The Big Picture
KKR & Co. ist eine börsennotierte Beteiligungsgesellschaft. Sie sammelt Geld ein und kauft damit Anteile an Unternehmen, um diese profitabler zu machen. Sobald das Unternehmen ordentlich umstrukturiert ist, wird es entweder verkauft oder an die Börse gebracht. Das Ziel? Reine Vermögensvermehrung – es geht um Wachstum und Profitabilität, nicht mehr und nicht weniger. KKR investiert in eine breite Palette von Branchen, darunter Konsumgüter, Technologie, Medien und Telekommunikation. Zu ihren Beteiligungen gehören zum Beispiel Epic Games, Axel Springer oder Tele5.
Superstruct Entertainment hingegen ist einer der größten Betreiber von Musikfestivals weltweit. Sie besitzen und betreiben über 80 Festivals in 10 Ländern, darunter einige der bekanntesten Events Europas wie Wacken Open Air, Sziget, Defqon.1 und Parookaville. Superstruct wurde 2017 von Providence Equity Partners zusammen mit James Barton gegründet, einem ehemaligen Manager des weltgrößten Live-Entertainment-Konzerns Live Nation, und hat über die Jahre zahlreiche Festivals aufgekauft.
Einfluss auf die Festivalbranche
Der entscheidende Punkt ist, dass große Investmentfirmen wie KKR darauf abzielen, möglichst hohe Gewinne zu erzielen. Das könnte bedeuten, dass die Festivals teurer werden oder sich verändern, um mehr Geld abzuwerfen – was nicht unbedingt im besten Interesse der Festivalbesucher ist.
Die Übernahme von Superstruct durch KKR ist ein bedeutender Schritt in Richtung Kommerzialisierung der Festivalbranche. KKR sieht großes Wachstumspotenzial im Bereich der Live-Events, da die Nachfrage nach Erlebnissen im Vergleich zu physischen Produkten stark zugenommen hat. Mit dieser Übernahme möchte KKR das Unternehmen weiter professionalisieren und expandieren.
Das heißt: Weniger Rock ’n’ Roll, mehr BWL. Kreative Ideen rücken in den Hintergrund; der Fokus liegt auf den Cashcows. Wer erinnert sich noch an die Full Metal Dayz oder das Werner Rennen? Auch im EDM-Bereich wurde Q-Dance, einst ein Pionier des Hardstyle, deutlich zurückgefahren. Es geht nicht darum, dass diese Projekte kein Geld verdient haben, sondern eher darum, dass sie nicht genug abgeworfen haben.
Stattdessen wird auf Megaevents wie Wacken gesetzt. Kreativität ist nur noch gefragt, wenn es darum geht, die Profitabilität zu steigern: mehr Merchandise, mehr Zusatzangebote und gerade so viel im Inklusiv-Ticket, wie nötig ist.
Also ist KKR jetzt Schuld an kostenpflichtigen Access-Pässen und weniger Rock ’n’ Roll?
Nicht direkt. Solche Gesellschaften mischen sich selten unmittelbar ein, sondern lenken von der obersten Ebene. Sie legen etwa fest, dass die Marge im Vergleich zum Vorjahr um 10 oder 20 Prozent steigen soll – wie das erreicht wird, bleibt dem Veranstalter überlassen.
Und so werden die Festivalgelände immer weiter vergrößert, um mehr Tickets zu verkaufen, Glamping-Angebote ausgebaut und unsinnige FoMo-Optionen wie eine Wacken United Area entwickelt. Nach und nach wird an den Ticketpreisen gedreht. Die Festivalerlebnisse werden zunehmend monetarisiert, was sich negativ auf die Authentizität und das kulturelle Erbe der Festivals auswirkt.
Für die Fans bleiben nur noch leere Floskeln aus frühen Tagen übrig, um genügend Volunteers kostenlos mit anpacken zu lassen – Hauptsache, der Gewinn wird nicht geschmälert.
Aber mit so viel Geld im Rücken kann Holger jetzt doch endlich METALLICA buchen!
Hast du nicht aufgepasst? Wozu die Marge verbrennen, wenn es auch mit weniger geht? Gewinnmaximierung ist das Ziel. Wenn dafür eine Arenaband als Headliner ausreicht, wozu Millionen verpulvern? Der Fan wird zum geduldeten Zahlvieh, während kreative und unabhängige Elemente der Festivals geopfert werden, um größere Profite zu erzielen.
Alles, was den Festivals ihre Authentizität und ihren einzigartigen Charakter verliehen hat, wird als unnötige Ausgabe in der Bilanz gestrichen oder auf das Nötigste reduziert.
Ich bin gerne Zahlvieh, wenn die Experience stimmt – wo ist das Problem?
Immer mehr Veranstaltungen werden von großen Megakonzernen geschluckt, die mittlerweile einen erheblichen Teil der Branche kontrollieren. Das Erlebnis ist immer nur so gut, wie es eben gerade sein muss. Durch die große Marktmacht dieser Unternehmen werden ganze Festivalsaisons geprägt. Unabhängige Veranstalter gehen unter, da Dienstleister für Technik und Infrastruktur, potenzielle Besucher und natürlich auch Bands nicht überall gleichzeitig sein können.
Kleine unabhängige Festivals – und damit auch Auftrittsmöglichkeiten für Nachwuchsbands – gehen verloren. Die Festivalerlebnisse, die wir so schätzen, werden nicht mehr im selben Maße verfügbar und erschwinglich bleiben.
Aber machen wir uns nichts vor: Wacken war schon lange reinster Kommerz. Doch es macht einen riesigen Unterschied, ob man für sich und seine eigene GmbH veranstaltet oder für ein Konglomerat, das Musik, die Kreativwirtschaft und Kultur nur als Möglichkeit sieht, weitere Millionen herauszuquetschen. Menschen bereichern sich daran, die noch nie ein Festival besucht haben und auch nicht maßgeblich für das Gelingen dieser hoch emotionalen Events verantwortlich sind.
Es findet eine immer stärkere Konzentration auf wenige Megakonzerne statt. Veranstaltungen werden von KKR, Live Nation, Eventim, AEG oder DEAG organisiert – immer im Interesse der Aktionäre und deren Margenerwartung.
Natürlich ist es verständlich, sich solchen Konstellationen anzuschließen, da Festivals ein hohes finanzielles Risiko mit sich bringen. Doch ob der Ausverkauf an eine „Heuschrecke“ der klügste Weg ist, um ein Vermächtnis zu sichern?