Geschrieben von Sonntag, 30 Dezember 2007 01:59

Overkill - Interview mit Bassist DD Verni


Review


Link: www.wreckingcrew.com/crew/

Erlaubt uns einen kleinen Rückblick, in die Zeit von Wacken im Sommer 2007 ... *

Leicht flau im Magen, begebe ich mich am sehr heißen Wacken-Freitag zu dem Doppeldecker-Bus von Gibson Guitars. Dort im oberen „Stockwerk“ befindet sich eine klimagekühlte Lounge mit Wasser, Obst, Süßigkeiten und Ledersofas. Leicht bibbernd setze ich mich mit dem OVERKILL-Bassisten D.D. Verni zum Interview hin. Bin etwas aufgeregt, weil man mich im Vorfeld eher mitleidig anguckte, so nach dem Motto „Oha, der harte Hund. Der ist nicht immer nett...“ Bibbern tue ich dann nur weil einem mit nackten Beinen auf eiskaltem Ledersofa bei 35 Grad draußen und 16 Grad drinnen glatt die Haxen einfrieren. 

Hi D.D. Zu Beginn erstmal vorab vielen Dank für die Chance auf ein Interview. Das ist schon was Besonderes! 

Oh, aber gerne doch. Kein Ding! (strahlt freundlich umher, ist hellwach und super gut drauf, bietet Wasser, Obst und Süßigkeiten an) 

Erzähl mir doch mal was über das neue Album "Immortalis". 

Ah ja - sag, hast Du schon vorab eine Kopie erhalten? 

Ja, die waren so nett und haben eine zugeschickt... 

Ah, ok, dann kennst Du es schon, das ist gut. Ok, wir haben dieses Album ja unter dem Label von Bodog herausgebracht, zum 1. Mal unter Bodog International. Die Zusammenarbeit mit Johnny und seiner Ehefrau war so großartig. Die beiden haben einen exzellenten Job gemacht. Sie hatten vorher halt so Knaller wie Testament, Metallica, Anthrax etc. gemacht, die ganze Thrash-Szene. Waren dann für ein paar Jahre müde geworden. Jetzt haben sie entschieden, zurück zukommen und wieder das zu machen, was sie lieben. Als sie dann auf uns zukamen, war es für uns, wie wieder nach Hause zu kommen Wir hatten mit den beiden Leute um uns, die uns kennen, denen wir vertrauen und die genau verstehen, worüber man eigentlich redet. Es gibt halt soviele Labels, da sitzt man Anzug-Kerlen gegenüber, die sich vielleicht in Gelddingen auskennen, aber keinen Schimmer von der Leidenschaft der Musik haben. Die Bodogs haben es aber. Wir wollten unbedingt mit ihnen zusammenarbeiten.
Wir haben die Platte jetzt beendet, sind aber schon vor langer Zeit damit angefangen. So ein Jahr etwa. Wir saßen zwischen Labels, waren dann auf dieser Tour mit Megadeth in den Staaten, hatten dann Absagen bekommen... aber nunja, hier ist die Scheibe!! Und echt, jeder der die schon gehört hat, die Reaktionen darauf, sind echt unglaublich. Und wir sind ganz schön aufgeregt. Weißt Du, man denkt ja immer, dieses Album ist das beste, was man je gemacht hat. Aber als die Reaktionen jetzt kamen, konnte man erst wirklich sagen, was Sache ist. Und dieses ist wirklich, wirklich stark. Es ist ein bisschen Oldschool, ein wenig Thrash, hat etwas von 1989 und die Leute hier werden es lieben. Das fängt in den Staaten aber auch wieder an. Die ganze Thrash-Bewegung startet drüben wieder voll durch! 

Was, echt jetzt? Hast Du eine Ahnung, warum das alles wiederkommt? Haben die Leute keine Lust mehr auf den ganzen NuMetal-Kram?

Weißt Du, ich denke, das ist so eine Art Kreislauf. Wir haben hier die vielen jungen Kids, die jahrelang den NuSchool-Kram gehört haben, dann kommen sie hierher, hören Motörhead und sagen „Huch, die kannte ich nicht mal!“, und dann hören sie Testament und wollen plötzlich alles von denen. Ich meine, ich rede hier von wirklich jungen Menschen. Die alten Fans waren nie wirklich weg, aber die neuen entdecken den Thrash neu. Grade in den Staaten. Wir haben da Bands wie Lamb Of God mit denen wir getourt sind, deren Wurzeln sind aber auch die alten Bands wie Anthrax und Overkill. Aber was mich betrifft ist es gut, weil ich diese Musik halt liebe! 

Das läuft hier in Deutschland eigentlich grade genauso. Metal ist plötzlich wieder modern und angesagt. Ich meine, gestern kam ein Bericht in den Tagesthemen über Wacken. Die haben noch nie über Wacken berichtet. Plötzlich ist das extrem angesagt... 

Naja, 70.000 Leute, ausverkauft. 

Naja, einwenig mehr als 70.000 ... 

Echt? Naja, jedenfalls ne Menge Leute...(grinst) Das ist jedenfalls zu groß um es einfach in den Medien zu ignorieren. Sie müssen dem einfach Aufmerksamkeit geben. 

Ok, wie war denn der Gig gestern? Mir kam das Ende ein wenig abrupt vor...

Äh, das war nicht unsere Schuld. (lacht) 

Ja, kann ich mir denken.

Sieh mal, wir waren ja nicht mal ursprünglich auf dem Billing. Vor einer Woche haben die uns angerufen, sie hatten die Platte gehört und meinten, es wäre toll, wenn wir rüberkommen könnten als Überraschung für die Fans. Wir sollten ein paar neue Lieder spielen und könnten die neue Scheibe bewerben. Nun kennen wir die Wackenleute ziemlich gut, wir haben hier ja schon öfters gespielt, wir würden alles für die machen und Deutschland selber war immer so gut zu uns, all die Jahre hindurch. Also haben wir gar nicht lange überlegt und sagten uns "Fuck you, let´s go". Haben alle angerufen, ich meine, wir saßen alle zu Hause herum und hatten seit Januar nicht mehr gespielt. Da haben wir eben in meinem Homestudio eine Stunde lang geprobt und dann gestern zum ersten Mal wieder live gespielt. Ok, manchmal haben wir uns während des Sets angeguckt und dachten „Auweia, das war schief“ aber egal, einfach weiter ballern. Aber es war großartig. Wir waren wirklich überrascht. Die sagten uns, dass die Hauptbühnen bereits belegt sind und wir auf der Partystage spielen müssten, aber das fanden wir in Ordnung. Wir dachten, so ein paar Fans werden schon kommen. Als wir dann die Leute sahen, dachten wir nur „Heilige Scheiße“ . Wir rechneten mit 10.000, aber es waren dann 30.000. Ich glaube, die Veranstalter fingen an, sich ein wenig Sorgen um die Sicherheit zu machen... Das lief fast ein wenig aus dem Ruder. Ich denke, die waren ganz froh uns dann abzuschalten und wieder Ordnung reinzubringen. Aber es war toll, die Kids haben es geliebt. 

Es war großartig! Ich kam ein wenig zu spät, weil wir einfach nicht vom Backstage bis zur Bühne kamen. Der Sänger von VOLBEAT hat uns dann an die Hand genommen und wir haben uns dann wie so eine Elefantenhorde Hand an Hand an Hand durch die Massen gedrängelt.

Ja, wir sind ja vor jedem Gig immer gespannt, ob es wirklich Spaß machen wird oder einfach nur furchtbar werden könnte. Aber das gestern war purer Spaß. Und das Wetter ist so toll, alles fein hier! 

Ihr macht heute und morgen mehr oder weniger rund um die Uhr hier Interviews, jeder stellt wahrscheinlich die gleichen Fragen größtenteils... wie schafft ihr das?

Naja, nun sind wir schon mal hier... Overkill haben gestern gespielt und heute und morgen haben wir ja auch Spaß. Wir stehen auf, haben Lunch, ein Bierchen, ein wenig interviews geben, ein Bierchen, weiter reden, ein Bierchen... mal eine Band angucken, ist doch klasse! 

Ich frage das hauptsächlich, weil ihr schon so lange Zeit dabei seid. Macht das immer noch Spaß?

Absolut! Ich liebe es wie am ersten Tag. Schau, als ich 16 war, war alles, was ich wollte, in einer Band spielen und Songs schreiben. Und das tue ich jetzt. Ich liebe es. Ich liebe es genau so, wie ich es mir als Kind gewünscht hatte. 

Dabei seid ihr irgendwie nie in der Musik-Geld-Maschine steckengeblieben. Ihr seid ja immer noch völlig auf dem Boden geblieben... 

Ja. Auch wenn es gestern mal eben 30.000 Leute waren: wir behandeln die so, als wenn es einige wenige bei einem Auftritt in einem Keller irgendwo wären. Da kann jeder kommen und ein Bier kriegen. Wir möchten, dass es sich immer anfühlt wie eine Hinterhof-Spontan-Party wo man Freunde trifft, ein wenig singt und Spaß hat. Wir möchten ein Teil von der Szene bleiben. Wir sind ja auch Fans. Auf den ganz großen Bühnen ist man immer so weit weg von den Leuten, da verliert man schon mal dieses Gefühl. Aber gestern war es für uns eher ein Club-Gefühl. 

Erzähl doch bitte mal etwas über den „neuen“ Drummer.

Er ist seit zwei Jahren jetzt dabei, "Immortalis" ist aber seine erste Platte mit uns. Oft ist es ja so, dass man bei einer Band neu einsteigt, um ein Album einzuspielen. Aber Ron hat eben vorher auch schon mit uns getourt. Er kannte alle Abläufe, war mit auf Festivals etc. Man weiß ja nie so genau, wie Musiker jeweils reagieren. Manche werden auf Tour oder dann im Studio ein wenig... ähm.. komisch. Aber Ron ist großartig. Stunde für Stunde und wieder und immer wieder hat er alles gespielt und geübt, hat sich niemals beklagt. Er fragt mal nach Wasser, gießt es sich über den Kopf und spielt dann tropfnass immer und immer weiter. Er hat immer ein Lächen drauf, fragt wie es gefallen hat. Also ich habe schon mit anderen Leuten zusammen gearbeitet, die schon mal anstrengend wurden. Aber mit ihm und auch den anderen Jungs aus der Band kann ich wirklich jede freie Minute verbringen. 

Das ist nach den vielen Jahren sehr schön und ziemlich klasse, dass ihr auch außerhalb von Bühne und Studio soviel Zeit zusammen verbringt.

Das ist eben das, was mir am Touren so gefällt. Wenn ich das schon höre von anderen: “Oooh, Touren ist so haaaaart...“ Hör auf! Touren ist klasse! Du schläfst zehn Stunden am Tag, du hast einen Tourmanger, der sich um alles kümmert, egal was für einen Kram du grade brauchst. Hallo? Es ist nicht hart! Die Shows machen Spaß! Das Spielen macht mir genauso viel Spaß wie das Touren mit den Jungs an sich. Und nicht nur die Band, sondern auch die Crew meine ich. Das ist wie eine Familie. Wir entscheiden vieles selber.
Ok. Touren kann anstrengend werden, wenn Du drei Monate am Stück unterwegs bist. Aber das machen wir nicht mehr. Wir fahren drei oder vier Wochen, haben dann zwei Wochen Pause. Dann fahren wir nach Hause, verbringen etwas Zeit mit der Familie und so. Wir dehnen eine Tour niemals so lange aus, bis wir uns gegenseitig erwürgen könnten. So läuft es halt, und so hat die Band eine tolle Zeit.

Was meinst Du, gibt es einen Unterschied zwischen dem amerikanischen und dem europäischen Metalpublikum?

Ja, einen großen. Als wir in den 80ern das erste mal rüberkamen war es sehr ähnlich. In den 90ern hat es sich völlig verändert. Es war so unterschiedlich wie man es sich kaum vorstellen kann. Jetzt scheint es sich wieder ähnlicher zu werden. 

Was passierte in den 90ern mit dem amerikanischen Publikum?

In Amerika hörte die Aufmerksamkeit gegenüber dem Metal einfach auf. NuMetal kam, davor war der Grunge, der Rap fing grade an. Das waren alles neue und aufregende Sachen und Metal ging da etwas unter. In Europa war das halt nicht so extrem. Die Leute hier sind treu dabeigeblieben. In Amerika fängt das jetzt wieder an. Die Kids drüben könen gar nicht glauben, was hier an Festivals abgeht. Das, was bei uns dem hier am nächsten kommt, ist das Ozz-Fest. Aber das ist überhaupt gar nichts im Vergleich zu dem hier. Wenn die das hier sehen könnten....ich meine, sie SEHEN es ja, die gucken halt DVDs...
ALs ich 25 war und in den Staaten wohnte, habe ich mich so danch gesehnt, mal nach Wacken zu fahren. Heutezutage ist alles etwas näher gerückt mit den Menschen. In den Staaten waren sie eine Zeitlang echt zu cool um zu klatschen oder mitzusingen, die Faust indie Höhe zu recken oder ähnliches. Ehrlich, wenn wir einen Song aufnahmen, wussten wir schon vorher: ok, das hier ist was für Europa, die Staaten werden das eh nicht mögen. Die mochten eher die etwas groovígeren moderneren Sachen. Heute ist es so, dass beide Seiten wieder das Gleiche mögen.

Du hattest vorhin gesagt, dass ihr euch so super mit den Wacken-Veranstaltern versteht. Kannst Du Dir diesen „Mekka-Status“ erklären? Ich komme aus Hamburg, für mich war das nie so etwas super Besonderes, hier mal eben herzufahren, auch wenn es natürlich immer das Hauptfestival war, wo das Herz schlug. Ist es für Dich als Amerikaner wirklich so sehr speziell?

Ja. Total. Ich weiß, dass viele Leute mittlerweile meinen, dass es viel zu groß ist und so. Ich sage: Fuck, no! Ich hoffe, nächstes Jahr kommen 100.000 Leute! Ach was, 150.000 Leute!! Baut noch eine Bühne auf! Noch zehn Bands mehr! Für mich heisst es: je größer desto besser! Macht eine Woche draus! Eine Wacken-Woche! Das würde mir gefallen. Mich stört es nicht, dass es so groß geworden ist. Ich finde, sie machen hier einen wirklich guten Job mit der Organisation, das ist ein ganz schön harter Job. All die Bands auf die Reihe zu kriegen, das ist massiv! Ich meine, das ist schon was ganz Besonderes hier. Man steht da so zwischen 50.000 Leuten und... (macht große Augen, grinst übers ganze Gesicht und mach zwei Pommesgabeln) 

Jaa... das kenne ich. Ok, famous last words bitte! 

Ach nein, ich hab keine letzten Worte. Ach doch: kauft die Scheibe! Ende Oktober kommt sie raus, und ich bin sehr stolz drauf und denke, die Leute werden sie mögen! Und im Januar sehen wir uns dann wieder. Oder eher, mal sehen. Kauft die Scheibe, gewöhnt euch die Songs an und dann feiern wir! 

Nach dem Interview hüpfe ich aus dem Bus heraus gradewegs dem Promoter in die Arme und strahle herum. Dee war einer der liebenswertesten und ethusiastischsten Interviewpartner, die man sich nur wünschen kann, und ich bedanke mich nochmals begeistert für die Möglichkeit, diesen Ausbund an Fröhlichkeit und Normalität getroffen zu haben.


*PS: Anm. der Schreiberin, 4 Monate später: Tja. Job geht immer vor, und wenn ein 13 Jahre alter PC nicht mehr kann und will, muss man eben warten, bis ein neuer ankommt. Und nun ist er da. Und hier ist das Inti. Danke für´s Warten!

Kat