Geschrieben von Donnerstag, 02 September 2010 22:34

Beehoover – Interview mit Claus und Ingmar zu "Concrete Catalyst"


beehoover-band


IRON MAIDEN haben drei Gitarren, METALLICA zwei, BLACK SABBATH nur eine – und BEEHOOVER gar keine. Dabei wollen Claus-Peter Hamisch (Schlagzeug, Gesang) und Ingmar Petersen (Bass, Gesang) viel lieber als normale Rockband wahrgenommen werden, bei der das Hauptaugenmerk auf den Songs liegt anstatt auf der ungewöhnlichen Besetzung.



Großen Dank für das Interview! Obgleich ich "Concrete Catalyst" für ein wenig schwächer als "Heavy Zooo" halte, ist es trotzdem ein starkes Album geworden, das vor allem konzeptuell durchdachter wirkt als die Vorgänger. Was könnt ihr mir zum Konzept von "Concrete Catalyst" verraten? Welcher Zusammenhang besteht zum Artwork (von Wim Delvoye)?

Langsame Heavymusik schafft es, Dich zum Bewegen zu bringen. Wim formt schwere, klobige Maschinen aus Gotik-Elementen. Dieser Widerspruch passt gut zu unserer Musik. Außerdem ist Beton der Inbegriff von Trägheit und dessen Beschleunigung ist widersinnig. Das Teil von Wim sieht wie eine Kanone aus. Passt also auch zusammen.

Folgen die Texte einem Thema/einer Geschichte? Worum geht es in den Texten?

Nein, die Texte handeln wie auch schon auf unseren anderen Alben von Gefühlswelten, der genauen oder alternativen Beobachtung von Dingen und manchmal historischen Momenten. Sie haben auch manchmal beschreibenden Charakter im Sinne einer Dokumentation.

In der Albumpromo steht, dass ihr "Concrete Catalyst" in einer Session live eingespielt habt. Wie viel Improvisation steckt da noch in den Songs? Ich persönlich kenne und liebe ja vor allem die moderne Aufnahmemethode: Stück für Stück und solange am Computer dran rumbasteln, bis es perfekt sitzt. Das ist ja bei einer Live-Aufnahme nicht möglich, also vermute ich, dass ihr vorher viiieeel Zeit im Proberaum verbracht habt.

Haben wir nicht. Die einzelnen Teile entstanden über ein Jahr hinweg bei gelegentlichen Proben. Die haben wir aufgenommen und dann immer weiterverfolgt, bis wir uns eine Woche lang konzentriert daran gemacht haben, daraus Stücke für die Platte zu schreiben. Aufgenommen haben wir dann getrennt: ein Tag Schlagzeug, ein Tag Bass, ein Tag Gesang. Improvisation ist gar nicht dabei, es war schon alles genau vorher festgelegt.

Bestimmt werdet ihr häufig auf eure Instrumentierung reduziert und abseits eurer musikalischen und songschreiberischen Qualitäten als Exotencombo beschrieben. Stimmt das? Wenn ja, wie geht ihr damit um?

Wir möchten das gerne so wenig wie möglich in den Vordergrund stellen, da es uns selbst ja nur darum geht, die Musik zu machen, die uns am Herzen liegt. Wir werden oft gefragt, wie wir denn zu zweit einen dichten Sound erzeugen. Das erklären wir gerne, es ist aber nichts, was uns unserer Meinung nach besonders auszeichnet. Der Song ist im Vordergrund. Und auch nur das ist es, was übrig bleibt. Daher nervt es schon, wenn z.B. in Reviews die Hälfte des Textes über die Bandkonstellation gesprochen wird. Uns wäre eine intensivere Besprechung der Stücke und deren Fluß viel, viel lieber.

Ich kenne es sehr gut, dass viele Leute bei einer Beschreibung der Musik die Nase rümpfen, nach einem Konzertbesuch aber völlig aus dem Häuschen sind. Geht euch das auch so? Ich kann mir vorstellen, dass ihr oft Zweifel zu hören bekommt: "Wie, nur Bass und Schlagzeug? Hört sich voll nach Punk an, näää..."

Eigentlich nicht, die meisten können sich eher nichts darunter vorstellen.

Daher vermute ich auch, dass ihr eure Songs nicht auf den "Guck mal, ohne Gitarre!"-Effekt auslegt, sondern vor allem einfach nur harte Spaßmucke machen wollt.

Richtig. Wir wollten ja eine konventionelle Rockband, aber es fand sich niemand. Musikalisch passte es aber so gut, dass es schade gewesen wäre, nichts daraus zu machen.

Wie oft probt ihr?

In letzter Zeit zu wenig. Wir haben beide Familie mit Kleinkindern und Jobs, das muss alles unter einen Hut.

Habt ihr noch mehr B-Material, das nicht auf Platte gelandet ist? Wenn ja, spielt ihr das auch live?

Nein, haben wir nicht. Was für uns nicht "gut" genug für die Platte ist, existiert eigentlich auch noch nicht wirklich. Das können dann höchstens Riffs oder Melodien sein, welche auf Halde liegen und dann vielleicht mal zu irgendetwas anderem passen.

Läuft bei euch live irgendwas anders als im Studio oder Proberaum?

An einigen Stellen. Manche Sachen kommen uns live vielleicht langweilig vor, dann ändern wir etwas. Sowieso ergeben sich über mehrere Konzerte hinweg unterschiedliche Sachen. Die Songs sind ja nicht fertig, nur weil man sie aufgenommen hat, sie entwickeln sich weiter, meist nonverbal, und irgendwann sag ich dann zu Ingmar: ich finde das gut, dass Du das an dieser und jener Stelle seit einem Jahr soundso spielst.

Mich interessiert vor allem auch die Technik von Ingmar: Welchen Amp benutzt du? Besondere Einstellungen? Welche Effekte? Hast du besondere Tricks, um live das Fehlen einer Gitarre auszugleichen und den Sound anzudicken? - Einige exzentrische Gitarristen stellen sich ja links und rechts vom Schlagzeug parallel geschaltete Fullstacks hin, um ausreichend laut zu sein...

Ich spiele über zwei Kustom Groove 1300, welche auf "Durchzug ohne Soundeinstellungen" laufen. Die machen im Grunde "nur" laut. Der charakteristische Sound ergibt sich durch die verwendeten Komponenten. An den Amps hängen hinten jeweils 2 Boxen (2 x 12" und 1 x 15") mit Eminence Speakern. Das ist nicht mit Bi-Amping zu verwechseln. Frequenzweichen benutze ich nicht. Ich habe sehr, sehr viel ausprobiert und habe bei Spector die Bässe, bei Thomastik-Infeld die Saiten, bei EMG die Pickups, bei Sommer die Kabel, bei Lehle die Schalter und bei Boss sowie EBS die Effekte gefunden. Live wird in dem Sinne nix angedickt. Es ist genau wie im Proberaum oder bei den Aufnahmen. Effekte habe ich folgende: Pitch Shifter, Octaver, Chorus, Delay, Overdrive und Distortion. Aber es sind vor allem die Materialien, wie z.B. die Legierung der Saiten, die Holzart des Basses usw. Wenn das nicht in die richtige Richtung ausgelegt ist, muss man Regler drehen – aber was frequenzmäßig nicht besonders vertreten ist, läßt sich auch nicht ohne Nebenwirkungen lauter machen. Es greift alles ineinander.

Ihr habt ja sicherlich einen festen Tonmann. Bestimmt ist der jedes Mal von neuem froh, dass ihr keinen Gitarristen habt, der sich immer extrem laut auf der Bühne hören will...

Wir haben keinen festen Tonmann und von Anfang an war es uns wichtig einen Sound zu haben, der keine spezielle Anforderungen hat. Inzwischen ist Ingmar auch mit genug Power ausgerüstet, um in normalen Clubs auf Mikrofonierung der Amps verzichten zu können, haha!

Hat es einen Grund, dass Ingmar auf der Bühne sitzt?

Wenn beide sitzen, dann hat das eine ganz andere Ausstrahlung, als wenn Ingmar stehen würde. Außerdem muss er mit den Füßen oft ziemlich viel auf seinen Effekten rumtreten, das wäre im Stehen schlecht machbar.

Welche eigenartigen Marotten habt ihr sonst noch?

Claus ist eher hibbelig, Ingmar eher laid back. Das nervt mitunter, ergänzt sich aber auch manchmal ganz gut. Ach ja, und Claus verlegt täglich seinen Stimmschlüssel und Ingmar seine Plektren. Wir sind im Grunde eher langweilig, glaub ich.

Wer sind eigentlich eure musikalischen Vorbilder?

Momentan fällt uns da nichts ein. Hat aber auch damit zu tun, dass die Zeit in dieser Lebensphase einfach zu knapp ist, um sich intensiv mit der Weiterentwicklung am Instrument zu beschäftigen. Man sieht und hört aber immer mal wieder bestimmte Dinge, die einen weiterbringen.

In welchen Bands (welcher Stil?) habt ihr früher gespielt? Wie lange kennt ihr euch schon?

Immer Metal oder Rock. Kennen uns seit etwa neun Jahren.

Und vor allem: Wie lange wollt ihr mit BEEHOOVER noch weitermachen? (Hoffentlich sehr lange!)

Claus: Das hoffe ich doch. Und Du, Ingmar?

Ingmar: Ja Claus, das hoffe ich auch.

Vielen Dank für das Interview! Die letzten Worte gehören euch (z.B. für Liebeserklärungen, Morddrohungen, Bassistenwitze etc.).

In Stuttgart wird ein neuer Bahnhof für irgendwas zwischen fünf und acht Milliarden Euro gebaut. Gleichzeitig werden die Bezüge für Hartz-4-Empfänger gekürzt und es fehlt hinten und vorn an Kindertagesstätten. Das ist der größte Unfug, den man sich nur vorstellen kann. Wir sind nun wahrlich keine politische Band, aber was zu weit geht, geht zu weit.