zeit am rechten Ort – der Song, 1989 geschrieben, 1990 veröffentlicht, wurde die Hymne zum Ende der UDSSR und des Kalten Kriegs. Mehr als nur der größte Hit einer Rockband, sondern ein Symbol für Freiheit und Fortschritt, das in den ehemaligen Sowjetstaaten wohl noch immer fast jede:r mitpfeifen kann. Toller Zufall – oder?

Oder vielleicht nicht. Was wäre, wenn “Wind Of Change” nicht von SCORPIONS-Sänger Klaus Meine, sondern von der CIA geschrieben worden wäre? Ein so perfider wie genialer Propaganda-Schachzug, um den Feind hinterm eisernen Vorhang mit den Ideen des Westens zu impfen und der ohnehin geschwächten UDSSR den Rest zu geben? Diese Geschichte ging dem US-Journalisten Patrick Radden Keefe nicht aus dem Kopf und er ging ihr nach. Das Ergebnis ist der achtteilige Podcast “Wind Of Change”.

Verstrickungen zwischen CIA und Popkultur

Gehört hat er die Story über zwei Ecken, es ist nicht mehr als eine nette Anekdote, die sich alte CIA-Typen beim Bier erzählen – natürlich top secret. Am Anfang steht also Grundsätzliches: Kann das sein? Macht die CIA sowas, ist das denkbar? Die Frage, ob der US-Geheimdienst “Wind Of Change” geschrieben hat, ernsthaft und journalistisch zu beantworten, ist tricky. Schließlich ist sowas geheim. Das muss auch Keefe feststellen, und er holt daher über acht Podcast-Folgen ganz schön weit aus.

Und es ist spannend, wo ihn das hinführt. Man erfährt viel über die Arbeitsweise der CIA – was heißt “highly classified”, mit welchen Methoden wird gearbeitet, welche ähnlichen Beispiele gab es schon? Denn ja: Die CIA hat nachweislich immer wieder mit Akteur:innen aus Kunst und Kultur gearbeitet, auch mit Musiker:innen. Das ist, obwohl es immer wieder von der Leitfrage wegführt, sehr spannend und lehrreich – weil der Podcast nie den roten Faden verliert und sehr gut erzählt ist.

The rabbithole is beautiful. But it’s deep.

Der Journalist springt für sein Projekt mit Anlauf ins Kaninchenloch dieser ganz speziellen Verschwörungstheorie, ist sich der Gefahren aber bewusst und macht auch wiederkehrende Zweifel an seiner eigenen Story zum Thema. Er spricht mit Ex-CIA-Agent:innen, es geht um Drogenschmuggel und G.I. Joe. Er reist nach Kiew, um mit SCORPIONS-Fans zu sprechen. Er fliegt nach Moskau, um nicht nur dem Song, sondern auch einem ganz speziellen Festival nachzuspüren.

Ein Haufen Rockstars soll Russland westliche Kultur beibringen

Denn 1989 waren die SCORPIONS dort, als Teil des “Moscow Music Peace Festivals”, zusammen mit einem Haufen der versoffensten Rockstars, die die USA Ende der 80er zu bieten hatte. MÖTLEY CRÜE, SKID ROW, OZZY OSBOURNE ... Alle waren sie da, um den Russ:innen ein bisschen westliche Kultur beizubringen, die dort bis dato quasi illegal war. Klingt schon wieder zu verrückt, um wahr zu sein, oder?

Der Trip inspirierte Klaus Meine zu einem Song, illegales Tapetrading machte das Ding im Ostblock zum Hit und plötzlich pfiffen dort alle mit, hatten Bock auf Change und Kapitalismus. Ja, so betrachtet ... ist die Verschwörungstheorie fast glaubhafter als die vermeintliche Realität.

Ein zu Recht gefeierter Podcast

Es ist aufregend, Patrick Radden Keefe auf seiner Reise zu folgen, und auch wenn die Faktenlage zwischendurch dünn wird – er bleibt dran und folgt jeder noch so kalten Spur. Der Podcast “Wind Of Change” hat daher völlig zurecht viel Lob und Auszeichnung eingeheimst, als er 2020 erschien – und er ist auch vier Jahre später noch eine wunderbare journalistische Arbeit, die es sich lohnt, zu hören.

Also: Wer wissen will, was Keefe herausfindet und was Klaus Meine himself dazu sagt, sollte sich “Wind Of Change” unbedingt anhören.

Helge

Death Metal, Thrash Metal, Black Metal: immer gerne. Kann ich den ganzen Tag hören. Die störrische Art, unpolitisch sein zu wollen, nervt mich aber an der Metalszene – dabei ist doch alles politisch, auch Schweigen. Für Musik mit Haltung zieht es mich immer wieder zum Punk, vor allem zu melodischem US-Punk und Riot-Grrrl-Sound. Gleichzeitig habe ich einen sweet spot für 80er-Hair-Metal und für vieles, was mich in den 90ern musikalisch sozialisiert hat.

Bands

Amorphis, Amyl And The Sniffers, Bad Religion, Brutus, Cinderella, Dool, Entombed, Gggolddd, Gorefest, Grave, Guns n' Roses, Hail Spirit Noir, Iron Maiden, King Buffalo, Megadeth, Mötley Crüe, My Dying Bride, Obituary, Prong, Sodom, Solbrud, Spectral Wound, The Great Old Ones, Valborg, War On Women, White Ward, ZZ Top, ...

Prägende Alben

AC/DC - Let There Be Rock
Aerosmith - live! Bootleg
Amorphis - Tales From The Thousand Lakes
Bad Religion - Suffer
Benediction - Transcend The Rubicon
Bruce Springsteen - Nebraska
Death - The Sound Of Perseverance
Don Dokken - Up From The Ashes
Eloy - Inside
Genesis - Trespass
Grave - You'll Never See
Guns n' Roses - Use Your Illusion I & II
Kyuss - Welcome To Sky Valley
Megadeth - Rust In Peace
My Dying Bride - The Angel And The Dark River
Ramones - Loco live
Sepultura - Arise
Sodom - Agent Orange
Tankard - Two-faced
Tool - Aenima
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