Geschrieben von Kai Sonntag, 18 September 2011 00:00
Lavatch - Interview zum Album 'Mammoths Of Cold Souls'
LAVATCH kommen aus Köln und sind vom Karneval ungefähr so weit entfernt wie ihr Hardcore von einem Beitrag auf einer Kuschelrock-CD. „Mammoths Of Cold Souls" heißt ihr neues Werk, welches dieser Tage veröffentlicht wird und ein Bastard von einem Album ist – zwischen Hardcore, Mosh und purem Chaos. Live ist die Band eine absolute Granate, und auch im Interview hat sie etwas zu sagen. Wir sprachen über Uhrzeitviecher, den Punkrock-Aspekt des Hardcore und den Löffel der Weisheit. Bühne frei für LAVATCH!
Stell dich und deine Band bitte kurz unseren Lesern vor.
Wir sind Lavatch, eine fünfköpfige Was-Auch-Immer-Hardcore Band aus Köln. Jannis spielt die Drums, Jochen und Robert spielen Gitarre, der Björn ist für den Bass und die Backings zuständig und ich bin der Marco und mache die Vocals. Gegründet wurde Lavatch 2005 von Jochen und Jannis, nachdem Ende von Jochens alter Band Engrave.
Was bedeutet LAVATCH?
Der Name kommt von einem Shakespeare Stück namens „All's Well That Ends Well". Lavatch ist eine Art Hofnarr, der die Wahrheit sprechen darf, da er ja nur Witze macht. Der Name stammt aus einer ganz frühen Phase der Band, passt aber eigentlich wie die Faust aufs Auge und ist daher geblieben.
Wo siehst du selber den Schritt zwischen „Polygraph" und dem neuen Werk?
Ich denke, wir haben einfach einen großen Schritt als Band nach vorne gemacht. Bei den Aufnahmen zur „Polygraph" waren damals Ihsan und ich frisch in der Band, wir wollten unbedingt was zusammen aufnehmen und begannen direkt mit dem Songwriting. Durch dieses Hau-Ruck-Verfahren ist es nicht ganz so durchgekommen, wo wir als Band eigentlich hinwollten. Beim neuen Album „Mammoths Of Cold Souls" hatten wir schon eine Menge Shows zusammen gespielt, das Songwriting war nochmal eine ganze Ecke fokussierter auf die Songs und das Gesamtergebnis. Ich denke, das hört man auch deutlich raus. Wir mögen die Songs von „Polygraph" noch alle sehr gerne, denn sie haben was Kraftvolles. Leider leidet die "Polygraph" unter einem schlechten Sound, was uns natürlich im Nachhinein richtig geärgert hat. Das wollten wir bei der neuen Platte unbedingt vermeiden und ich denke, das ist uns auch gut gelungen.
Eure Songs sind ziemlich chaotisch. Wie kann ich mir da das Songwriting vorstellen?
Das ist für uns schwierig zu beantworten, denn im Grunde läuft das Songwriting wie bei jeder anderen Band, in der wir vorher waren auch. Jemand hat eine Idee, spielt es den anderen vor, jeder sagt was er denkt. Wenn die Idee Zustimmung findet, wird mit allen daran gearbeitet, das Tempo variiert und einfach geschaut, in welchem Gewand und welcher Stimmung das ganze am besten zu uns passt. Das passiert bei uns recht schnell, meistens ist der grobe Grundsong nach einer Probe fertig, bei uns soll Vieles aus dem Bauch hinaus klingen. Wir sind der Meinung: Wenn man zu verkopft an die Sache rangeht, dann wird es meistens nichts. Steht dann diese Grundidee, nehmen wir den Song mit einem Handy auf und ich kann in aller Ruhe zu Hause einen Text dazu schreiben. Andersherum kann ich das übrigens nicht, ich muss den Song hören, um Ideen zu bekommen.
Wie kommt es, dass euer quirliger Basser nicht mehr dabei ist – und wie seid ihr an Ersatz gekommen?
Wir müssen ehrlich zugeben dass wir Differenzen miteinander hatten. Eine Band ist natürlich ein soziales Gefüge, was recht wankelmütig sein kann. Und Differenzen gehören manchmal einfach dazu. Leider sind wir an einer Stelle diesen Sommer nicht mehr gemeinsam weiter gekommen. Da gibt es auch keinerlei Schuldzuweisungen. Es hat einfach nicht mehr gepasst. Ihsan hat zwei neue Sachen gestartet und wir drücken ihm die Daumen dass er damit genauso viel Spaß hat, wie vorher auch. Checkt einfach mal „Bedrooms" und „The Big Dance". Er hat auch einen großen Anteil daran, dass unsere neue Platte überhaupt so klingt, wie sie klingt. Ohne ihn wäre das so gar nicht möglich gewesen.
Wir haben uns nach der Trennung umgehört, wer denn alles aus unserem Bekanntenkreis Lust hätte, den Bass bei uns zu schwingen. Wir wollten einfach jemanden, den wir einschätzen können. Bei Fremden kann es dir ja passieren, dass die Leute dann doch nach ein paar Wochen wieder weg sind oder ihnen die Sache gar nicht so viel bedeutet wie einem selbst. Wir sind bei der Suche recht schnell auf den Björn gekommen, weil sich seine Band kurz zuvor leider aufgelöst hat und der Gute auch von sich aus nach einer neuen Band schaute. Björn hatte unglaublich schnell unser Set drauf, und so kam eins zum anderen und wir waren recht schnell und ohne Show-Absagen wieder komplett.
Ihr spielt mit Punkbands genauso wie mit Metalbands zusammen. Wo fühlt ihr euch am wohlsten?
Ganz ehrlich fühlen wir uns dort am wohlsten, wo jeder der Beteiligten einfach zu 100 Prozent hinter dem steht, was er macht. Ich finde eine Unterteilung in Genres in Verbindung zum Wohlbefinden sonst doch etwas befremdlich. Wir haben schon mit einem Haufen guter Bands zusammen gespielt, und wenn die Jungs dann komplett hinter ihren Sachen stehen und noch nett sind, perfekt. Wir haben auch schon mit technischen Göttern zusammen gespielt, die können wahrscheinlich jeden von uns komplett an die Wand spielen. Machen aber irgendeinen Sound ohne Seele, ohne was eigenes, nur weil sie denken, das nächste große Ding zu werden. Das finde ich unangenehm. Und welch verschwendetes Talent in manchen Fällen. Und wir mögen es irgendwie, zwischen den Stühlen zu stehen, denn so können wir beide Felder beackern.
Überhaupt empfinde ich euch als sehr punkig, alleine schon weil ihr eine Meinung habt. Wie kam es zu den Vorwürfen gegenüber der „Szene" auf der neuen Platte?
Also wir haben definitiv einen Punkrock-Background. Ich kann auch nicht irgendeinen Scheiss rumschreien. Für mich ist das eine Emotion, kein Stilmittel wie für viele andere Bands. Ich finde, wer eine wütende Emotion wählt, sollte auch etwas zu sagen haben. Überhaupt ist für mich der ganze Punk/HC Kosmos etwas, was immer für etwas stand. Du musst nicht in jedem Song die Welt verändern wollen, aber wenn du gar keine Aussage hast, mach doch besser Schlager oder so etwas.
Die „Szene", ja, eine schöne Sache. Lächerlich. Ehrlich. Man darf nur mitmachen, wenn man schon die Cro-Mags in der Originalbesetzung gesehen hat, allen Jüngeren wird ihre Meinung gern mal abgesprochen. Die anderen hängen den ganzen Tag im Internet und beleidigen mal hier, mal da. Ich meine, wenn man bis auf drei Bands alles und jeden Scheiße findet, hat man dann die Ehrendoktorwürde in Sachen Hardcore verdient? Respekt in dieser toleranten Szene? Negativ. Mir gefällt doch auch nicht alles und schon gar nicht jede Band. Aber dieses gegenseitige Niedermachen bringt doch auch niemanden weiter. Es poliert nur ein paar Egos auf. Ich weiß auch nicht, wie man seinen eigenen Geschmack so dermaßen über den der anderen stellen kann. Ich möchte eigentlich auch mal gern vom Löffel der Hardcore-Weisheit naschen! Vielleicht versteh ich das dann besser. Der Gipfel ist dann das, was man manchmal live geboten bekommt, so wohl auf als auch vor der Bühne. Wenn ich so Sprüche höre wie: „Hardcore ist kein Kindergeburtstag!" oder „Im Pit ist eben Krieg", dann frag ich mich doch schon, in welchem Zirkus ich gelandet bin. Wir stehen auch drauf, wenn die Leute abgehen und blaue Flecken gehören ja nun wirklich dazu. Aber wenn irgendein Einzeller meint, anderen Leuten extra eine neue Kauleiste zu verpassen, hört der Spaß auf. Es kann heiß hergehen, gerne, aber bitte alle zusammen und nicht gegeneinander. Und wer nur die Bands gucken möchte und nicht die Moves zur Schau stellen will, die wochenlang vorm Spiegel geübt worden sind, der hat das gleiche Recht auf seinen Konzertgenuss wie jeder andere auch.
Zum Titel der Platte: Wer sind die "Mammuts der kalten Seele"?
Das sind schlicht und ergreifend wir alle. So, wie wir miteinander umgehen, werden wir es mit Sicherheit schaffen, uns irgendwann mal auszulöschen. Irgendeine profitgeile Firma wird sich schon noch was ausdenken, was unser Ende sein kann. Und die Medienberichterstattung ist auch ein Traum. Glauben eigentlich wirklich viele, dass wir im Westen immer die Guten sind? Wie sieht wohl die Presse auf der anderen Seite der Welt aus? „Ja, endlich haben wir wieder aus Jux und Dollerei ein paar Leute über den Jordan geschickt..."? Erschreckend, wie wenig hinterfragt wird. Allein auch schon dieser ekelhafte Glaube, dass die Welt untergeht. Die geht nicht unter. Wenn, geht nur die Welt der Menschen unter. Der Rest läuft irgendwie weiter. Ich glaube nicht, dass das alles schnell passiert. Ein paar Jahrhunderte wird das wohl alles noch so weiter gehen. In der Ellbogengesellschaft, in der wir uns befinden, trampeln wir doch alles nieder, was uns in die Quere kommt. Schon ein wenig erhaben dazu. Das Bild des Mammuts schien uns da passend zu sein. Mit dem Unterschied, dass das Mammut nichts für sein Aussterben konnte.
Wie waren die Aufnahmen mit Martin Buchwalter?
Die Aufnahmen haben wirklich sehr viel Spaß gemacht. Martin arbeitet dabei sehr fokussiert, quasi als Ruhepol für so Chaoten-Truppen, wie wir es sind. Martin hat auch im Studio weiter mit uns an den Songs geschliffen, Vorschläge gemacht, wie man manches noch besser spielen könnte, und uns so geholfen, das Album so hinzubekommen. Wir können das Gernhart Studio nur jeder Band ans Herz legen. Martin macht das Ganze ja auch nicht erst seit gestern und so fiel es uns leicht, ihm bei jedem einzelnen Arbeitsschritt zu vertrauen. Er hat sich auch jeden Wunsch von uns angehört und versucht, unsere Wunschvorstellung vom Sound zu treffen. Das ist ihm auch tatsächlich gelungen. Wir sind richtig zufrieden und bestimmt nicht zum letzten Mal beim Martin im Studio gewesen.
Was passiert noch alles in diesem Jahr mit LAVATCH?
Wir werden jetzt die ganzen Konzerte und Touren zur neuen Platte spielen. Ein neues Musikvideo ist auch in der Planung und wird sicherlich ein großer Spaß werden, denn auch hierbei wird es einen kleinen Seitenhieb auf unsere Szene geben. Jeder, der ein Augenzwinkern mag, sollte sich das Video zu „The Modern Dinosaur" gegen Ende dieses Jahres ansehen. Ansonsten sind wir froh, jetzt endlich wieder auf der Straße und in den Jugendhäusern dieser Welt zu sein, denn live spielen ist das, was für uns diese Band ausmacht. Studio ist immer schön, was Neues erschaffen. Aber live spielen ist immer noch das höchste der Gefühle für uns.
Famous Last Words?
Danke für das Interesse an unserer Band! Geht auf die Konzerte in eurer Nähe, gebt den Bands eine Chance! Scheiße finden könnt ihr sie hinterher immer noch! Glaubt nicht jeden Scheiß von RTL und Co. Und seid vor allem immer ihr selbst! Selbstdarsteller kommen nicht weit!
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