Geschrieben von Kai Samstag, 08 Januar 2011 00:00
47 Million Dollars - Interview mit der Band zum Album 'Unkaputtbar'
47 MILLION DOLLARS ist ein seltsamer Name für eine deutsche Hardcore-Band. Aber mit deutschen Texten, politischer Haltung und einem „Fuck You" gegenüber Gewalt auf Shows, sind die Darmstädter sowieso ein wenig ungewöhnlich. Warum dies eigentlich der Normalfall sein sollte und warum erst ein eigenes Label für die Band und ihr Album nötig war, erfahrt ihr in unserem Interview, an dem sich die komplette Band beteiligt hat.
Stellt euch doch bitte mal selbst vor.
Jorgo: 47 Million Dollars.
Sven: Gude, ich heiße Sven und spiele Bass.
Alex: Guude! Gitarrist!
Todd: Hallo ich bin Todd, der Sänger und zusammen mit Alex Gründungsmitglied von 47 Million Dollars. Wir sind ein Haufen alt gewordener Kindsköpfe, die immer noch meinen, sie müssten wie die jungen Kerle über die Bühne rennen und Dinge tun, die Ihnen Spaß machen. Da die meisten von uns nicht wirklich was auf dem Kasten haben, machen wir Hardcore, da fällt es am wenigsten auf!
Wie kommt man dazu, sich einen solchen Bandnamen zuzulegen – vor allem, wenn man dann auf Deutsch singt?
Todd: Als wir vor elf Jahren die Band gegründet haben, wollten wir einen Namen haben, den man nach Lust und Laune verändern kann. Ich bin großer Ren und Stimpy Fan. Es gibt eine Folge, wo Stimpy 47 Millionen Dollar in einem Katzenstreu-Preisausschreiben gewinnt und nach Hollywood zieht. Er kommt aber für seinen Freund zurück und lässt das Geld zurück. Wir dachten, das passt thematisch und man kann den Namen durch andere Währungen leicht verändern. Das haben wir dann ein, zwei Mal gemacht und jetzt sind wir halt immer 47 Million Dollars. Wobei sich die Zahl als Catcher erwiesen hat. Zufall, aber passt!
Alex: Deutsche Bandnamen klingen halt sehr schnell nach D-Punk oder Rammstein & Co.
Jorgo: Ich finde, das verträgt sich hervorragend mit deutschen Texten. Natürlich kommt diese Frage häufiger auf, aber der Bandname hält ja niemanden davon ab, sich Sachen von uns anzuhören. Dann merkt man ja, dass die Texte auf Deutsch sind.
Sven: Ham die annern' schon genug zu gesagt.
Ich habe euch als die einheimische Mischung von COMEBACK KID und SICK OF IT ALL bezeichnet – könnt ihr damit etwa anfangen?
Todd: Mit SOIA kann ich auf jeden Fall was anfangen. Geile Band und sicherlich starke Inspiration von 47. Der Vergleich mit CBK fällt bei der neuen Platte oft. Kann ich aber nicht so richtig was zu sagen, da ich die Band bis jetzt noch nicht wirklich gehört habe.
Jorgo: Der Vergleich ehrt natürlich. Mir gefallen beide Bands gut. Häufig werden wir aufgrund der deutschen Texte mit Such a Surge verglichen – ein weit unpassenderer Vergleich, wie ich finde!
Alex: Auf jeden Fall, denn CBK, SOIA und natürlich viele andere HC-Bands laufen ja auch durch unsere Playlisten. Das ist einfach geil, wenn alle die Texte mitsingen. Und wir machen's halt in unserer Sprache, weil wir uns dann besser mitteilen können.
Sven: Trifft es ganz gut und freut uns natürlich. SOIA sind seit 15 Jahren meine absolute Lieblings- Band!
Ich habe mal ein Interview mit DAILY RIOT gemacht, in dem sie sagten, wie sehr ihr sie inspiriert habt, auf Deutsch zu singen. Was hat euch dazu gebracht und wie sehen eure Erfahrungen damit aus?
Alex: Die Entscheidung, auf Deutsch zu singen, wurde bereits bei Bandgründung gefällt.
Todd: Ich liebe die Riots. Die sind einfach nur cool drauf und saunett! Ich habe mich in meinen Bands vor 47 wie jeder auf Englisch versucht, habe aber schnell gemerkt, dass mich die meist uninspirierten Texte auf Grund fehlender Vokabeln genervt haben. Als wir 47 gegründet haben, habe ich vorgeschlagen es auf Deutsch zu probieren, was sich für mich oder uns als perfekt erwiesen hat. Ich konnte endlich mit den Texten spielen und Dinge so aussprechen, wie ich sie sah. Vor 11 Jahren war das was Neues, heute halt nicht mehr so. Aber es ist ja oft so, dass die wirklichen Vorreiter unbekannt bleiben - haha...
Sven: Ouh, das mit Daily Riot wusste ich gar nicht. DR sind schon seit Jahren gute Freunde von uns, freut mich, dass wir andere inspirieren. Als ich in die Band kam, war in dieser Hinsicht der Drops schon gelutscht. Ich stand aber in einer meiner anderen Bands vor derselben Entscheidung und war am Anfang echt dagegen, Lyrics auf Deutsch zu schreiben. Ich weiß auch nicht so genau, woher die Scheu kommt, manchmal muss man die Scheuklappen mal abnehmen und was anderes versuchen als der Rest! Was daran wirklich nervt, sind Vergleiche mit den Onkelz oder den Ärzten!
Jorgo: Die Erfahrung ist, dass mit deutschen Texten weit kritischer umgegangen wird, als mit englischen Texten. Bei deutschen Lyrics meint jeder, mitreden und herummäkeln zu können. Warum das bei englischen Texten nicht so ausgeprägt ist, weiß ich nicht. Vielleicht ist für manche Kritiker der Aufwand zu hoch, die englischen Texte zu lesen und zu verstehen.
Alex: Viele englischsprachige Bands glänzen leider vor allem mit ziemlich peinlichen und vor allem fehlerhaften Lyrics – klingt halt cool. Das wollten wir vermeiden, dabei aber auch darauf achten, nicht zu sehr in so eine Deutschpunk-Ecke zu geraten. Schwierig manchmal! Die Erfahrungen sind sehr unterschiedlich, warum aber ausgerechnet die Sprache so viel polarisiert, verstehe ich auch nicht. HC geht ja erst mal um die Message und um eingängige Songs, zu den man abgehen kann. Mittlerweile etabliert sich deutscher Gesang im HC ja ein wenig, und wenn Daily Riot sagen, wir hätten sie inspiriert, ist das ein Ritterschlag für uns!
Ihr seid politisch, singt in der Landessprache und habt auf euren CDs ein Logo, welches sich gegen das Rumgetrete auf Hardcore-Shows ausspricht. Seid ihr gerne etwas anderes – oder vielmehr: Ist es nicht schade, dass es im Hardcore so viele Bands gibt, denen das zu „unbequem" zu sein scheint?
Todd: Ich denke eher, dass einige Leute vergessen haben, um was es ursprünglich im Hardcore ging. Bestimmt nicht darum, sich gegenseitig wahllos auf die Fresse zu hauen oder in Zuschauer zu boxen, die sich in Ruhe die Show ansehen wollen. Und wenn ich dann noch höre: „Na ja, die wissen doch wie's läuft, dann sollen die doch zuhause bleiben", könnte ich kotzen. Ich bin der Meinung, diese Jungs sind anders und haben nichts mit Hardcore zu tun. Ich brauch das nicht!
Sven: Für mich hat dieses Tough-Guy-Gehabe nix, aber auch gar nix mit Hardcore zu tun. Ich könnt' auch jedes Mal kotzen wenn ich sehe, wie so ein Kampfsportler in die Leute tritt, die einfach nur dastehen und die Band sehen wollen. Unity und so! Es gibt aber schon viele, denen dass auch auf den Sack geht und die Leute das auch wissen lassen!
Jorgo: Mir persönlich ist es wichtig, auch in der Musik zu zeigen, dass man sich mit der Gesellschaft beschäftigt – ich finde, da gibt es schlechtere Themen für Songtexte. Zum Rumgetrete: Wenn ich auf Konzerte gehe und dort keinen Spaß haben kann, weil sich irgendwelche Spinner austoben wollen, dann möchte ich, dass wenigstens auf unseren Konzerten jeder das machen kann, was er möchte.
Alex: Hardcore ist ne Nutte und rennt jedem Trend gerne hinterher. Gewalt auf Shows ist wahrscheinlich für viele Loser das letzte Mittel, um sich profilieren zu können. Uns hat das schon immer genervt, auch schon bevor wir 47 gemacht haben. Politisch sind wir alle mehr oder weniger, und auch wenn wir sicherlich unterschiedliche Ansichten haben zu Parlamentarismus oder was auch immer, sind wir uns doch zumindest darin einig, dass Nazis bei uns nix zu tun haben. Weder auf Shows noch in unserer Heimatstadt, wo sie dann auch regelmäßig eine aufs Dach bekommen.
In einem eurer Videos habe ich dann doch einige Passagen von Rumtretern gesehen. Wo zieht ihr die Linie, und wie reagiert ihr live auf im Pit zur Schau gestellte Gewalt?
Todd: Ich habe ja kein Problem damit, wenn die Jungs ihre Moves und Kicks und was weiß ich alles machen. Kann sich ja jeder zum Affen machen wie er will, aber bitte immer mit Rücksicht auf die anderen, die darauf keinen Bock haben. Solange das gewährleistet ist, ist mir das egal. Wenn einer aggressiv wird, hören wir meistens auf zu spielen und versuchen das zu klären.
Jorgo: Dieses Gewalt-Gehabe gehört ja mittlerweile leider zu Hardcore-Shows. Für mich ist es ok, wenn dadurch niemand eingeschränkt, genervt oder belästigt wird.
Alex: Bisher hat sich's immer im Rahmen gehalten. Wir mussten noch nicht wegen ernsthafter Kloppereien oder Deppen, die ins Publikum treten, ne Show abrechen.
Sven: Die Kids, die heute nachkommen, kennen es halt nicht anders. Für die ist das normal, dass auf einer HC-Show heutzutage rumgetreten wird. Da ist mitunter auch diese ganze Beatdown-Nummer dran schuld, die gerade so angesagt ist. Da geht es ja um nix anderes. Deshalb kann man das nicht abstellen, dass mal jemand so aus der Reihe tanzt, als hätte es Turnvater Jahn nie gegeben. Falls ich auf unseren Shows da mal was sehen würde, hätte ich auch kein Problem damit, zu unterbrechen und das zu regeln.
Euer Album "Unkaputtbar" ist die erste Veröffentlichung eures Labels „Millionaires Club". Wie kam es dazu?
Todd: Wir hatten es satt, den Labels hinterher zu rennen und ihnen klar zu machen, dass man mit uns gut arbeiten kann. Das einzige Label, das wir bisher hatten, hat eigentlich nicht wirklich was für uns getan. Also habe ich beschlossen, zusammen mit einem guten Freund das Label zu gründen. Jetzt haben wir wenigstens den Überblick und können Einfluss nehmen. Dazu muss man aber auch sagen, dass wir nie eine Band waren, die sich auf die Hilfe anderer verlassen hat. Wir haben immer versucht, alles, was möglich ist, selbst zu stemmen, daher war das Label eigentlich nur ein logischer Schritt.
Sven: Wir wollten einfach Transparenz und die Zügel selbst in der Hand haben.
Jorgo: Ein eigenes Label bietet uns einfach bessere Möglichkeiten, unsere Musik zu veröffentlichen.
Alex: No label, no cry!
Vielleicht eine doofe Frage, aber wie kommt es, dass ihr „nur" neun Songs auf dem Album habt? Zumindest bei mir geht so ein Album gefühlt ab 10 Songs los, haha ...
Alex: Frechheit! Den zehnten Song haben wir für eine Split-7" rausgehauen. Außerdem sind wir faul...
Todd: Hmmm? Gute Frage? Ist halt so. Wir können den Leuten halt schon mit neun Songs auf den Sack gehen, andere brauchen dafür länger, haha!
Jorgo: Das Album hat sich, so wie es ist, einfach rund angefühlt. Da macht es keinen Unterschied, ob es neun oder zehn Songs sind.
Sven: Ich kann mich an eine Zeit erinnern, in der eine gute HC Platte nicht länger als eine halbe Stunde dauerte, haha. Mal im Ernst: Das ist einfach so passiert, wir haben uns keinen Gedanken über Spielzeiten gemacht. Wir haben die Songs geschrieben und sind ins Studio gegangen. Punkt.
Was sind die nächsten Ziele für 47MD?
Todd: Wir haben endlich eine Booking-Agentur am Start und wir hoffen, noch etwas mehr zum Spielen zu kommen. Ansonsten hoffe ich noch auf weitere 11 Jahre mit den Chaoten und die ein oder andere Platte. Ich bin inzwischen in einem Alter, wo man mit dem was man erreicht hat zufrieden ist und sich über alles freut, was noch kommt. Ich lasse mich überraschen, bin aber zu allen Schandtaten bereit.
Jorgo: Mehr Shows spielen und neue Songs schreiben.
Alex: 2012 die nächste Platte.
Sven: Ach und 'ne Tour mit SOIA.... äh Moment, das ist kein Ziel... eher ein Traum!
Wie hat eigentlich der Synchronsprecher, der euer Album eröffnet, auf die Anfrage einer Hardcore-Band reagiert?
Todd: Haha, gute Frage. Wir haben David Nathan angehauen, als er gerade für einen engen Freund von mir ein Hörbuch eingesprochen hat. Eigentlich wollte er sich erst mal mit uns befassen, bevor er unser Intro einspricht. Mein Freund hat ihm dann aber versichert, dass wir cool wären und vor allem gegen Nazis sind. Daraufhin hat er es sofort eingesprochen. David ist echt ein cooler Typ!
Jorgo: Er fand die Texte und die Attitüde gut.
Famous Last Words?
Jorgo: Last Words!
Todd: Nutten und Koks, Gott erhalt's!
Alex: Und immer schön fett bleiben!
Sven: All you kids out there – always keep the faith!
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