Geschrieben von Samstag, 07 Oktober 2006 11:48

D-A-D - Interview mit Jesper Binzer


Review

 

 

 

Vor dem Konzert von D-A-D in der Fabrik holt mich der Tourmanager Troels ab und sucht die Herren. Die Promoterin seufzt, dass die Dänen schwerer zu hüten sind als ein Sack Hummeln und irgendwo in der Stadt rumrennen. Sänger Jesper Binzer ist aber anwesend und kommt herbei.E r macht einen netten, aufgeräumten Eindruck und scheint sich ziemlich wohl zu fühlen.

Hi Jesper, willkommen zurück in Hamburg. Schön, euch mal wieder sehen zu können. Wie geht es D-A-D heute und wie verkauft sich „Scare Yourself“?

Oh, bisher waren wir von den Verkaufszahlen von „Scare Yourself“ eher enttäuscht. Allerdings scheint sich das jetzt während der Tour gewaltig zu ändern, das Publikum kauft uns den Merchandise-Stand leer. Gestern haben wir einen ganzen Karton der CD verkaufen können. Vielleicht ist es einfach so, dass wir live einfach am überzeugendsten sind, und dann riechen die Leute Blut und wollen mehr. Irgendwie mythisch (er grinst).

Zu D-A-D selber... naja, wir kämpfen. Durch Missmanagement und Gerichtsverfahren gehören uns heute schlicht und einfach noch unsere Gitarren und sonst nichts. Wir haben alles verloren und sind sozusagen bankrupt. Ein Verfahren steht noch aus, und dann können wir auch mehr darüber sagen. Derzeit müssen wir aufpassen. „Scare Yourself“ ist in dieser Zeit entstanden. Ich war manchmal voller Hass beim Schreiben. Wir waren plötzlich die Buhmänner und sind in eine Isolation gedrängt worden. Und das hört man bei den Songs.

Erläutere doch mal ein paar der Songs, was hat es z.B. Mit „Camping In Scandinavia“ auf sich?

Oh, das Publikum scheint diesen Song zu lieben. Das ist so eine Art „back to the roots“-Erlebnis. Nichts mehr von wegen Hotels und Luxus, und was man so alles meint, zu brauchen. Wir machen das öfters, wir schnappen uns ein paar Freunde und gehen einfach so in der Wildnis campen. Ohne irgendwas. Das bringt einen immer wieder zu sich selber zurück. Darum geht es in dem Song.

Was hat es mit „Little Addict“ auf sich?

Na ich denke, das erklärt sich von selber. Es ist in der dritten Person geschrieben, aber kann jeden von uns betreffen. Nichts gegen Drogen, wenn man es kontrollieren kann. Aber man ist doch besser man selber und wird von der Umwelt auch besser angenommen, wenn man sich auf sich konzentriert und nicht auf Traumwelten.

Allerdings. Wie läuft die Tour denn so? Seid ihr zufrieden?

Oh ja. Schau, in Dänemark spielen wir immer nur an den Wochenenden auf den großen Festivals und Shows. Man hat die ganze Woche frei und arbeitet am Wochenende halt mal ein paar Stunden. Das ist zwar ganz nett irgendwie, aber das ist kein Rock´n Roll. Wir sind da Megastars und das Publikum geht von ganz jung bis alt quer durch die Bank, mehr so Popstars-Status. Eigentlich sind wir das ja aber gar nicht. Hier auf Tour ist es wirklich das wahre Leben. Man fährt umher, trifft die Fans, die uns teilweise schon seit zwanzig Jahren begleiten, und es ist einfach echter. Das ist eben Rock´n Roll, Mann. Wir fühlen uns so wohl und haben so einen Spaß... In Stuttgart war es ein supertolles Konzert, in Osnabrück... naja... Also die Show war schon ganz gut, aber Osnabrück selber... (himmelt gen Decke)

Naja, Osnabrück halt... Aber hier ist ja nun Hamburg. Wieviele Fans kommen denn so zu den Shows?

Och, bisher waren es so an die 500 immer. Mal gucken, was heute so kommt. Wenn es auch 500 werden, sind wir happy (Anm.: die Fabrik war nahezu ausverkauft und somit waren fast dreimal so viele Fans da).

In diesem Moment kommt Troels hinzu und bittet zum Soundcheck. Blöd, wenn man mitten im Fluss ist und auf einmal der Gesprächspartner verschwindet. So nehme ich meine Siebensachen und gehe auch nach vorne, um mir mit den Promotern zusammen den Soundcheck anzugucken. Ich habe keine Ahnung, wann und wie es weitergeht und komme mir irgendwie doof vor. Allerdings bin ich entzückt vom Soundcheck. Wie, sie spielen „Girls Nation“? Großartig.

Nur eine knappe Viertelstunde später ist die Sache gegessen und die Band kommt wieder in den Raum. Stig Pedersen, der Basser mit den zwei Saiten-Monstern, zeigt der Promoterin und mir erstmal ganz begeistert seine neuen schwarzen kniehohen Stiefel, die er irgendwie in der Osdorfer Landstraße gekauft hat. Die Promoterin fragt ihn entgeistert, ob er nun reiten lernen will und er grinst breit „Nee, ich will damit spielen“. Klingt zweideutig, aber er meinte eigentlich, dass er sie auf der Bühne tragen will. Was er dann auch macht.

Ich sitze also wieder auf dem Sofa und plötzlich starrt mich die gesamte Band an und wartet auf die Fortsetzung des Gesprächs. Ich komme völlig aus dem Konzept, weil alle durcheinander reden und Stig holt mir erstmal einen Kaffee. Wrrr... wo war ich?

Ja, fein, wo nun alle da sind, frage ich einfach nochmal, wie ihr euch jetzt auf der Tour fühlt?

Stig und Jacob samt Jesper: Toll! Hach Mann, das ist so schön, wieder on the road zu sein und in kleineren Clubs zu spielen. Wir leben wieder und sind zurück.

Stig: Wir haben zwar nur eine ganz kleine Show dabei, was ja schade ist, weil wir so gerne viele Pyros und tolles Licht und so Spielkram dabei haben. Die ganzen Gimmicks, die wir uns immer ausdenken, sind natürlich alle nicht dabei, das hier ist echt Low Budget. Aber wir hoffen sehr, dass die Tour so erfolgreich wird, dass wir nochmal zurückommen, und dann gibt es aber die Vollbedienung.

Ich habe eben beim Soundcheck gehört, dass ihr anscheinend auch viel Material aus früheren Zeiten spielen werdet?

Stig: Ja. Absolut. Wir machen so eine Zeitreise. Eine „Scare Yourself“-Promotour hatten wir ja schon, und dieses mal spielen wir alles, worauf wir Lust haben. Quer durch.

"It´s After Dark“ auch?

Jesper (in einem entzückenden Deutsch): Oh, das kommt auf die Beschluusung von die Publikum an... Fuck, I´m talking crap, how do you say?

Du meinst, je lauter die Leute brüllen, desto eher spielt ihr es?

Alle vier: Jepp. Haha, Du bist jetzt dafür verantwortlich und musst die Leute anheizen.

Na vielen Dank auch... Ich gebe mein Bestes! Nochmal zu den Songs von früher. Ich habe auf eurer Homepage gelesen, dass es zu gewissen Zeiten nicht so angebracht war, Songs wie „No Fuel Left For The Pilgrims“ zu spielen, weil sich religiöse Gruppierungen davon angegriffen fühlten. Wie haltet ihr das heute?

Jesper: Wir spielen es! Selbstverständlich. Du spielst wahrscheinlich auch auf diesen dänischen Cartoon an, der so einen Hass entfachte. Aber mal ganz ehrlich: Wir wurden eigentlich nie wirklich angegriffen. Was wir zu sagen haben, sagen wir, und das ist unsere Art von Meinungsfreiheit. Und grade heute spielen wir es mehr denn je.

Stig: Ein einziges Mal wurden wir wirklich angegriffen, bei dem Cover von „Everything Glows“. Da hat uns ein Hindu Blasphemie vorgeworfen. Aber das haben wir natürlich wirklich nicht vorgehabt. Achja, und dann hatten wir ganz klitzeklein so eine Kinderbuchfigur auf dem Cover, „Findet Holger“. Das ist eine sehr populäre Figur in Dänemark, kennst du sicherlich auch?

Ich geh mal googlen, ich hab keine Ahnung (ich hab es gefunden, aber kennen tu ich es trotzdem nicht...)

Stig: Na, jedenfalls wollten uns die Macher von „Findet Holger“ gleich verklagen. Wir haben dann lautstark beteuert, dass wir den lieben und alle Kinder haben und dass das nicht böse gemeint war. Hilfe. Einige machen sich da echt einen Sport draus, solche Nebensächlichkeiten aufzubauschen. Nervig.

Jesper sagte vorhin, dass ihr in Dänemark die grösste Rockband seid und absolute Megastars. Verzeiht meine Frage, aber was ist denn mit PRETTY MAIDS? Die sind hier eigentlich öfters zu sehen als ihr...

Stig: Also bitte, diese Clowns! Die mögen hier in Deutschland und Japan ja immer noch angesagt sein, aber in Dänemark werden sie nur belächelt. Ehrlich jetzt, ohne böse sein zu wollen, aber da pfeift kein Schwein nach.

Nunja, man lernt ja nie aus. Da ist Dänemark so nahe dran und man kriegt trotzdem nichts mit. Sorry. Betrachtet ihr Euch denn als eine humorvolle Band mit politischem Aspekt? Ihr prangert ja doch immer wieder dieses und jenes an.

Jesper: Alles ist politisch. Wenn man was zu sagen hat, soll man es auch sagen. So halten wir es jedenfalls. Ich bezeichne uns ja gerne als die Rockband des denkenden Mannes (Gekicher vom anderen Sofa).

Wo „Riding With Sue“ ja auch absolut reinpasst...

Jesper: Nee, das ist eine Anlehnung an Donald Duck.

Ok, jetzt wird es albern. Der nächste Schreiberling wartet eh schon ungeduldig, und so bedanke ich mich artig und wünsche den Jungs viel Erfolg und Durchhaltevermögen. Und das anschließende Konzert lässt wirklich drauf hoffen, dass die Herren den ganzen juristischen Müll hinter sich lassen können und wieder verstärkt ihr Nachbarland beglücken.