Geschrieben von Samstag, 26 September 2009 18:06

16 Euro mit Anfassen oder die Frage, ob digital glücklich macht

aic_deluxe

Die meisten denken, wenn man für ein Musikmagazin schreibt, dann hat man CD-mäßig ausgesorgt. Schließlich kriegt man ja alles umsonst und muss lediglich alle paar Monate mal das Regal verlängern… doch ganz so ist es nicht. Oder besser: nicht mehr.

Viele Labels haben mittlerweile auf digitale Bemusterung umgestellt, und manchmal gibt’s nicht mehr als einen ruckeligen Stream, den man sich für kurze Zeit im Netz anhören darf.
Vor fünf, sechs Jahren war das noch ein wenig anders – da landete ein Album in aller Regel als sogenannte „Full Promo“ im Briefkasten, also im normalen Laden-Verkaufsformat mit Jewel Case, Cover und Drumherum. Und selbst wenn es nur in einem Promo-Pappschuber steckte: Man hatte etwas in der Hand, was man sich hinstellen konnte.

Wer sich heute Musikjournalist nennt, braucht bald keine neuen Regale mehr – die Festplatte löst den Briefkasten ab. Allem Fortschritt zum Trotz, ich finde das schade: Wie wohl fast jeder Musikliebhaber, der noch mit Platten und Kassetten aufgewachsen ist, mag ich es sehr, wenn ich beim Musikhören im Booklet blättern, die Texte oder Liner-Notes lesen und mir die Scheibe anschließend nett verpackt ins Regal stellen kann. MP3s dagegen… unsexy.

Dennoch frage ich mich in letzter Zeit recht häufig, ob ich nicht auch den Schritt machen soll – weg vom physischen Datenträger, hin zum schnellen Download für zwei Drittel des Ladenpreises. Es gibt gute Argumente: Musik höre ich mittlerweile größtenteils unterwegs oder am Rechner, ich war nie ein Analog-Freak und sehe mein CD-Regal immer ausladender, schwerer und staubiger werden. Klar, eine große Sammlung macht optisch was her – aber aus dem Dicke-Hose-Alter bin ich auch langsam raus.

Ein erster, zaghafter Ansatz, auf Digital umzuschwenken, ist bereits gelungen: Mastodons Version von „Just Got Paid“, das nur auf einer Cover-Compilation zu finden ist, war meine Netz-Kauf-Premiere. Ich vermisse nichts. Anders bei Nine Inch Nails: Das „Ghosts“-Album als Download hat mir nur so lange gereicht, bis die Scheibe auch im Laden stand. Ich musste sie einfach physisch besitzen und bereue den doppelten Kauf bis heute – musikalisch hat mich das Album nie richtig überzeugt.

Gestern stand ich mit meiner Einkaufsliste im Saturn, darauf Dying Fetus, Pearl Jam, Evergreen Terrace, Alice In Chains. Ich habe die Preise zusammengerechnet, überschlagen, was ich im Netz dafür weniger zahlen müsste und abgewogen, wie lange ich mir in letzter Zeit CD-Cover angeguckt und in Booklets geblättert habe. Die Antwort: sporadisch, ohne mir richtig Zeit zu nehmen; im Grunde verdammt selten. Und ich habe mir wieder einmal ernsthaft die Frage gestellt, ob nicht auch die Download-Variante ihren Zweck erfüllt.

Das Alice In Chains-Album habe ich mitgenommen, die Argumente waren wasserfest: Limited Deluxe-Edition mit T-Shirt – ein Angebot, das ich nicht ablehnen konnte. Auch die anderen Scheiben hatte ich in der Hand, Stückpreis 16 Euro, mit Anfassen. Ich hätte sie mir dafür kaufen, zu Hause rippen und ins Regal stellen können.

Ich hab’s nicht gemacht, noch nicht. Vielleicht warte ich auf ein günstiges Angebot, vielleicht lade ich mir die Alben aber auch einfach runter, freue mich über das gesparte Geld und geh mir dafür dann im Laden zwei weitere CDs kaufen... weil ich weiß, dass digital nicht wirklich glücklich macht.
Chris

Als Kind der 90er liebe ich Grunge und Alternative Rock – meine bevorzugten Genres sind aber Death, Groove, Dark und Thrash Metal. Ich kann Musik und Künstler schwer voneinander trennen und halte Szene-Polizisten für das Letzte, was Musik braucht. Cool, dass Du vorbeischaust!