So richtig einig sind sich alle, die zu Wort kommen dürfen, aber nicht: Labelchef Jürgen Schattner von Rookie Records und Flo vom Bierschinken würde es nehmen, wie es kommt. Measy (u.a. GIULIO GALAXIS) kann sich schwer vorstellen, was nach "Diene Der Party" noch kommen soll, während die Swebo und Micha von PASCOWS erstem Label Plastic Bomb schon traurig wären, eine der besten Live-Bands missen zu müssen und sich Produzent Kurt Ebelhäuser verständnisvoll zeigt. Nur der freche Jörkk Mechenbier von LOVE A (lässig im Landstreicher-Look) findet, dass PASCOW sich besser heute als morgen auflösen sollen. Ist natürlich nur Spaß.
Dass überhaupt die Frage nach dem Aufhören zur Debatte steht, ist allerdings seltsam. Nach dem kleinen Schock – wie, was aufhören? – fängt sich "Lost Heimweh" aber schnell und entscheidet sich, bei PASCOW ganz vorne zu beginnen. Alex von PASCOW hat in unserem Interview zu "Lost Heimweh" bereits Entwarnung gegeben.
Joachim Hiller vom OX Fanzine und Nagel von MUFF POTTER (schaden der Jugendherbergsbewegung!) versuchen zu differenzieren, was an PASCOW anders sein könnte und wo genau der Unterschied zwischen Studenten (-Punk) und schlau sein könnte. Ingo Knollmann (SCHRAPPMESSER, DONOTS) verrät eher beiläufig eine der Stärken PASCOWs. PASCOW bitten ihn für einen Gastbeitrag auf die Bühne, natürlich ohne geübt zu haben, und zaubern dann doch ein astreines Cooldown aus dem Ärmel. Wer übt, kann nix und wer hat, der kann.
"Für 'ne Band aus Gimbweiler nicht schlecht ... "
Im Verlauf von "Lost Heimweh" wird immer deutlicher, wie ernst PASCOW die Band nehmen, wie sie ihr Tun reflektieren und wie sehr sie daran interessiert sind, das Bestmögliche zu geben. Das selbstkreierte Spannungsfeld – möglichst Underground bleiben, aber High-quality abliefern – ist enorm selbstfordernd. Und es wird ebenfalls klar, dass PASCOW viele Chance gehabt hätten und dank guter Leute an ihrer Seite immer auf dem Teppich blieben.
Im Vorprogramm der BEATSTEAKS, DONOTS oder von DIE ÄRZTE wäre locker ein Levelsprung möglich gewesen, ein Plattenvertrag bei einem großen Label war sicher nicht utopisch. Die Band hat sich dagegen entschieden – sicher nicht nur einmal und ganz sicher immer wohl überlegt. Die vier Punker haben sich ihre Prinzipien bewahrt und spielen erhobenen Hauptes, auch gerne von einigen 50 Fans. "Positive Sturköpfigkeit" sagt Weggefährte Jörkk dazu und ähnlich wie bei Helge Schneider bewegt sich die Menge auf PASCOW zu und nicht umgekehrt, nachzusehen in "Lost Heimweh".
PASCOW von früher bis heute – Saarland asozial, schalalalalaaa!?
Eines der Highlights ist eine Aufnahme der ersten musikalischen Schritte der beiden Brüder. Alex spielt Headless-Bass (O-Ton Alex: "Das war damals schon das Peinlichste, was man spielen konnte ...") und ein blondgesträhnter Ollo mit umgedrehter Kappe jault am Mikro. Und dass PASCOW mit roten (O-Ton Swen: "ziemlich affigen") Flammenhemden auf der Dorf-Kirmes gespielt haben, wird schonungslos unterm Teppich hervorgekehrt.
PASCOW zeigen mit "Lost Heimweh" keinen verklärten, geschönten Rückblick, sondern schildern ihre ganz eigene Geschichte, genauso wie sie war, mit allen Höhen und Tiefen. Alex gibt ziemlich offen zu, dass er im Rückblick einige Songtexte selbst etwas flach findet. Swen war sich erst gar nicht sicher, ob er wirklich Lust auf PASCOW hat und Flo musste einigen harte Übungsstunden einlegen, um mit den anderen Schritt halten zu können. Auch der erste Bassist Björn Bieber kommt zu Wort und reflektiert etwas geknickt, wie schwierig es damals war, bei PASCOW zu spielen und gleichzeitig Flight13 Duplication aufzubauen.
Durch die strikte Einhaltung der D.I.Y.-Methode haben sich PASCOW über die Jahre ein treues, stabiles Netzwerk unterschiedlicher Talente aufgebaut, durch deren O-Töne entsteht ein schönes Bild der Punk-Entwicklung der letzten 20 Jahre. "Lost Heimweh" ist ein ungeschönter und trotzdem detailverliebter Film, mit vielen lustigen Bildern aus privaten Archiven, historischen Konzertaufnahmen, interessanten O-Tönen von Weggefährten und Szenegrößen. Letztendlich ist "Lost Heimweh" auch ermutigend, zeigt es doch, dass Punk überall entstehen und wachsen kann.
Dauer: 224 Minuten
Tracklist LP:
The Baboon Show - Moon Over Moscow
Love A - Too Doof Too Fuck
Duesenjaeger - Trampen Nach Norden
Disco//Oslo - Schiffbruch
Pil Trafa - Lauf Forrest Lauf!
Blut Hirn Schranke- The Strongest Of The Strange
Sniffing Glue - Zeit des Erwachens
Max Freytag - Im Raumanzug
Fotobuch mit Fotos von Andreas Langfeld und Kay Özdemir, 120 Innenseiten im Format 20,5 x 27,8cm aus Foto-optimierten 150 Gramm Papier, jeweils in hochwertigem Vierfarbdruck