Geschrieben von Kai Donnerstag, 08 April 2010 00:00
Seed Of Pain - Interview mit Gitarrist Samuel zu ''Blindfolded & Doomed''
Mit SEED OF PAIN zeigen uns die Schweizer, wie man Hardcore abseits von Klischees und Anbiederung machen kann. „Blindfolded & Doomed" ist ein sehr düsteres Stück Musik geworden, welches die Grenzen des Hardcores nicht nur einmal sprengt. Um mal nachzuhaken, was da bei unseren südlichen Nachbarn so geht, schickten wir Gitarrist Samuel einige Fragen ...
Erst mal herzlichen Glückwunsch zu eurem Album. Klingt wirklich mal nach was Eigenem!
Hi Kai, danke für die netten Worte. Für eine Band ist es wahrscheinlich immer schwierig, das selber zu beurteilen. Ich denke, man hört sehr gut, wo wir unsere Lieblingsmusiker wie gewürdigt haben. Dass die Leute uns jedoch trotzdem attestieren, dass wir nicht wie eine 1:1-Kopie von Band X klingen, freut uns extrem.
Wie kam es zu den Veränderungen zwischen „First & Last & Always" (dem letzten Silberling der Band) und dem neuen Album?
Also als erstes muss man sagen, dass „First & Last & Always" ja kein Album war, sondern eine Zusammenstellung von zwei Vinyl-Veröffentlichungen sowie noch zwei weiteren neu aufgenommenen Stücken. Auch da hört man, oder zumindest ich jetzt – sofern man die CD von Anfang bis Ende durchhört – eine Entwicklung in die Richtung von „Blindfolded & Doomed". Die Idee der Band war von Anfang an, dass wir uns nicht richtig festlegen wollen und dementsprechend für Veränderungen offen sind. Eine Tatsache, über die wir anfangs gar nicht groß nachgedacht haben, jetzt aber sehr dankbar dafür sind.
Seit wir einander kennen, haben wir uns gerne mit Musik auseinander gesetzt. Uns über verschiedene Musikstile und Bands ausgetauscht etc. Und dann hat man eben irgendwann angefangen, das Gehörte selber umzusetzen. Naja, wir versuchen es immer noch. Da gibt und gab es natürlich auch viele total bescheuerte Resultate und Ideen, welche dann anstandshalber den Proberaum nie verlassen, haha. Ein Grund, dass die Entwicklung doch eine gewisse Zeit brauchte und wohl auch jetzt noch nicht beendet ist, ist, dass wir uns auch bewusst Zeit nehmen. Ich möchte nicht, dass SEED OF PAIN als Band gilt, welche ihre Musik im Halbjahrestakt dem aktuellen Trend anpasst. Da gibt's ja schon genügend Bands, die das machen. Lieber stetig und konstant, nix überrumpeln, vielleicht mal einen Hype verpassen, dafür aber viel Spaß an der Sache haben.
Wie sieht die Bandgeschichte von SOP aus?
Wir haben im Januar 2007 angefangen. Damals waren wir zu Viert. Flavio – Bass, Samuel – Gitarre, Dominik – Schlagzeug und Matthias mit dem putzigen Stimmlein. Relativ schnell haben wir dann unser erstes Demo aufgenommen (- und apropos Entwicklung: "Fall Back Down", einer der beiden Bonussongs auf F&L&A, war einer davon... ) Anschließend kamen dann noch ein paar Konzerte, zwei Touren und zwei Veröffentlichungen, bis wir uns dann vor knapp einem Jahr an unser erstes Album gewagt haben. Während des Songschreibens wurde schnell klar, dass alles ein wenig komplexer werden würde und dass wir uns wohl um einen zweiten Gitarristen kümmern sollten, um das Ganze live irgendwie hinzukriegen. Und dann hat der Flavio auf Gitarre gewechselt. Anfangs war das gar nicht so einfach, einen Bassisten zu finden, der Boris von FALL APART und DEADVERSE hat uns dann ausgeholfen. Seit kurzem haben wir mit Dominik I. aber einen fixen Bassisten.
Ihr nennt euch im Booklet ein Kollektiv. Gibt es dafür spezielle Gründe?
Einerseits haben wir damit angefangen uns so zu nennen, weil das irgendwie „mächtiger" klingt. Also mehr aus Schwachsinn. Andererseits ist es aber schon so, dass wir eben ein paar Leute um uns herum haben, die schon das eine oder andere Mal mit uns zusammen gearbeitet haben und mit denen uns auch eine tiefgründige misanthropische Weltanschauung und Spiritualität verbindet. Insofern gibt es da schon so was wie eine lose Gruppierung. Also gerade in Hinblick auf Layout und Grafik, zusätzliche Musiker und so weiter. Eine Glaubensgemeinschaft sozusagen.
Wie würdet ihr eure eigene Musik beschreiben?
Das spielt für uns nicht unbedingt eine Rolle. Im Endeffekt liegt uns nicht viel daran, irgendwo reinzupassen, sondern viel mehr, eine gewisse Stimmung zu verbreiten, welche wiederum auch gerne genre-übergreifend funktionieren darf. Sagen wir doch einfach düstere, rituelle Musik. Nicht immer ganz gut gespielt.
Warum die beiden Elektro-Stücke auf dem Album?
Wir fanden, dass auf die CD-Version noch mehr passt, als nur die neun Songs der LP. Die Idee einer rein-elektronischen Neuversion von „Doomed" fanden wir spannend. Die Leute kannten wir, und somit hat sich das dann einfach so ergeben. Mir persönlich gefällt die Idee, die Hörerinnen und Hörer am Schluss der Platte noch ein wenig vor den Kopf zu stoßen.
Könnt ihr mir mal das Cover erklären? Irgendwie stehe ich da auf dem Schlauch.
Für das Cover ist unser Hausgrafiker Mathis verantwortlich, er hatte da auch völlige Freiheit, einfach mal was zu machen. Wir haben ihm dann die Rohmixe geschickt und er wiederum hat sich an die Arbeit gemacht. Wir sind sehr zufrieden damit. Verstehen tun wir auch nicht alles, respektive haben irgendwie alle eine unterschiedliche Auffassung.
Wie muss man sich das mit der Hardcore-Szene eigentlich in der Schweiz vorstellen?
Es gibt tolle Bands wie FALL APART, DEADVERSE, BEGGARS & GENTRY oder UNVEIL und ein paar nette Leute. Und natürlich noch ein paar andere, die weniger mit uns anfangen können. Wie überall eben.
Apropos Szene: Wer einen so verqueren Sound hat wie ihr, ist an so etwas unter Umständen gar nicht interessiert. Welches Publikum kommt nicht so gut auf euch klar, und wer sind die Bands, die mit euch auf einer Wellenlänge liegen?
Als Arbeitsloser google ich manchmal nach unserer Band und stoße dann auf lustige Messageboard-Beiträge, Reviews oder ähnliches. Das ist dann jeweils ganz amüsant zu sehen, was die Leute so meinen. Faszinierenderweise regt man sich oft nicht über die Musik selber auf, sondern über Lächerlichkeiten wie die Tatsache, dass wir jetzt eben Effektgeräte für die Gitarre oder einen Drumcomputer benutzen. Die Leute haben eben ihre Vorstellung „ihrer" Musik. Wir können uns darüber jeweils ganz gut amüsieren. Wir nehmen uns selber jetzt auch nicht für allzu wichtig, dass wir finden würden, dass wir irgendwie ungerecht behandelt werden. Soll doch jeder denken, was er will.
Wenn es um spezifische Bands geht, fällt mir grad nix ein. Es gibt natürlich Bands, wo wir die einzelnen Mitglieder gut kennen gelernt und die eine oder andere Gemeinsamkeit entdeckt haben.
Auf eurer Seite räumt ihr einen „Etikettierungsfehler" auf der Platte ein und schiebt es darauf, dass ihr „Potheads" seid. Ist Pott für das Schreiben solcher Musik eher förderlich oder behindernd?
Wenn man irgendwas kreieren will, ergibt sich die Möglichkeit, das Bewusstsein auf verschiedenste Weise herauszufordern um den kreativen Prozess aufrecht zu halten. Ich würde aber nie behaupten, dass irgendeine Substanz essenziell ist, um Musik zu verstehen, zu mögen oder zu machen. Auch in der Band selber herrscht diesbezüglich keine einheitliche Meinung.
Ihr spielt auch gerne mal in Deutschland. Wie ist das da mit dem Zoll - müsst ihr das Merchandise jedes Mal verzollen oder gibt es da andere Möglichkeiten?
„Was machen Sie in Deutschland?"„Wir fahren zu einer Geburtstagsparty. Spielen da mit unserer Schülerband." „Haben Sie etwas zu verzollen dabei?" „Nein."
Was habt ihr euch für 2010 vorgenommen? Welche Sachen kommen jetzt noch auf euch zu?
Wir spielen für unsere Verhältnisse ziemlich viele Shows, dann werden wir Mitte April erneut in's Studio gehen, um drei oder vier neue Songs aufzunehmen. Diese sollen dann auch noch vor Sommer in Form einer 10" herauskommen. Wir sind uns alle einig, dass wir gerne noch ein weiteres Album herausbringen wollen. Insofern denke ich, dass wir uns so ab Sommer wieder hauptsächlich damit beschäftigen werden, neue Songs zu schreiben. Wir sind nicht unbedingt eine Live-Band, spielen zwar extrem gerne und hätten auch nichts gegen eine größere Tour einzuwenden. Jedoch fehlen uns im Endeffekt Zeit und Kontakte, um wirklich herumzukommen. So haben wir uns ein wenig darauf spezialisiert, Releases rauszubringen, anstelle die Welt zu bereisen. Wer weiß, vielleicht ändert sich das ja in naher Zukunft. Aber wirklich ambitioniert sind wir in der Hinsicht eigentlich nicht. „Potheads" eben...
Famous Last Words?
Vielen lieben Dank für das Interview. Infos zur Band gibt's auf www.sopcollective.org.
Das Leben wird geduldet, nicht geliebt.
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