Geschrieben von Busuzima Freitag, 16 März 2012 23:06
Toby Fuhrmann - Interview zum Debutroman "Ich Trag Ein Massengrab Im Herzen"
Da geht man nichtsahnend auf das Konzert einer netten Band und erfährt beiläufig, dass dieses mit der Buchvorstellung eines bisher unbekannten Metalheads verknüpft ist... Und dann stellt man fest, dass dieses Buch extrem mitreißend, herrlich vulgär, ziemlich provokant und richtig schön gesellschaftskritisch ist und die musikalischen Unterbrechungen sich als eher lästig erweisen. An jenem Abend war für mich klar, dass ich mehr über diesen sympathischen Toby Fuhrmann, seinen „Anti-Pop“-Roman „Ich Trag Ein Massengrab Im Herzen“ und die Hintergründe dazu erfahren wollte. Glücklicherweise war er gerne bereit, mir ein paar Fragen zu beantworten.
Wie wäre es, wenn Du Dich zuerst einmal kurz vorstellst? Worum geht es in Deinem Debutroman und warum sollten unsere Leser davon unbedingt Notiz nehmen?
Moin. Mein Name ist Toby Fuhrmann. Ich habe einen kleinen Roman mit dem Titel „Ich Trag Ein Massengrab Im Herzen“ veröffentlicht. In dem geht es um Drogen, Sex und Gewalt. Und Romantik und Philosophie und Tod und, wie man mir sagte, auch schwarzen Humor.
Und ob... Ich durfte kürzlich einer etwas ungewöhnlichen Kombination aus Deiner Lesung und einem Konzert von SKULL HARVEST beiwohnen. War dies ein einzigartiges Projekt oder wird es noch mehr derartige Events geben? Ist etwas Vergleichbares mit Deiner Band UNZUCHT in Planung?
Die Kombination hat auf jeden Fall Bock gemacht und stieß auch beim Publikum auf Gegenliebe. Kann also gut sein, dass es so was noch mal gibt. SKULL HARVEST haben bereits am gleichen Abend nachdrücklich Interesse bekundet. Mit UNZUCHT werde ich das eher nicht machen, da wir die Band von sonstigen Projekten und Aktivitäten der einzelnen Mitglieder ziemlich strikt trennen.
Was hat Dich eigentlich dazu getrieben, „Ich Trag Ein Massengrab Im Herzen“ zu verfassen? Gab es erst den generellen Drang, ein Buch zu schreiben, oder war die Idee zu der Geschichte zuerst da?
Die Idee war zuerst da. Ich habe schon vor einigen Jahren mit der Geschichte angefangen und dann kam erst mal eine Weile nichts... Bis ich dann plötzlich wusste, wie es da weitergehen soll. Das Manuskript habe ich nur an „Ubooks“ geschickt, keine anderen Verlage, und die haben mich dann tatsächlich gleich unter Vertrag genommen, was mir natürlich eine große Ehre ist.
Dein Protagonist Anthony erlebt allerlei mächtig abgefuckten Kram. Ist dies alles frei erfunden oder enthält Dein Werk autobiographische Züge? Basieren die Erlebnisse und sexuellen Erfahrungen von Anthony auf realen Geschehnissen?
Es stecken jede Menge persönliche Erlebnisse und Erfahrungen in dem Buch. Ich habe allerdings alles so durch den Mixer gejagt, durcheinandergewürfelt und in einen neuen Kontext gebracht, dass selbst enge Freunde von mir Schwierigkeiten haben, das genau zuzuordnen. Ist auch gut so, denn der Roman steht für sich und trotz der genannten Elemente ist es keine reine Biografie. Um eine Biographie zu schreiben, fühle ich mich noch zu jung.
Beziehen sich denn die Namen in Deinem Buch auf real existierende Personen? Oder sind es eher Wortspielereien und Anagramme, wie beispielsweise „Sander“, der auf gewisse Weise „anders“ ist?
Weder noch. Tatsächlich sind es einfach nur Namen.
Na gut. Mit keinem Wort wird in „Ich Trag Ein Massengrab Im Herzen“ das Alter von Protagonist Anthony erwähnt. Ebenso wenig wird über sein Aussehen berichtet. Wie stellst Du Dir selber Deinen Antihelden vor? Erfüllt er das Klischee eines typischen Metalheads?
Ich habe zwar ein Bild vor Augen, finde es aber viel schöner, wenn jeder Leser sich sein eigenes macht... Nach dem, was ich bisher gehört habe, gehen da die Meinungen sehr stark auseinander, was auf jeden Fall cool ist. Und nein, für mich ist Anthony definitiv kein typischer Metalhead.
Für mich auch nicht... Dein Werk enthält allerlei Meinungsäußerungen zu den verschiedensten Themen wie Religion, Faschismus oder Krieg. Spiegeln diese Deine eigenen Standpunkte wider? Kannst Du Dich insgesamt mit Anthony identifizieren?
Auf jeden Fall kann ich mich mit Anthony identifizieren, aber nicht mit all seinen Meinungsäußerungen und Standpunkten. Ich mußte mich manchmal zwingen, ihm Sachen in den Mund oder Kopf zu legen, die ich selbst anders sehe. Das mußte aber sein, denn wie gesagt ist die Geschichte keine reine Biographie.
Überhaupt erzählt Dein Buch weniger eine Geschichte als viel mehr die wirren Gedankengänge eines ziemlich kaputten Typen. Warum hast Du die Zeichnung der Charaktere und den Handlungsverlauf so vernachlässigt? War es einfach nur Deine Intention, zu provozieren?
Nein, es war tatsächlich nicht meine Intention, zu provozieren. Ich sehe diese bruchstückhafte Erzählweise eher als Stilmittel, um Anthonys Zustand zu verdeutlichen. Das hilft dem Leser, insbesondere im Zusammenhang mit der Ich-Perspektive, sich total in den Protagonisten hineinversetzen zu können.
Die Sprache in „Ich Trag Ein Massengrab Im Herzen“ ist ziemlich vulgär. War Dir das wichtig oder gehört eine derartig derbe Ausdrucksweise zu dem Schreibstil namens „Anti-Pop“ einfach dazu? Wie drückst Du Dich denn privat so aus?
Das teilweise Vulgäre passt einfach zum emotionalen Grundton des Protagonisten. Die Sparte „Anti-Pop“ ist ja erst vor einigen Jahren durch „Ubooks“ und da insbesondere durch Dirk Bernemanns Debüt „Ich hab die Unschuld kotzen sehen“ ins Leben gerufen worden. Als ich davon mitbekommen habe, dachte ich gleich „Hey, da könnte vielleicht auch mein Roman reinpassen.“. Die Meinung hatte dann auch mein Verleger. Ich habe also die Sprachwahl nicht getroffen, um dazuzugehören, sondern es war dann halt so. Heh. Privat scheue ich ebenfalls keine Kraftausdrücke.
Hätte mich auch gewundert... In Deinem Buch werden etliche Bands erwähnt wie SLAYER, BAUHAUS, DISTURBED, OPETH, STATIC-X, DARK TRANQUILLITY, DEVILDRIVER und COMBICHRIST. Warum gerade diese Formationen? Sind das Deine Lieblingsbands?
Da gab es nicht immer spezifische Gründe. Im Fall von STATIC-X und COMBICHRIST passt das aber in der jeweiligen Szene perfekt als Soundtrack. Wo ich die Bands jetzt so in einer Reihe sehe... Ja, ich finde die alle gut!
Das wollte ich hören! Ich will ja jetzt nicht spoilern, aber was hat es mit dem „Goldenen Hotel“ auf sich? Und welche Rolle, abgesehen von einem Mordwerkzeug, spielt der Bauschaum in Deinem Buch?
Das „Goldene Hotel“ ist in der Tat ziemlich mysteriös. Ist noch eine kreative Baustelle. Und bei Baustellen ist auch Bauschaum nicht weit. Der wurde bestimmt auch beim Bau des „Goldenen Hotels“ verwendet.
Wie aufschlussreich... Dein Buch endet auch sehr aprupt und lässt den Leser mit etlichen ungeklärten Fragen zurück. Verließ Dich plötzlich die Lust am Schreiben oder soll dies einfach zum Nachdenken anregen? Was ist denn die Quintessenz, die der Leser aus Deinem Werk ziehen soll?
Die Lust am Schreiben verließ mich nicht. Ich finde, das Ende passt einfach super, gerade aufgrund der offenen Fragen. Die werden nämlich im wahren Leben auch meistens nicht beantwortet. Dementsprechend gibt es auch keine fixe Quintessenz. Denk mal drüber nach.
Werde ich tun... Was ist denn Deine persönliche Lieblingspassage in Deinem Werk? Und warum?
Ich mag den Mittelteil am liebsten, „Weiße Mädchen in schwarzen Kleidern“. Reine Gefühlssache.
Gibt es Bücher von anderen Schriftstellern, die Dich inspiriert haben? Welche Buchtipps hast Du für unsere Leser auf Lager?
Andere Bücher haben mich null inspiriert. Ich lese nämlich kaum... Sogar Bukowski und Bernemann habe ich erst kennengelert, nachdem Leute meinen Schreibstil mit denen verglichen haben. Was ich nur sehr bedingt nachvollziehen kann... Als Buchtipps hätte ich „Tattoos & Tequila“ von Vince Neil und als Comic, ich lese nämlich viel mehr Comics als Bücher, „Wet Moon“ von Ross Campbell.
Bei „Amazon“ trägt „Ich Trag Ein Massengrab Im Herzen“ den Beititel „Dann Bin Ich Weniger Allein“. Warum taucht dieser nur dort auf? Stammt diese Zeile überhaupt von Dir?
Der Zusatz stammt von meinem Verleger, Andreas Reichardt. Wurde dann kurz vor Druck vom Verlag wieder geknickt, weil er doch zu lang erschien. Zu dem Zeitpunkt konnte man das Buch schon bei „Amazon“ vorbestellen und da ist es dann auch nicht mehr geändert worden.
Hat es sich für Dich eigentlich finanziell gelohnt, ein Buch zu veröffentlichen? Oder bist Du schon mit dem Umstand zufrieden, dass die Leute es lesen und zu großen Teilen sogar für gut befinden?
Der Hauptgrund war, dass es Leute lesen. Ich habe es nicht für mich allein geschrieben. Reich werden tut man mit dem Veröffentlichen eines Buches sicher nicht, aber ich freu mich immer zwischendurch, ein paar Taler zu kriegen, die ich dann sofort in leckere Flüssigkeiten investieren kann. Mittlerweile ist das Buch ja bereits in der zweiten Auflage.
Wie sind überhaupt die Reaktionen bisher ausgefallen? Freust Du Dich auch über negative Kritik, welche ein derartig polarisierendes Werk unweigerlich mit sich bringt?
Die Reaktionen waren fast ausschließlich positiv und da teilweise sogar richtig überschwänglich... Das Sahnehäubchen war ein doppelseitiges Interview-Feature im „Orkus Magazin“, das eine tolle Review dort nach sich zog. Ansonsten hätte ich schon gerne mal aus Interesse einen totalen Verriss gelesen, aber bisher gab es keinen.
Ist auch nicht verwunderlich... Neben der Schriftstellerei vertreibst Du Dir die Zeit mit UNZUCHT und dem Verticken von Shirts auf Konzerten. Was hat dabei den höchsten Stellenwert bei Dir? Und würdest Du gerne noch mit anderen Tätigkeiten Dein täglich Brot verdienen?
Die Merchjobs machen mir auf jeden Fall Spaß, aber toll wäre natürlich, irgendwann von der Musik leben zu können... Davon träumt, glaub ich, jeder Typ in jeder Band auf diesem Planeten. Als Hobby mache ich noch mit meinem Freund Andreas Puchebuhr einen schmackhaften Tequila Mix namens „Drink Darkness“, den schon ein paar Kneipen und Clubs im Angebot haben. Auch Bands stehen auf das Zeug. Sogar DARK TRANQUILLITY waren begeistert, als sie es letztes Jahr beim „Rockharz“ probiert haben, hahaha. Geld verdient haben wir damit bisher nicht, aber das wäre alternativ doch auch ein toller Lebensunterhalt! Jobbeschreibung: Schnapsmogul!
Ja, das hätte was... Du bist ja ganz offensichtlich lyrisch begabt. Schreibst Du auch die Texte für Deine Band? Und wie sehr bist Du im Songwriting involviert?
Bei UNZUCHT arbeiten alle zusammen. Unser Hauptsongwriter ist aber auf jeden Fall De Clercq, der Gitarrist. Ich hab an ein paar Texten mitgeschrieben, aber das machen eher die anderen. Mir reicht da das Getrommele.
Zeit für Deine vorerst letzten Worte. Was wolltest Du schon immer mal loswerden? Und was erwartet uns in Zukunft von Toby Fuhrmann und UNZUCHT?
Da sag ich mal: „Keep it real, motherfuckers!“, heh. Wenn alles klappt, kommt im Herbst diesen Jahres mein zweiter Roman bei „Ubooks“ raus. Er soll „Statt der Engel“ heißen und ist die Fortsetzung von „Ich trag ein Massengrab im Herzen“. In Sachen UNZUCHT geht es sogar schon früher los. Am 20. April erscheint unsere EP „Deine Zeit läuft ab“. Kann man schon bei „Amazon“ vorbestellen. Dort ist sie zwischendurch bereits mal auf Platz 1 der Gothic-Charts und der Industrial-Charts vorgedrungen. Das Debütalbum von UNZUCHT kommt am 21. September in die Läden. Im Herbst spielen wir eine dicke Tour als Support von MONO INC., Ende des Jahres werden wir dann die „Dark End Festivals“ in fünf Städten rocken.
Na, das klingt doch alles sehr vielversprechend... Ich danke Dir vielmals, dass Du Dir die Zeit genommen hast, mein Gelalle zu ertragen und meine Fragen zu beantworten! Ich wünsche Dir das Beste für die Zukunft und trage ab jetzt Dein Massengrab in meinem Herzen...
Ich danke, da kann von Ertragen keine Rede sein, für das Interesse und überhaupt! Cheers’n’Metäl!
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