Wenn man nach DEM AC/DC-Album fragt, gibt es fast nur zwei mögliche Antworten: „Highway To Hell" (1979) und „Back In Black" (1980), und damit die beiden Scheiben, die für die Zeitenwende bei den Australiern stehen. „Highway To Hell" enthält nicht zuletzt mit dem gleichnamigen Song einige der größten Hits der Band und wird für viele als der Höhepunkt der Bon Scott Ära gesehen.
„Back In Black" stand unter ganz anderen Vorzeichen. Nach dem Tod ihrer Frontmanns und damit ihrer Identifikationsfigur, kamen AC/DC fast trotzig mit einem Album zurück, das in Sachen Produktion ihren gesamten Backkatalog gepflegt gegen die Wand blies und außerdem Übersongs wie den Titeltrack, „Hell's Bells" oder „You Shook Me All Night Long" enthielt, die auch heute noch Teil jeder Setlist sind.
Mein liebstes AC/DC Album stand dagegen schon ein paar Jahre früher in den Regalen. Obwohl „Dirty Deeds" mit dem Titelsong gerade mal eine Nummer hat, die es bis heute immer wieder ins Live-Programm schafft, ist es für mich immer noch das stärkste Album der Aussis, und das aus zwei Gründen:
Zum einen zeigten sich AC/DC auf dieser Platte so variabel wie noch nie und auch danach nie wieder. Natürlich wird das übliche Spektrum von Up-Tempo-Songs wie „Dirty Deeds, Done Dirt Cheap" oder „Rocker" über Boogie wie „There's Gonna Be Some Rockin'" bis zu Mid-Tempo-Nummern wie „Problem Child" oder „Love At First Feel" abgedeckt. Daneben enthält die Scheibe mit „Ride On" aber auch die einzige echte Ballade von AC/DC.
Und die braucht sich nicht zu verstecken. Vor Jahren verwettete ein ehemaliger BurnYourEars Mitarbeiter noch sein Leben, falls AC/DC jemals eine Ballade veröffentlichen würden. Ich habe ihm den Einsatz großzügigerweise erlassen. Immerhin handelt es sich dabei, obwohl oder gerade weil sie so aus dem Rahmen fällt, um eine meiner Lieblingsnummern der Herrschaften aus Down Under.
So melancholisch, wie es schon der langsame und schlichte Blues vorgibt, ist auch der Text, in dem Bon Scott alle Scheinwerfer auf die Tragik der eigenen Person richtet und sich seelisch vor dem Hörer entblößt. Wohl jeder, der irgendwann mal in einer Situation gesteckt hat, in der nichts gepasst hat, dürfte sich hier verstanden fühlen, und wer noch einen Soundtrack zum Selbstmord gesucht hat: Dieser Song darf eigentlich nicht fehlen.
Das führt mich auch schon zu dem anderen Grund, warum ich dieses Album liebe: Bei keiner Scheibe davor und bei keiner danach hat Bon Scott mit so spitzer Zunge getextet, nach seinem Tod erreichte bei AC/DC niemand mehr seine Treffsicherheit.
Neben „Ride On" gibt sich Scott auf „Dirty Deeds" ironisch bis zynisch und schont sich selbst auch hier nicht, legt seine Schwächen offen und spielt mit dem Bild, das die konservative Öffentlichkeit von ihm hat. Ob er nun in „Ain't No Fun Fun Wainting 'Round To Be A Millinaire" das Warten auf den Reichtum besingt, während das eigene Leben langsam den Bach runter geht, im brillanten „Big Balls" die Doppeldeutigkeit des Wortes „Ball" bis zum Exzess ausreizt oder im Titelsong anbietet, Beziehungen gegen eine kleine Gegenleistung zu zerstören, 1976 sah den scharfzüngigsten Bon Scott aller Zeiten.
Ja, keine Frage, „Highway To Hell" und „Back in Black" sind tolle Platten mit vielen Hits, die auf keiner Party fehlen sollten. Aber wenn ihr mal etwas Zeit habt, nehmt sie euch auch für „Dirty Deeds", dreht die Regler auf 11 und hört genau hin.
Geschrieben von Thorsten Donnerstag, 11 März 2010 19:15
Lieblingsalben Teil 1: (A) AC/DC – Dirty Deeds Done Dirt Cheap (1976)
Es gibt Alben, die schlagen in der Szene ein wie eine Bombe, und es gibt Alben, die scheinen, zumindest im Nachhinein, irgendwie in der Discographie ihrer Urheber immer übersehen zu werden. Mit dieser Ausgabe von „Mein Senf" werde ich in unregelmäßigen Abständen meine Lieblingsalben bestimmter Bands vorstellen, besonders solche, die in meinen Augen zu Unrecht wenig Beachtung finden. Der Einfachheit halber starte ich damit auch gleich am Anfang des Alphabets und damit bei niemand Geringerem als AC/DC.
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