Geschrieben von Kai Freitag, 23 März 2012 23:10
A TIME TO STAND - Interview zur EP, Zimmerpflanzen und neongrünen Gitarrensaiten
A TIME TO STAND sind ein junge, neue, melodische Hardcore/Punkband aus Paderborn. Sie haben vor kurzem Ihre erste EP "You Are Here" selbst verwirklicht und sich damit direkt in Szene setzen können. Warum sollte man nur alten Hasen ein Forum bieten und nicht auch dem Underground? Genau deshalb stellt uns hier Sänger Nils seine Band vor.
Hallo, ich bin Nils und die Tätigkeit, die ich bei A TIME TO STAND ausübe, bezeichnen einige als Singen.
Ihr habt ja alle bereits vorher Bands gehabt. Was habt ihr euch mit A TIME TO STAND vorgenommen, was soll mit dieser Band anders laufen?
Eigentlich hatten wir nur alle Bock, zusammen Musik zu machen und zwar ganz kompromisslos die, die wir machen wollen. Eine bahnbrechende Veränderung ist das gegenüber unseren früheren bzw. anderen Bands eigentlich gar nicht.
Ihr beackert ein Feld zwischen melodischem Hardcore, Punkrock und Poppunk mit etwas Emo. Wer sind eure Einflüsse?
Man unterstellt uns ja einen ziemlichen Skatepunk-Einschlag und ich kann das nachvollziehen, denn mit FAT und Epitaph sind mindestens 3/5 von uns aufgewachsen. Dementsprechend sind Lagwagon, Millencolin und die üblichen Verdächtigen schon maßgeblich an unserem Sound beteiligt. Ausschlaggebend diese Art von Musik zu machen, waren für mich persönlich aber auch vor allem Lifetime, Kid Dynamite und unlängst Set Your Goals. Das sieht im Detail aber bei jedem von uns anders aus.
Fühlt man sich manchmal unzeitgemäß, wenn man Hardcore noch ohne Breakdowns spielt?
Schön, dass du das fragst. Wahrscheinlich so zeitgemäß, wie wenn man ein Genre referenziert, das seinen Höhepunkt vor 15 Jahren erreicht hatte. Aber das kümmert mich offen gestanden herzlich wenig. Auch wenn es nach Plattitüde klingt, aber die jüngsten Entwicklungen im „HC" – in ganz großen Anführungsstrichen – öden mich eigentlich eher an. Zu den erwähnten „Breakdowns" – in ganz großen Anführungsstrichen – gehören ja dann auch meist neongrüne Gitarrensaiten und Autotune Vocals... dann doch lieber den Rentnerhut für mich, um im Bild zu bleiben. Aber jeder, wie er mag. Im Übrigen gibt's daneben natürlich auch nen Haufen ganz fantastischer Gruppen, die sehr modern klingen. MNMNTS find' ich zum Beispiel großartig oder, mit einigen Abstrichen, Touché Amoré und auch die neue Platte von unseren Freunden von Not Your Choice. Außerdem haben wir doch auch Breakdowns, wenn man genau hinhört.
Ihr habt Texte, die wichtige Themen anschneiden und sich kämpferisch geben, sagt aber auch gleichzeitig, dass es sich ja irgendwie wieder nur um Musik dreht. Wie passt das zusammen?
Findste? Also kämpferisch? Unser Bandname vielleicht. Aber der spielt auf eine Star Trek-Folge an, büßt also wieder viel von seinem Agitationspotenzial ein. Ich versuche schon, klare Worte zu finden für das, was ich sagen will. Das wirkt manchmal etwas plakativ, aber ich weiß mich eben gerne richtig verstanden. Musik bzw. Texte mit Inhalt sind schon ganz klar wünschenswert. Ich glaub', mein Leben sähe anders aus, gäbe es Bands wie Propagandhi nicht. Trotzdem lasse ich mir von niemandem Man Overboard kaputtreden, nur weil die über scheinbare Belanglosigkeiten singen. Wie wichtig einzelne Themen sind, hängt doch von einem selbst ab. Etwas befremdlich finde ich zugegebenermaßen, wenn man sich so eines martialischen Duktus bedient und letztlich doch nur über Mädels singt, darauf zielt unser Stück „A Day To Set Your Four Year Glory" ja ab; aber solange jemand das Herz am richtigen Fleck hat und aufrichtig ist, kann er oder sie meinetwegen über Zimmerpflanzen singen. Letzten Endes hat die Musik und das Gefühl, das sie in einem auslöst, auch für mich ganz klar Priorität.
Wie habt ihr euer Demo "You Are Here" aufgenommen?
Wir haben tatsächlich alles selbst aufgenommen – zum einen, weil wir den DIY-Gedanken als wichtigen Aspekt von Punk sehen, zum anderen aus Kostengründen, muss man ehrlicherweise sagen. Sich seine Zeit selbst einteilen zu können, ohne ständig Studiokosten im Kopf zu haben, ist sehr entspannend.
Gibt es für neu entstandene Bands in diesem Genre eigentlich noch die Hoffnung, die Kosten mit Plattenverkäufen wieder reinzubekommen?
Ehrlich gesagt bin ich da skeptisch, weswegen wir das auch gar nicht erst versuchen und ja alles kostenlos zum Download anbieten. Uns war klar, dass wir da was draufzahlen, das ist ja bei jedem Hobby, das man ernsthaft betreibt, der Fall. Anstatt 'ne Angelausrüstung zu kaufen, lassen wir eben unsere Musik auf CDs pressen. Ganz schön narzisstisch, aber letztlich sterben auch weniger Fische dabei. Abgesehen davon sollte man, sobald man anfängt Kosten/Nutzen zu kalkulieren, sowieso ganz schnell überlegen, ob man der richtigen Gründe wegen Musik macht. Was natürlich nicht heißen soll, dass ein kleiner Unkostenbeitrag uns nicht auch Willkommen ist.
Seid ihr zu spät geboren, weil die Musikindustrie den Bach runtergeht, oder genau richtig, weil das Internet es einer Band viel einfacher macht, sich selbst zu organisieren?
Ich finde die Entwicklung, die die Musikindustrie in den letzten Jahren genommen hat, sehr schade, allerdings eher von einem Konsumentenstandpunkt aus. In Paderborn gibt es bspw. bereits seit zwei Jahren keinen richtigen Plattenladen mehr. Das ist nicht nur blöd für die netten Leute, die da gearbeitet haben, sondern auch für die wenigen Menschen, die ihre Musik tatsächlich noch gern in physischer Form beziehen. Und obwohl die Rechnung natürlich nicht ganz so einfach ist, behaupte ich, dass illegale Downloads da durchaus ihre Schuld dran tragen. Dass wir als Band jemals mit der Musikindustrie zu tun haben werden, wage ich zu bezweifeln. Da bringt der Fortschritt, wie du schon sagst, eher enorme Vorteile. So ein Demo wie unseres in Eigenregie aufzunehmen, wäre noch vor zehn Jahren nicht so ohne Weiteres möglich gewesen.
Hat ein Begriff wie Unity noch eine Bedeutung, wo es jetzt Tausende von Subgenres gibt?
Für mich persönlich hatte Unity nie einen besonders hohen Stellenwert. Ich halte es einfach für selbstverständlich, dass man sich gegenseitig respektvoll behandelt, füreinander einsteht und sich bei Konzerten nicht auf die Fresse gibt. Darüberhinaus hat der Begriff für mich immer so einen schalen Beigeschmack, da einige Szenemenschen „Unity" und „Uniformity" zu verwechseln scheinen und du teilweise auch heute noch nur mit dem richtigen Shirt aufkreuzen darfst, wenn du mehr als ein spöttisches Lächeln ernten willst. Ironischerweise wird ja immer betont, dass es sich bei Hardcore nicht um einen exklusiven Club handelt, trotzdem erlebt man immer wieder, wie Leute sich total herablassend verhalten, vor allem Jüngeren gegenüber. Darüber sollte ich eigentlich mal schreiben, oder?
Was sind eure gesteckten Ziele mit A TIME TO STAND?
Spielen und Bier trinken. Reihenfolge kann variieren.
Was waren bisher die Highlights?
Eigentlich ist für mich jedes Konzert ein Highlight. Wir kennen uns teilweise ja schon ewig, von daher sind Shows immer eher ein Ausflug mit Kumpels, bei dem wir dann erfreulicherweise auch noch Musik machen dürfen. Lustig war besonders unsere kurze Tour mit Off The Hook im letzten Herbst.
Was passiert 2012 noch alles für euch?
Wir haben gerade ca. sieben Stücke fertiggeschrieben. Momentan sind Demos in Arbeit, die wir dann in naher Zukunft aufnehmen – wenn es nach mir geht, diesmal ruhig etwas professioneller – und in irgendeiner Form schätzungsweise im Frühling oder Sommer dieses Jahres veröffentlichen werden. Vinyl wäre schön, es ist aber noch absolut nichts in Stein gemeißelt. Ansonsten spielen wir natürlich wieder so viel es geht. Termine weiß ich nicht, kann man aber im Netz finden.
Famous Last Words?
Danke dir, Kai, fürs Befragen, danke euch fürs Lesen und danke A Time To Tan fürs Birneweglöten!
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