Geschrieben von Nadine Donnerstag, 21 Juni 2012 20:38
Esprin - Interview zum Debütalbum "The Hunger & The Ghost"
Die Newcomer ESPRIN haben gerade ihr Debütalbum "The Hunger & The Ghost" in Eigenregie fertiggestellt und zum kostenlosen Download angeboten (Spenden natürlich erwünscht!). Der Mix aus Alternative, Nu Metal und Crossover hat uns prima gefallen – Grund genug, um Sänger Michael Babic in die Interviewmangel zu nehmen und ihn über seine Band, das Album und seinen Zugang zur Musik zu befragen.
Stell euch bitte kurz vor. Wer ist ESPRIN und wer macht was?
ESPRIN bestehen aus Michael Babic (Sänger & Texter), Salomon Appiah (Gitarrist), Jens Lindmaier (ebenfalls Gitarrist), Jeffrey Appiah zuständig für den Bass, Fabian Wilhelm an den Synthies & Sampling und Andreas Mühleis am Schlagzeug.
Wie würdest du euren Sound beschreiben – lag ich mit meinem „kompensierter Neunziger Sound, ins Hier und Jetzt geholt" richtig oder komplett daneben?
Grundsätzlich total richtig. Wobei unser Ziel ist, dass dieser Input nicht mehr ganz deutlich erkennbar sein wird. Wir sind alle mit dem Alternative, Grunge und eben auch dem NuMetal und dem damaligen HipHop groß geworden. Und wir lieben es, Einflüsse aus den Genres zu verarbeiten. Aber wir wollen auch nach vorne schauen. Die aktuelle Elektro-Szene ist sehr stark und sehr szeneübergreifend. Ich denke, da könnten wir uns ebenfalls noch gut inspirieren lassen und einfach experimentieren. Solange die Message rübergebracht wird, die Emotionen stimmen und wir Spaß an der Musik haben, wollen wir uns so grenzenfrei wie möglich bewegen.
Wie seid ihr eine Band geworden?
Jens und ich, und gegen Ende auch Salo, waren seit 2004 bereits zusammen in einer Band namens "SCRATCHED SURFACE". Jeff ist Salos Bruder, das war keine Zauberei. Andi probte nebenan mit UNDERPAID und Fabi haben wir letzten Herbst als Quereinsteiger reingezogen, weil wir uns schon verdammt lange kennen. Eigentlich sollte ESPRIN nur ein Nebenprojekt werden, aber wir haben SCRATCHED SURFACE Ende 2010 an den Nagel gehängt. Das ist die Story.
Ihr verfügt also über viel musikalische Vorerfahrung und habt deshalb auch schon ein kleines Studio?
Wie bereits erwähnt, haben wir 2004 bereits mit SCRATCHED SURFACE eine Band auf die Beine gestellt, mit der wir zwei Alben und eine EP veröffentlicht und auch schon einige Konzerte bundesweit und auch bisschen im Ausland gespielt haben. Andi ist bereits seit 2003 mit UNDERPAID unterwegs, Salo geht seit 15 Jahren auf eine Musikschule und ist ein wahnsinniger Autodidakt, was Musik angeht. Und da uns die Studioaufenthalte für die früheren Aufnahmen immer sehr begrenzt haben und auch die zwischenmenschliche Erfahrung mit externen Leuten nie so der Knaller war, haben wir, als wir in den neuen Proberaum gezogen sind, etwas Equipment organisiert und uns im "Trial & Terror"-Verfahren mal die nötigsten Sachen beigebracht. Wir haben die letzte SCRATCHED SURFACE Platte bereits zum Großteil selber aufgenommen, da haben wir schon das eine oder andere KnowHow zusammengebaut. Das Studio als solches ist unser Proberaum, der aufnahmefähig ausgestattet ist. Allerdings nur auf 27qm. Aber es reicht momentan. (lacht)
Wie entstehen eure Songs? In welcher Atmosphäre... wo...?
Unterschiedlich. Um bei der Platte zu bleiben: Die Hälfte der Songs haben wir zusammen bei Jams entwickelt, kollektiv im Proberaum, quasi auf die klassische Art. Die andere Hälfte stammt zum Großteil nur von Salo und mir. Wir haben viele Nächte in unserem kleinen Studio verbracht und viele alte Ideen ausgekramt, ausprobiert und neu zusammengebaut.
Habt ihr je über euren angestrebten Stil gesprochen oder hat sich das einfach so ergeben?
Salo und ich reden konstant über unseren Stil und die verschiedenen Richtungen, die sich anbieten würden, aber wir haben nie einen klaren Plan. Was an sich auch ganz gut ist, weil wir uns so immer wieder überraschen können. Grundsätzlich versuchen wir, energische Musik zu machen, ohne zu sehr in den Metal zu rutschen, wie wir ihn früher gemacht haben, und einfach auch den NuMetal Gedanken etwas weiterzuspinnen, eben mit den Einflüssen aus Electro, Drum 'n' Bass und anderem.
Wir experimentieren im Moment immer noch herum. Die zwei Songs, die wir seit "The Hunger & The Ghost" geschrieben haben, gehen schon wieder in eine etwas andere Richtung... Daher sind wir eigentlich selber ganz gespannt, was es eigentlich werden wird.
Wie lange habt ihr dann letztendlich an „The Hunger And The Ghost" gearbeitet?
Es dauerte ein halbes Jahr, von den ersten Spuren bis zum fertigen Produkt. Weil wir nicht jeden Tag zehn Stunden daran sitzen konnten. Die effektive Zeit waren vielleicht... vier Wochen.
Ihr habt „The Hunger And The Ghost" vor einigen Wochen auf die Massen losgelassen und zum kostenlosen Download angeboten. Wie waren die Reaktionen?
Bisher gab es nicht viele. Unsere zig Review-Anfragen wurden bisher ignoriert, außer bei euch. Die paar Leute, die uns schon kannten, finden die Platte aber außnahmslos super. Und das freut uns. Wenn Feedback kommt, dann ein überaus gutes Feedback.
Hat sich der Schritt für euch gelohnt?
Rückblickend wäre es vielleicht sinnvoller gewesen, nur eine 4-Track EP zu machen und mehr Zeit in die Promo zu investieren. Auf der anderen Seite war es aber auch sehr angenehm, uns einfach auf 14 Songs austoben zu können. Wir haben durch die Produktion viel gelernt. Rein technisch, weil wir die Platte ja komplett selber produziert haben, sowie auch menschlich und stilistisch. Wir sind, denke ich, jetzt bereiter, um neue Wege auszuprobieren. Und fernab davon einfach auch tierisch stolz auf die LP.
Was bevorzugst du selbst als Musikformat, „was in der Hand" oder „am besten digital, nimmt nicht soviel Platz weg"?
Ich selber, als Grafiker, stehe natürlich auf ausgefallene physikalische Platten. Dicke Digipacks, mit dicken Booklets, mit besonderem Papier mit toller Haptik, etc. Ist halt verdammt teuer in der Herstellung. Sehr toll find ich es, wenn man ein saftiges Digipack oder so kauft, und dann ein Download-Code dabei ist, um sich die Platte in guter Qualität als FLAC oder gute mp3 für iTunes & Co. zu ziehen.
Hast du dann auch das Cover zu "The Hunger And The Ghost" gestaltet, wenn du Grafiker bist?
Ja. Der Titel der Platte, "The Hunger And The Ghost" bezieht sich ja auf die Gaki, Hungergeister aus der japanischen Mythologie. Demnach werden Menschen, die zu Lebzeiten sehr gierig, egoistisch und materialistisch waren, nach dem Tod damit bestraft, als Hungergeister weiterzuexistieren. Sie verspüren einen ständigen großen Hunger, den sie nur kurzzeitig stillen können, indem sie Leichen und Exkremente zu sich nehmen, was aufgrund der dünnen Hälse eine langsame und schmerzhafte Angelegenheit ist.
"The Hunger And The Ghost" befasst sich thematisch mit jeglichen Formen der Konsum- und Besitzgeilheit der neuen Moderne: Verlust, Gier, Macht, Liebe und soziale Differenzen. Die zwei angewachsenen Gesichter symbolisieren die Zellteilung, den Ursprung jeglicher Existenz, die sofort darin ausartet, nach etwas zu greifen, um es zu besitzen, einzunehmen. Das Covermotiv stellt demnach die Gier als festen Bestandteil menschlicher Existenz dar.
Kannst du dich an den ersten Moment erinnern, in dem dir bewusst wurde, dass dir Musik etwas bedeutet?
Nicht genau. Muss aber irgendwann zwischen fünf und sieben gewesen sein, als mein Bruder im Zimmer nebenan PEARL JAM und QUEEN gehört hat. Ein paar Jahre später, als ich zum ersten Mal die "Iowa" Platte (von SLIPKNOT) eingelegt habe, wurde mir klar, dass ich aktiv werden muss.
Und was genau hat dich daran fasziniert?
An QUEEN, dass sie mit Musik großartige Welten erschaffen und Bilder malen konnten. Es war eine großartige Entführung aus dem eigenen Leben, das war eine wichtige Lektion. PEARL JAM klangen damals einfach vertraut, sie boten eine auditive Geborgenheit. Und sie waren melancholisch, das hat mich damals schon angezogen.
Und SLIPKNOT waren einfach ein Befreiungsschlag. Aus der Familie, aus der Schule, aus dem System, hinein in eine Welt, in der es nicht falsch war, aggressiv zu reagieren, Wut in sich zu tragen, traurig und verirrt zu sein, wo es keine Option gab, nicht verstanden zu werden. Und das war für mich persönlich der ausschlaggebende Moment, als ich realisiert habe, dass man mit Musik nicht nur akustische Meilensteine in den eigenen Erinnerungen legen kann, sondern vor allem kommunizieren und helfen kann. Ich saß daheim und Corey Taylor sagte mit dieser Musik einfach: "Junge, auf geht's - Du bist nicht allein." Und das hat verdammt gut getan.
Was sind eure Ziele mit ESPRIN?
In erster Linie mal raus und spielen. Leute inspirieren. Leuten Möglichkeiten bieten, sich auszutoben. Und auch irgendwelchen überhypten Scheißbands in den Arsch treten. Und in erster Linie dieses Jahr noch eine EP rausbringen, und, wie bereits gesagt: Live, live, live.
Welche Bands haben euch beeinflusst bzw. hauen euch noch heute richtig weg?
Also, die DEFTONES sind auf jeden Fall unser gemeinsamer Nenner. Ansonsten variiert es, Salo ist z.B. jede Woche von einer neuen Band völlig überwältigt. Es sind bei jedem andere Bands, das ist im Endeffekt verdammt gut. Wär' ja blöd, wenn wir alle nur auf... die JONAS BROTHERS stehen würden. Weil wir dann definitiv auch so klingen würden. Aber, um paar Namen in den Raum zu werfen: TOOL, die frühen LIMP BIZKIT, JUSTICE, PEARL JAM, RADIOHEAD, HANS ZIMMER ...
Vielen Dank für das Gespräch. Die letzten Worte gehören dir!
Geht mit offenen Augen und bewusster Wahrnehmung durch diese Welt! Und wenn ihr gerade dabei seid, hört mal in unsere Platte rein.
ESPRIN Homepage inklusive Downloadmöglichkeit
ESPRIN Facebook
Alle Artikel zu