Geschrieben von Kai Donnerstag, 31 Mai 2012 20:18
Longing For Tomorrow - Interview mit Samuel und Damian zum Ende der Band
LONGING FOR TOMORROW sind Geschichte. Die Posthardcore/Screamo-Band aus Aachen hat passend zum vierten Longplayer das Handtuch geworfen. Wir sprachen mit Basser Samuel und Drummer Damain über den Split und wie es jetzt in anderen Bands weitergeht. Gitarrist/Sänger David hat sich leider nicht beteiligt, wird aber zumindest mit seiner neuen Band KOSSLOWSKI demnächst auf BYE zu Worte kommen.
Ein Blick zurück - wer seid Ihr und was war LONGING FOR TOMORROW?
Samuel: Ich bin Samuel, Bassist von Ex-Longing For Tomorrow.
Damian: LONGING FOR TOMORROW (Aachen) – Sehnsucht nach morgen. Das waren David Frings (Vocals, Gitarre), Damian Altdorf (Drums) und nach einigen Besetzungswechseln dann seit November 2008 Samuel Dickmeis (Bass). Seit der Gründung Ende 2003 haben wir über 400 Shows gespielt – neben den an Deutschland grenzenden Nachbarländern wie den Niederlanden, Luxemburg, Österreich oder der Schweiz sind wir außerdem in Russland, Brasilien und England getourt. Insgesamt haben LFT vier Studioalben veröffentlicht. Mit dem Album „Idee:Mensch", erstmals komplett deutschsprachig, haben wir unseren eigenen Sound gefunden. Manchen erinnert unsere Musik an Turbostaat oder Escapado. Großartige Bands. Ich denke aber, dass wir trotzdem unverwechselbar nach Longing For Tomorrow klingen.
Warum der Bandsplit?
Samuel: Unter longingfortomorrow.de kann man ein Statement von David zum Split lesen. Ich finde darin ist (aus seiner Sicht) sehr gut beschrieben, warum. Meine Version würde sich höchstens in der Wortwahl unterscheiden.
(Für alle, die es nicht mitbekommen haben, hier das Zitat von der Homepage:)
"Liebe Leute, die kommenden Sätze fallen alles andere als leicht. Ich sitze im Zug von Worms nach Aachen und Envy hilft mir grade ne Runde, dieses hier zu schreiben... Seit schon geraumer Zeit fiel es mir immer schwerer, mich für Longing For Tomorrow zu begeistern, mich zu motiveren, diesem Baby Alles zu geben. Wege, die die Band sicherlich weiter auf Erfolgskurs gebracht hätten, wurden von mir torpediert. Ich stellte mich quer, beharrte auf Standpunkten und Einstellungen, die ich seit Ewigkeiten habe und die für mich nach wie vor maßgebend sind. Longing For Tomorrow bedeutete für mich seit jeher Spaß, gab mir die Chance mich auszukotzen, zu touren, Nächte durchzufeiern, viele tolle Leute kennenzulernen. Das Bestreben nach einem großen Erfolg wurde in den letzten Jahren immer kleiner.
Wege die manch' andere Bands gingen, wurden mir über die Jahre zunehmend suspekter, vermittelten mir nicht das Gefühl "richtig" zu gehen. Letztenendes waren es für mich die Shows in kleinen unbebühnten Jugendzentren, Gesang, der schon nach 20 minuten in Kur gehen sollte, und verkackte, vor Schweiß triefende Gitarren, welche mir das Gefühl gaben, zu Hause zu sein, vollkommen aus mir raus zu gehen.
Damian und Samuel haben lange versucht mich zu motivieren, versuchten mit mir neue Wege zu gehen, um LFT weiter nach vorne zu bringen. Ich wollte und konnte meine Einstellungen aber einfach nicht ändern. Die beiden Jungs zu enttäuschen ist wohl das, was sich jetzt am beschissensten anfühlt. Ich ziehe einfach nicht gemeinsam mit den Jungs am Strick von Longing For Tomorrow und so etwas bricht einem nur dreiköpfigen Gespann letztenendes das Genick.
Wir haben uns daher entschieden, Longing For Tomorrow vorerst auf Eis zu legen. Bis Ziele nicht gleich definiert sind, hat es keinen Sinn, weiter in unterschiedliche Richtungen zu laufen. Wir können uns weiterhin alle in die Augen gucken, worüber ich sehr froh bin! Unsere Liebe zur Musik ist ungebrochen. Alle von uns werden Musik in anderen Projekten machen, deren Einstellungen homogener sein werden.
[...] Worte die schwer fallen, gehen tut es derzeit leider nicht anders... David."
Damian: Für David und mich war immer klar, Longing For Tomorrow bedeutet mehr als nur Leidenschaft für die Musik. Die Band und alles, was damit zu tun hatte, war genau das, was wir wollten! Mit Samuel hatten wir dann endlich jemanden gefunden, der ebenso motiviert und engagiert war wie wir. Eine ganze Zeit lang waren wir ein gutes Team. Jeder hat seinen Teil beigetragen. Und das ging weit über das Spielen einer Liveshow hinaus. Da fielen immer eine Menge Aufgaben an.
David wurde das aber alles zu viel. Wir haben ihn lange mit durchgezogen und er hat seinen Beitrag zur Band aufs Nötigste beschränkt. Dann fing er auch noch an, uns Steine in den Weg zu legen. Ich denke, er war einfach mit viel zu vielen Dingen nicht nur in Bezug auf die Band unzufrieden. Jedenfalls gab es dadurch Spannungen innerhalb der Band und viel zu viele Diskussionen. Damit hat sich keiner mehr wohlgefühlt. Für mich war offensichtlich, dass David keinen Bock mehr auf die Band hatte. Wir haben oft und lange mit ihm gesprochen, um herauszufinden was los ist und wie man die Sache lösen könnte.
Ich denke, ihm hat einfach der Mut gefehlt, um seine langjährige Band, sein „Baby" zu verlassen. Aber so ging es einfach nicht weiter. Und da auch keinerlei Besserung in Sicht war, haben wir zu dritt überlegt, wie wir die ganze Sache mit Longing For Tomorrow noch halbwegs „cool" zu Ende bringen können. Solange es noch geht. Ende 2011 würde dann bei LFT Schicht im Schacht sein. Alles in allem eine diplomatische, saubere Trennung ohne Streit. Und seit dem Entschluss zum Split gab es auf einmal auch keine großen Diskussionen mehr. Es war die richtige Entscheidung.
Warum passend zum neuen Album?
Samuel: Das hat sich blöderweise so entwickelt. Das Album war schon ein Jahr vor Bandsplit fertig, aber wir haben die ganze Zeit miteinander bzw. untereinander gerungen, wie wir es rausbringen wollen, und wie die Zukunft der Band aussehen sollte oder könnte. Darüber hat sich die Band dann zerlegt.
Damian: Als wir entschieden haben uns zu trennen, waren die Aufnahmen zu „Manisch Intensiv" schon lange, lange fertig. Um genau zu sein, schon seit Mitte 2010. Und die wollten wir unbedingt veröffentlichen. Trennung und Album Release fielen dann leider zusammen. Haben aber direkt nichts miteinander zu tun. Schade, ich denke, das neue Album bekommt dadurch nicht die Aufmerksamkeit, die es verdient hätte.
Wird das Album von euch noch promotet?
Samuel: Nein. Das Interview hier und wenige Posts auf Facebook sind die letzten Überreste der Band. Trotzdem kann jeder das Album (und auch vielen alten Stuff) auf unserer Homepage www.longingfortomorrow.de bestellen.
Damian: Auf jeden Fall! Es ist schade, dass unsere Trennung einen großen Schatten auf die neue Veröffentlichung wirft. Wir haben „Manisch Intensiv" schon vor längerer Zeit aufgenommen. Und eine Menge Herzblut reingesteckt. Ich höre mir die Platte ab und zu an und habe immer noch ein gutes Gefühl dabei. Das letzte was ich will, ist, dass die Aufnahmen irgendwo verstauben. Wir treten zwar nicht mehr auf, aber Samuel und ich kümmern uns auch weiterhin um LFT. In erster Linie um die Homepage, dort findet man auch das neue Album „Manisch Intensiv". Außerdem wird dort demnächst ein unveröffentlichtes Musikvideo erscheinen.
Wie hat Unpopular Disclose reagiert, als klar war, die Platte kommt und die Band geht?
Samuel: Unpopular bzw. Björn war derjenige, der bis zum Schluss noch an LFT geglaubt hat – es vielleicht nicht wahr haben wollte, was wir alle schon länger gespürt haben – und er hat auch alles unternommen, um den Laden zu retten bzw. so lange wie möglich zusammen zu halten. Er hat dieselben Phasen bis zur Trennung durchgemacht, wie wir alle.
Damian: Wenn wir von unserem Label sprechen, dann ist damit Björn Supplie a.k.a. Soup gemeint. Er ist über die Jahre ein richtig guter Freund geworden und war auf etlichen Shows am Merchstand und als Tourmanager dabei. Dementsprechend hatten wir immer einen engen Kontakt. Haben alle Entscheidungen gemeinsam getroffen. Wir haben uns nach einer durchfeierten Nacht am nächsten Morgen, ich glaube schon gegen 9 Uhr, in einen sonnigen Park in Aachen gesetzt und lange mit ihm gesprochen. Er wollte uns auf jeden Fall zusammen halten. Er hat immer an uns geglaubt. Für ihn waren wir mehr als nur eine Band, für die er Platten veröffentlicht. Nach dem letzten Auftritt hat er die Auslage Vynil von unserem Merchstand mit voller Wucht auf den Boden geworfen mit den Worten: „Die brauchen wir jetzt nicht mehr!" Ich denke, das musste wohl einfach mal raus. Ihn hat unser Split auf jeden Fall hart getroffen.
Gibt es neue Projekte?
Samuel: David hat mit Kosslowski eine neue Band ins Leben gerufen. Damian und ich machen als neue Band Inozit weiter und haben seit der Trennung unzählige Stunden damit verbracht, neues Material zu schreiben.
Damian: Ja. David hat im April letzten Jahres die Band Kosslowski gegründet, die mittlerweile schon einige Gigs gespielt hat und bald ihr erstes Studioalbum veröffentlicht. Samuel und ich schreiben neue Songs unter dem Namen Inozit. (Gesprochen: Inosiet).
Sind gemeinsame Wege ausgeschlossen?
Samuel: Von meiner Seite aus ja. Ich kann mir momentan nicht mehr vorstellen, mit David einen gemeinsamen Weg einzuschlagen. Ich kann seine Einstellung zur Musik, die mir über die zwei Jahre erst so richtig bewusst geworden ist, nicht teilen.
Damian: Ausgeschlossen. Ich kann mir keine Zusammenarbeit mehr vorstellen. Darum haben wir uns ja getrennt. Auch wenn wir in den acht gemeinsamen Jahren viele schöne und unvergessliche Erlebnisse hatten und ich nach wie vor stolz darauf bin, was wir mit Longing For Tomorrow gemacht haben.
Was waren die High- und Lowlights während LONGING FOR TOMORROW?
Samuel: High: Jeder Moment, wo ich vor Lachen Tränen in den Augen hatte, weil wir zusammen sehr viel Spaß hatten. Low: Unzählige Diskussionen.
Damian: Highlights gab es viele, z.B. Als wir die „Beauty For The Blinded Eyes" rausgebracht haben. Endlich eine Aufnahme, die so klang, wie wir das wollten. Und zwar richtig gut! Das war damals großartig. Ich erinnere mich auch noch an Shows im AZ Aachen, wo die Leute die Hütte abgerissen haben und unser damaliger Bassist crowdsurfend unter der Decke hing. Sehr krass fand ich die erste Brasilientour im November 2009. Zum einen wegen des tollen Landes mit seinen offenherzigen Leuten, zum anderen wegen der tollen Shows. Vor allem der Auftritt im Skatepark vor ca. 800 Leuten. Die sind komplett durchgedreht, als wir auf die Bühne gegangen sind! Dort hab ich das erste mal einen Stagedive gemacht. Eigentlich nichts Ungewöhnliches, außer man ist Drummer in der Band.
Als wir Myspace Featured Artist geworden sind, durften wir als Belohnung mit Jennifer Rostock in der Garage in Saarbrücken spielen. Das war stark. Wir wussten ja nicht, was die JR Fans von uns halten würden, aber der Auftritt war super. Dann haben wir noch das Rocco Del Schlacko Voting letztes Jahr bzw. einen Slot auf dem Festival gewonnen. Dort haben auch NOFX gespielt. Die haben wir in Brasilien rauf und runter gehört und beim Rocco standen wir während ihrer Show am Bühnenrand. Vor allem für Soup ein Traum, der wahr wurde!
Und dann buchstäblich zum Schluss die allerletzte LFT Show in Eschweiler. Das war wahrscheinlich die beste, die wir jemals gespielt haben. An dem Abend waren super viele Freunde und Fans da und wir haben einfach alles gegeben! Die Intensität an diesem Abend, wo jeder genau wusste, das ist heute das letzte Mal. Das war unglaublich!
Lowlights: Das waren auf jeden Fall die vielen Diskussionen innerhalb der Band, jedenfalls wenn sie zu keinem Ergebnis führten und immer wieder von den gleichen Themen handelten. Der Ausstieg von unserem ersten Gitarrist Tommy. Er war ein super Gitarrist und Songwriter und ein guter Freund. Ist er zum Glück immer noch.
Was werdet ihr in euren neuen Bands anders machen als bei LFT?
Samuel: Mut zur Weiterentwicklung. Grenzenlose Kreativität sprudeln lassen. Alles geben.
Damian: Ich habe angefangen zu singen und Texte zu schreiben. Das ist neu für mich. Und Samuel und ich produzieren, mixen und mastern unsere Songs selber im Proberaum. Anstatt in ein Studio zu gehen. Was mir vor allem wichtig ist, sind die Inhalte meiner bzw. unserer Musik und Texte. Ich möchte, dass die Leute verstehen, worüber wir singen.
Ärgert es euch, wieder von vorne anfangen zu müssen oder überwiegt die Lust auf Neues?
Samuel: Ich vermisse die Liveshows sehr. Das war und ist mir immer das Wichtigste gewesen. Es wird noch etwas dauern, ehe ich wieder auf einer Bühne stehen kann. Trotzdem trage ich alles, was ich aus den Jahren Musikmachen erlebt habe, immer mit mir. Von Null anfangen fühlt sich anders an.
Damian: Ich hatte nie Angst vor einem Neustart und sehe es als große Chance, endlich mehr kreativen Freiraum zu genießen und mich weiterzuentwickeln.
Famous Last Words?
Samuel: Mademoiselle, es ist nun Zeit zu geh'n.
Damian: Longing For Tomorrow. Es war eine schöne Zeit mit starken Erlebnissen! Ich danke meinen Ex-Bandkollegen Samuel und David. Soup von Unpopular. Den früheren Bandkollegen Tommy, Marcel, Martin und Chris. Allen Leuten, die uns unterstützt haben und allen, die sich mit unserer Musik verbunden fühlen!
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