Mit "Blitzkreuz" haben CALLEJON ein großartiges neues Werk abgeliefert. Wir baten Gitarrist Bernhard zum Interview und stellten dabei fest, dass die Band bodenständig geblieben ist und ohne jegliche Scheuklappen Musik macht.
Hallo Bernhard, Glückwunsch zu dem gelungenen Neuwerk. Wie zufrieden seid ihr mit "Blitzkreuz"?
Wir sind verdammt zufrieden. Aber nicht zufrieden genug, um beim nächsten Album nicht noch mehr zu wollen.
Wie fielen die Resonanzen aus, sowohl bei euren Fans als auch bei der Presse?
Insgesamt sind die Reaktionen sehr gut, natürlich gibt es auch Stimmen, die weniger positiv sind, aber man kann es eh nicht allen rechtmachen. Wollen wir auch gar nicht. Der allergrößte Teil des Feedbacks ist aber sowieso überwältigend, sowohl in der Presse als auch bei den Fans, und das macht uns natürlich auch sehr zufrieden.
Ihr habt Euer Label gewechselt, von Nuclear Blast zu Sony. Was waren die Beweggründe und wie lief das ab?
Wir haben jetzt unser eigenes Sublabel bei Four Music / Sony. Als wir uns von Nuclear Blast getrennt haben, hatten wir noch gar kein neues Label in Aussicht. Es ist nicht so, als hätten NB schlechte Arbeit geleistet, aber unsere Arbeitsweise und die Idee von CALLEJON waren nicht wirklich kompatibel mit der von Nuclear Blast. Am Ende haben wir uns darauf geeinigt, dass es für beide Parteien das Beste ist, getrennte Wege zu gehen. Dass Nuclear Blast dazu bereit waren, war ein feiner Zug – sie hätten uns auch einfach im Vertrag halten können. Insofern gibt es kein böses Blut. Der Schritt zu Four bzw. Sony kam dann erst einige Zeit später. Wir haben uns mit verschiedenen Labels unterhalten und sind letztendlich dahin gegangen, wo wir die meiste Handlungsfreiheit haben – auch wenn man das bei einem Major wie Sony eigentlich nicht erwarten würde.
Kannst Du ein wenig zur Entstehungsphase des Albums erzählen?
Wir haben mit dem Songwriting relativ bald nach der Vertragsauflösung mit Nuclear Blast begonnen. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir noch keine Vorstellung von unserer Labelzukunft, und ehrlich gesagt haben wir daran auch keinen Gedanken verschwendet. Wir konnten uns vollkommen auf die Songs und die Musik konzentrieren, was dem Album, glaube ich, sehr gut getan hat. Die Entscheidung, eine Partnerschaft mit Four einzugehen und das Ganze in relativer Unabhängigkeit zu machen, kam erst, als der größte Teil des Albums schon fertig geschrieben war.
Meiner Meinung nach klingt ihr auf dem neuen Werk so abwechslungsreich und vielschichtig wie nie...
Ich sehe das genau so wie du. Es war für uns sehr wichtig, dieses Album zu schreiben und es ist in einer Phase entstanden, in der sich für uns Vieles verändert hat, und zwar zum Besseren. Wir waren beim Songwriting sehr befreit, denn wir mussten uns einfach nicht mit Label- oder Businessfragen beschäftigen. Andererseits war der Arbeitsprozess aber auch extrem konzentriert. Bei diesem Album haben zum ersten Mal Basti und ich so gut wie alle Songs alleine geschrieben, haben Demos gemacht und das Material immer wieder ausgebessert, anstatt mit der kompletten Band im Proberaum herum zu probieren.
Der erste Song fällt extrem RAMMSTEIN-lastig aus, wie auch manche Melodien an anderen Stellen des Albums. Wie kam es dazu?
RAMMSTEIN ist eine großartige Band, die wir mehr als schätzen, deshalb gibt es für uns weitaus Schlimmeres, als mit ihnen verglichen zu werden. Aber mal ehrlich: Wenn man sich genauer mit uns auseinandersetzt, wird man schnell zu dem Schluss kommen, dass die Parallelen beider Bands, von den deutschen Texten mal abgesehen, eher spärlich sind.
Auch bezüglich der Texte könnte man sagen, dass man bei euch sehr viel zwischen den Zeilen lesen muss...
Ich versuche mal, so gut wie möglich für Basti zu antworten, der ja bei uns hauptverantwortlich für die Texte ist. Wir behandeln darin Themen, die uns bewegen, und mit denen wir uns auseinandersetzen. Sie sind für uns genauso künstlerischer und emotionaler Bestandteil unseres Schaffens wie die Musik, und das bedeutet, dass wir einen gewissen künstlerischen Anspruch daran stellen. Es ist ja aber auch nicht so, als wären unsere Lyrics extrem kryptisch oder chiffriert.
Der Song "Porn from Spain 2" mit Sebastian von MADSEN, Mille von KREATOR und Nico von K.I.Z. – wie kam es zu der Zusammenarbeit zwischen diesen doch sehr unterschiedlichen Musikern?
Wir hatten einfach Bock, nach dem ersten „Porn from Spain“, auf dem ja bereits Nico von K.I.Z. zu hören war, nochmal eine solche Nummer zu machen und wollten die Zusammenarbeit diesmal auch unbedingt auf die kompletten K.I.Z. ausweiten. Also haben wir sie einfach gefragt und sie fanden es cool. Mit Mille hatten wir auch schon länger Kontakt, wir hatten uns schon öfter mit ihm darüber unterhalten, dass er ein Feature auf einem unserer Songs macht. Also haben wir uns gedacht, wenn schon eine Crossover-Nummer machen, dann mit K.I.Z. und Mille zusammen auf einem Track – und weil wir noch ein Feature von jemandem wollten, den man eigentlich nicht auf unserem Album erwarten würde, hat unser Produzent, der auch schon mehrmals mit MADSEN zusammengearbeitet hat, Sebastian vorgeschlagen. Auch das war sehr unkompliziert, wir haben ihn angerufen, ihm hat die Idee gefallen, dann haben wir ihm die Spuren geschickt, er hat in seinem Studio darüber geschrien und fertig war der Song. Manchmal kann alles so einfach sein. Aber man muss dazu auch sagen, dass Sebastian, den wir als einzigen vorher nicht persönlich kannten, ein extrem netter und cooler Typ ist. Wie beim letzten Mal haben wir den Song geschrieben und den anderen Künstlern ihren Part selbst überlassen.
Erwartet uns beim nächsten Album dann „Porn from Spain 3“ mit anderen Künstlern?
Joa, schaumamal. Man kann nicht komplett ausschließen, dass wir nochmal etwas in die Richtung machen, aber das ist momentan kein Thema für uns. Wenn, dann muss es den vorangegangenen Titel ja auch wirklich nochmal toppen können.
Ich bin gespannt. Was soll der Titel „Blitzkreuz“ aussagen?
"Blitzkreuz" ist ein sehr wichtiges Album für uns, es markiert einen Neuanfang und ist eigentlich als Befreiungsschlag entstanden. In der Zeit, bevor und während wir an dem Album gearbeitet haben, haben sich für uns sehr viele Dinge zum Positiven verändert – auch wenn die Umstände, die dazu geführt haben, nicht immer einfach waren. Dieser grundlegende Neubeginn sollte sich im Albumtitel widerspiegeln. Das Blitzkreuz ist unser Logo, das ja auch schon auf unserem Vorgängeralbum „Videodrom“ zu sehen war, und wird von uns eigentlich synonym für CALLEJON verwendet. Ursprünglich hatten wir eigentlich vor, das Album einfach „Callejon“ zu betiteln, aber der jetzige Titel erschien uns einfach einprägsamer – das Blitzkreuz steht für die Essenz aller Inhalte, die CALLEJON transportieren.
Man mag mittlerweile denken, kein CALLEJON-Album ohne Ballade. Diesmal mit dem beinah kitschig wirkenden Titel „Meine Liebe“. Was steckt dahinter?
Alle Songs, die auf dem neuen Album stehen, sind aus der Entwicklung heraus entstanden, die diese Band gemacht hat. Wir haben nicht auf Radiotauglichkeit oder sonst irgendwas hingearbeitet. Unsere Maxime ist es immer, Songs zu schreiben, die wir selber als Musikfans hören wollen würden. Abgesehen davon waren wir ja auch nie eine Band, die immer nur straight Deathmetal-Vocals benutzt hat, und (halb-)akustische Songs oder Balladen, wenn man es so nennen möchte, gab es ja auch schon auf früheren Alben, wie du richtig bemerkt hast. Bei „Meine Liebe“ geht es eigentlich gar nicht um eine zwischenmenschliche Beziehung, sondern um eine tiefliegende Sehnsucht, ein Motiv der Romantik (der kulturgeschichtlichen Epoche, nicht der heutigen Verwendung des Wortes), die den Bruch zwischen Feflexion und Emotion beschreibt.
Was rotiert bei Euch/Dir momentan neben Metalzeugs im Player?
Wir hören ehrlich gesagt sehr viele andere Genres, von Hiphop über Elektro bis Wave ist da eine Menge dabei, allerdings sind wir trotzdem recht wählerisch. Seit ein paar Tagen höre ich ziemlich viel Trash Talk und habe in dem Zuge auch wieder FROM ASHES RISE, TRAGEDY etc. auf den Ohren.
Was würdest Du im Moment musikalisch empfehlen, egal aus welchem musikalischen Bereich?
Ich würde empfehlen, sich ohne Scheuklappen und Ressentiments mit Musik auseinanderzusetzen und dann zu entscheiden, ob man etwas geil oder scheiße findet. Da draußen ist unter Garantie noch eine Menge geiles Zeug, das noch kaum jemand gehört hat.
Welche Worte wollt ihr den Lesern noch mit auf den Weg geben?
Vielen Dank für das Interview, kommt bei unserer Tour im Herbst vorbei!
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Arne
Stile: Postcore, Deathmetal, Sludge, Hardcore
Bands: Machine Head, Kylesa, Ryker's, Lionheart, Johnny Cash, Cult of Luna, The Ocean, Deserted Fear, TLUF