Geschrieben von Freitag, 23 März 2012 23:48

KORN - Interview zu "The Path Of Totality" mit Drummer Ray Luzier

korn 2012

KORN hat die beiden Deutschlandtermine gerade hinter sich gebracht und am vergangenen Freitag nicht nur die Halle in Schutt und Asche gelegt, sondern vor allem ein glückliches und zufriedenes Publikum hinterlassen. Wir trafen Ray Luzier vor dem Konzert in Offenbach backstage und konnten direkt aus erster Hand erfahren, wie sich ein Drummer mit einem Dubstep Album wie "The Path Of Totality" fühlt, welchen Weg KORN jetzt einschlagen wird und was die Band im nächsten Jahr anlässlich des zwanzigjährigen Jubiläum plant. 

„Du machst mich jetzt richtig nervös... stell' mir bloß keine bösen Fragen" droht mir Ray Luzier scherzhaft, nachdem ich mich als KORN Fan der ersten Stunde oute und damit auch meine Aufregung zugebe.

Wie geht es dir? Bist du noch immer aufregt vor einem Konzertauftritt?

Ja, auf jeden Fall. Ich habe gerade dem Schlagzeugmagazin (welches vor uns ein Interview mit Ray führte...) gesagt, dass es jetzt zwar schon mein zwanzigstes Jahr auf Tour ist, aber es wird trotzdem nicht mal langweilig. Ich bin dankbar dafür, auf die Bühne gehen zu dürfen und dort mit Schlagzeugspielen mein Geld zu verdienen zu können, und das ist auf jeden Fall sehr aufregend, ich liebe es jeden Tag.

Also schleicht sich nie die Routine ein? Es ist jedes Mal wieder neu aufregend?

Na ja, manchmal macht dich das Leben auf Tour schon müde, ich meine Jet Lag ist normal, wenn man über die verschiedensten Kontinente fliegt. Aber wenn die Leute extra kommen, um dich zu sehen, und dafür auch noch Geld bezahlen, dann haben sie eine Show verdient und die kriegen sie dann auch. Wir geben immer 110 Prozent und nehmen uns nie raus, zu sagen, „heute sind wir müde". Egal, wie müde wir auch sind, wenn wir das Publikum vor uns sehen, dann nehmen wir die Energie auf und das macht Spaß.

Legst du eher einen Kickstart hin oder lockerst du vor dem Auftritt Hände und Arme mit ein paar Übungen?

Ja, das mache ich, ich muss mich etwas aufwärmen. Ich habe ein Practise Pad backstage, und circa zwanzig bis dreißig Minuten vor dem Aufritt machen wir Stretchübungen, einfach auch um das Blut in Wallung zu bringen. Es ist eine so harte Show, so voller Energie. Bei KORN gibt es keine Pausen – wenn es los geht, bleibt es die ganze Show über auf dem Höchstlevel. Und um das durchzuhalten, muss man sich auf jeden Fall aufwärmen und kann nicht einfach so auf die Bühne springen.

Gestern habt ihr in Oberhausen gespielt. Das war die erste Möglichkeit für das deutsche Publikum, die Songs vom neuen Album „The Path Of Totality" live zu hören. Wie waren die Reaktionen?

Die waren sehr gut, es ist sehr cool, die Fans die neuen Lyrics singen zu sehen, das ist immer ein gutes Gefühl. Wir haben die Songs in den Staaten vorgestellt, bevor das Album rauskam. Das Publikum stand nur da und schaute „Was ist das jetzt?", weil es für sie alles neu war. Mittlerweile, wenn es eine zeitlang im Radio gespielt wurde und das Album draußen ist, ist es schön zu sehen, dass die Leute „Narcissistic Cannibal" genauso mitsingen wie „Freak On A Leash", das ist echt cool.

Ich denke mir, dass es für dich als Schlagzeuger doch der absolute Horror sein muss, mit den ganzen Samples und den Elektro Beats im Rücken zu spielen, oder?

Nein, das ist keine schlechte Sache. Ich spiele immer für den Song, wenn du verstehst – immer das, was der Song benötigt. Beim KORN III Album „Remember Who You Are" war es genau das Gegenteil, es war sehr biologisch, wir nahmen es in einem kleinen Raum auf, das war alles unverbraucht roh und hatte ganz viel damit zu tun, die Emotionen und die Energien, die sich dadurch ergaben, aufzufangen. „The Path Of Totality" hatte eine ganz andere Stimmung.

Jonathan begann mit einige Dubstep Künstlern und ich war der Letzte, der überhaupt auf die Aufnahme kam, normalerweise sind die Drums das Erste, was man aufnimmt. Sie bilden die Basis und alles andere kommt darüber. Manchmal sind auch einfach nur Live-Becken auf dem Track, weil es alles war, was noch benötigt wurde. Die Programmierer waren manchmal so gut und es hörte sich so gut an, dass ich einfach sagte „Lass es einfach für sich alleine stehen, das hört sich gut an". Ich komme klar damit, manche Schlagzeuger hätten ein Problem damit, ich nahm es bereitwillig an.

Ich bin ein großer Fan von NINE INCH NAILS und dem MARILYN MANSON Zeug, ich mag vieles von dem Kram, der für das Album programmiert wurde und dann aber live gespielt wird. Aber live spiele ich natürlich alles. Wir machen es so, dass ich eine elektronische Snare habe und mein Auslöser ist an der Bassdrum. Wenn es dann an die neuen Songs geht, tauschen wir einfach die akustische Trommel gegen die elektrische und später wieder zurück.

Also war der Dubstep-Ausflug für dich von Anfang an in Ordnung?

Ja, es ist anders, ich meine, in der Vergangenheit habe ich immer Click Tracks gespielt, aber bei dieser Band ist es etwas anders. Sie ziehen und drücken viel mit ihrem Sound, dann wird es schneller, dann wieder ganz langsam, da geht man sehr intuitiv nach seinem Gefühl. Dubstep ist im Gegensatz dazu sehr mechanisch und monoton, wie eine Maschine. Du musst ganz schnell umschalten mit deinem Gehirn, um in diese Songs reinzukommen.

Drummer Ray Luzier bei der Arbeit

Das ist für mich auch genau der Spirit dieser Platte, dieses Biomechanische. Das Mechanische kommt durch die Dubstep Elemente und das Biologische durch den zerbrechlichen Gesang von Jonathan. Ich habe in einem deutschen Metalmagazin gelesen, dass Fieldy erzählt hat, dass KORN auch schon an neuen Songs arbeitet?

Wir arbeiten eigentlich immer an neuem Zeug, Jonathan hat ein Studio in seinem Bus. Er ist gerade da draußen und arbeitet an irgendwas. Es ist verrückt, wir haben so viele Songideen gehabt wenn wir einfach so zusammen rumsaßen und wir wissen nie, ob sie irgendwann rauskommen oder einfach in Vergessenheit geraten. Und das ist auch sehr wichtig... Ich bin bei KORN seit 4½ Jahren, diese Band existiert seit 18 Jahren und angefangen haben sie eigentlich schon vor 20 Jahren.

Wenn man so lange zusammen ist, dann ist es sehr wichtig, immer weiter Musik zu erschaffen. Ich bin sehr stolz darauf, Teil einer Band zu sein, die keine Angst davor hat, Herausforderungen anzunehmen. Sonst kommt man auch nicht so weit, wie wir mit dem letzten Album. Wenn ich da an einige meiner Lieblingsbands denke, wie AC/DC oder IRON MAIDEN, wenn die eine Platte rausbringen, dann klingt die genauso wie die davor, aber in diesem Fall ist es in Ordnung...

...oder wie bei MOTÖRHEAD?

...ja genau, auch bei MOTÖRHEAD, genau das Gleiche, aber das ist dann auch das, was man erwartet. Aber ich möchte lieber in einer Band sein, die keine Angst vor Neuem hat. Ich habe zum Beispiel Emails von Skillrex Fans, die bis jetzt keine großen Fans von KORN waren, aber jetzt sind sie es, weil er (Skillrex) auf dem Album ist und sie dadurch unsere Musik gehört haben. Und natürlich kann man auch nicht jeden glücklich machen. Es gibt auch die Die Hard Fans, die nur die Metalsachen von uns hören wollen.

Wie du eben schon gesagt hast, „Remember Who You Are" war sehr kompakt, sehr roh, sehr old school... Was können wir denn vom nächsten Album erwarten? Welche Richtung wird KORN jetzt einschlagen?

Ich weiß es nicht. Wir haben Zeug aufgenommen, das irgendwo zwischen „Remember Who You Are" und „The Path Of Totality" liegt. Wer weiß, eventuell ändern wir auch komplett die Richtung. Im Moment touren wir ja erstmal mit dem aktuellen Album und sind noch ganz in diesem Teil unserer Musik, keine Ahnung, eventuell machen wir auch ein KORN Country Album...

Welches der alten KORN Alben, bei dem du nicht mitgewirkt hast, magst du denn am liebsten?

Ich mag viele der alten Sachen und ich bin ein großer Fan von Terry Bozzio, dem Schlagzeuger auf der „Untitled". Ich mochte diese Veränderung, die KORN mit diesem Album gemacht hat, das hat mich schon sehr beeindruckt. Aber auch die oldschool Sachen sind super, die ersten Töne vom Riff von „Blind" und ich wusste sofort, welcher Song es ist. Die Band hat sich aufgemacht, um die Welt zu verändern und sie taten es auch.

Ich mag auch sehr viel von „See You On The Other Side", also mag ich auch die alten Sachen und die Alben, bevor ich dazu kam, vieles von „Untouchables"... aber das Album „See You On The Other Side" besonders. Ich war damals in einer Band namens ARMY OF ANYONE mit Robert und Dean DeLeo (STONE TEMPLE PILOTS) und Richard Patrick (FILTER), wir verkehrten damals mit den gleichen Leuten wie KORN. Er brachte mir die Scheibe „See You On The Other Side" mit und sagte „Hör dir das an, das ist die neue Platte von KORN". Ich legte sie ein, drehte auf und es hat wirklich ein paar richtig gute Songs... es ist also schwer für mich, ein Lieblingsalbum von KORN zu bestimmen.

Ich sehe dich sehr oft die Drumsticks in die Luft werfen und dann wieder auffangen...

(lacht) ...ich versuche es zumindest...

...ist das, um im Rhythmus zu bleiben oder nur ein Special Effect?

Das mache ich, weil ich nicht ganz sauber bin... nein, ich weiß auch nicht. Ich mag keine langweiligen Rock Schlagzeuger, ich sage mir: Wenn ich im Publikum wäre, was wollte ich sehen? Wenn ich Geld bezahlt hätte, um eine Show zu sehen? Ich möchte keine Schlagzeuger sehen, die so spielen (macht einen gelangweilten Schlagzeuger nach), ich möchte Emotionen haben. Das muss nicht bedeuten, dass man wie wild mit Stöcken jongliert, aber gib mir irgendeine Art von Emotion, zeige mir, wie du dich fühlst mit deiner Leidenschaft. Ich war früher ein Marching Band Guy, ganz am Anfang. Da sah ich immer wie sie die Stöcke in die Luft warfen, wahrscheinlich war das damals wirklich wegen der visuellen Effekte, aber auf jeden Fall hat es nichts mit Rhythmus zu tun.

Du hast als Marching Guy angefangen?

Ja, ich habe erst angefangen zu den Platten zu spielen, die ich damals hörte. AC/DC, KISS, OZZY, RUSH aber schon in der Highschool war ich sehr musikalisch engagiert, unter anderem auch in der Marching Band, das half mir später auch sehr für mein rockiges Schlagzeugspiel.

Also war es auf jeden Fall dein erster Berufswunsch, Schlagzeuger zu werden?

Ja, ich wusste es schon sehr früh.

Keine Alternative? Kein anderer Job, der für dich in Frage gekommen wäre?

Nein, ich könnte sonst gar nichts anderes (lacht). Ich wüsste auch nicht, was dann aus mir geworden wäre...

Ich habe gelesen, dass du damals, als du dich für KORN beworben hast...

(lacht) ...beworben, das Wort ist interessant in diesem Zusammenhang. Es war wohl eine gute Bewerbung – wir hätten da KORN und Burger King, welche gebe ich ab?

...du hast damals angeblich 30 Songs statt der gewünschten sechs gelernt?

Ja, ich glaube sie sagten mir, ich solle fünf Songs lernen, ich weiß es nicht mehr genau. Ich war jahrelang ein Sessionmusiker in L.A. , ich spielte für Filmsoundtracks, für andere Typen auf deren Alben, ganz viele verschiedene Sachen und war niemals in einer bekannten Band. Manchmal hatte ich sieben Bands gleichzeitig, musste hier touren und da was aufnehmen. Wenn ich also auf eine Audition ging und sie mir sagten, ich soll drei Songs lernen, dann begann ich zu forschen. Als ich zum Beispiel diesen JAKE E. LEE Auftritt bekam, sagte er mir vorher: „Hier ist mein neues Album", aber ich lernte gleich alle OZZY Songs, bei denen er mitspielte und alle BADLANDS Songs, nur für den Fall, dass er sie hören wollte. Weil warum soll er gerade mich nehmen, wenn noch zweihundert Schlagzeuger vor der Tür stehen und alle den gleichen Gig wollen? Was habe ich, was die anderen nicht haben? Also war ich immer vorbereitet und lernte viel mehr, als gefordert war.

Manchmal wenn man zum Vorspielen kommt, haben die schon fünfzig Schlagzeuger vor dir gesehen und sind schon entsprechend abgetörnt: „Nächster, bitte! Jetzt zeig uns deine Version" (macht eine genervte Geste). Manchmal muss man einfach eine neue Energie in den Raum bringen, in dem man einfach sagt: „Ich weiß, ihr seid abgenert von den Songs, warum versuchen wir nicht mal den?". Dann werden sie wach, müssen sich selbst erst mal sortieren „Wie ging der nochmal?" und schwupps hast du eine neue Energie im Raum. So kam ich eben auch zum dem JAKE E. LEE Gig, er sagte „lass uns doch bei dem bleiben, was wir können", aber ich war ganz begeistert und wollte unbedingt einen BADLANDS Song spielen. Nachdem sich alle erst mal orientiert hatten, wie der Song ging, fragt er mich ganz locker „Was machst du morgen? Komm doch wieder und wir spielen wieder zusammen?".

Für KORN habe ich sogar noch mehr Songs gelernt, deren Diskografie ist ja auch so lang. Ich lernte natürlich die Hits und dann ging ich in die Tiefe, ich lernte „Divine" (vom Debütalbum von KORN), ein paar Songs von „Untitled", weil die Schlagzeugparts von Terry Bozzio wieder ganz anders waren, also lernte ich auch was davon. Wir spielten sechs oder sieben Songs und dann sagten sie schon „Willkommen bei KORN, wir sehen uns in Dublin".

Also war es eine gute Idee, immer vorbereitet zu sein?

Ich denke schon, das ist ein guter Rat für die Leute da draußen.

Ist das eine generelle Eigenschaft von dir? Immer so gut vorbereit sein, wie möglich?

Ja, aber ich bin es nicht immer.

Aber du versuchst es zumindest....

Ja.

Jonathan hat die SFA und Fieldy hat die Band namens Stillwell mit P.O.D. ..
.

Ja, mit dem Schlagzeuger von P.O.D. und Q-UNIQUE, einem toller Rapper aus Brooklyn New York, da spielt Fieldy Bass. Munky hat FEAR AND THE NERVOUS SYSTEM mit einer Menge talentierter toller Musiker. Und ich habe einen Haufen Nebenbands, aber nichts wirklich Bekanntes. Aber ich habe eine Nebenband, THE HIDEOUS SUN DEMONS, mit James LoMenzo von MEGADETH & OZZY und Toshi Hiketa, der bei DAVID LEE ROTH gespielt hat. Wir haben ein Album veröffentlicht und versuchen an einem nächsten zu arbeiten. Das kann man sich ja mal auf meiner Website anschauen. Aber ich schreibe eigentlich immer Musik zu Hause, spiele Gitarre und Bass, mache neues Zeug in meinem Heimstudio.

Das heißt, du spielst Schlagzeug, Gitarre und Bass?

Ja, gut genug, um Musik zu schreiben.

KORN wird nächstes Jahr 20. Habt ihr etwas Besonderes in Planung, um das mit den Fans zu feiern?

Ja, aber ich kann über solche Dinge jetzt noch nicht konkret sprechen, ich will da jetzt auch keine bestimmte Richtung vorgeben. (Zögert...)

Nur ein Hinweis!

Es wird ganz toll. (grinst)

Ja, das denke ich mir.

Es wird wundervoll. Es gibt jetzt noch nicht Konkretes, aber es wird eine große Tour geben, das ist schon mal klar.

Eine große Tour in Europa?

Ja, überall, die ganze Welt. Das ist auch das Tolle an KORN, manche Bands gehen nur nach Europa, Kanada und die Staaten, und KORN geht überall hin.

Ja, das ist toll. Aber ich habe bis jetzt noch keine Bestätigung für deutsche Festivals in diesem Jahr gesehen?

Ich weiß es jetzt gar nicht so genau, ich habe Budapest gesehen, Ungarn und Moskau... (überlegt)

Metalfest Kroatien habe ich noch gesehen.

Ach ja?

Ja!

Ich werde da sein, wenn du das sagst. Manchmal weiß ich das gar nicht und lass' es einfach auf mich zukommen. Letztes Jahr haben wir ja richtig viele Festivals gespielt, zum Beispiel Rock am Ring.

Ja, ihr habt bei Rock am Ring während eines Gewitters gespielt, mit dem Donner im Rücken.

Das war klasse, oder? Und erst die Blitze? 

Ja, war es.

Was für ein Moment, wir dachten, die Bühne explodiert.

Möchtest du zum Abschluss etwas sagen, zu den Lesern von BurnYourEars?

Ja, ich möchte mich bedanken für die Unterstützung, für all die Jahre, die ihr zu KORN gehalten habt. Schaut euch mal www.korn.com an, da gibt es tolle Sachen zu sehen, Filme vom Tourleben und VIP Packages, und wenn ihr mehr über mich wissen wollt, dann geht auf www.rayluzier.com, da gibt es auch einiges Interessantes zu lesen. Danke für die Unterstützung!


Vielen lieben Dank an Anna und Larissa von Roadrunner Records.