Geschrieben von Sonntag, 17 Februar 2008 20:26

Beyond the yoid - Interview mit Daniel Pharos





Link: http://www.beyondthevoid.de

 
BYE: Hallo Daniel - schön, daß du die Zeit gefunden hast, dich mit mir kurz zu unterhalten! Euer neues Album „I Am Your Ruin“ hat bei uns ja sagenhafte 8,5 von 10 Punkten eingefahren. Wie groß sind die Erwartungen, die ihr in dieses Werk steckt?
Daniel: Hmm. Wir geben immer alles. Alles was wir haben. Aber ehrlich, wenn du fünf Monate an so einem Album rumdokterst, bist du so nah dran, dass du den Überblick verlierst. Du weißt nicht mehr objektiv was du da tust, du kennst den Kram zu gut. Deswegen gehen wir da ganz relaxt d'ran. Da geht man so wie heute in den Zeitungsladen und nimmt sich Orkus, Sonic Seducer und Zillo mit und blättert gespannt in der S-Bahn, was sie so schreiben. Ganz schöner Nervenkitzel!
BYE:
Verständlich, steckt ja jede Menge Herzblut drin.
Daniel:
Wohl wahr.
BYE:
Magst du etwas zum Label-Wechsel zu Fear Section erzählen? Wie kommt es zur Konspiration mit Chris Pohl? Er ist ja sonst eher elektronisch unterwegs!
Daniel:
Dazu eine kleine Randnotiz: Er nimmt gerade TERMINAL CHOICE auf und rockt sich einen ab. Bei den Vertragsverhandlungen hat er uns gesteckt, dass er eine Schwäche für böse Gitarren hat, und da dreht er jetzt richtig auf. Haben wir ihn inspiriert? [kichert] Nun, unser Debüt erschien ja auf dem Label von Artur Silber, Chef vom Downtown Studio, wo wir die erste CD aufgenommen haben. Super Starthilfe!! Aber er hat nicht genug Zeit, uns so zu pushen, wie er es gern hätte, und wir sind ja auch immer rastlos. Also haben wir ein paar Voraufnahmen aufgenommen zum neuen Album, sind an ein paar Labels herangetreten und Fear Section bekam den Zuschlag. Der Kaffee war einfach am besten dort ...
BYE:
Nur der Kaffee ?
Daniel:
Und die Bedienung! [lacht] ... Weißt du, wenn man wie ich fünf Tassen Kaffee am Tag trinkt, fängt dieser an das Hirn zu übernehmen, und in Entscheidungen einzugreifen.
BYE:
Ihr schreibt in der Platten-Info, dass ihr vier autarke Songwriter in der Band habt. Wie darf man sich da die Entstehung neuer Songs vorstellen? Bringt einer den Löwenanteil, oder wird darauf geachtet, dass von jedem der vier etwas aufs Album kommt, oder werden auch im Proberaum dann Ideen zu einer neuen verschmolzen?
Daniel:
Das sieht so aus: Dominik (Git), Martin (Git), Rudi (Keys) und ich (Gesang) schreiben viele Songs und haben auch alle vier einmal den Hauptsongwriter für andere Bands gemacht. Ergo hoher Output, und daher auch Auslese. Meist nehmen wir vier unsere Songs für uns daheim auf und stellen die dann vor. Die Band als Jury zerpflückt die zerbrechlichen Babies und bewertet jeder für sich , und die Höchstplazierten kommen weiter. Manchmal haben wir keine Zeit zum Aufnehmen oder schütten wie der Dominik Kaffee über unsere Anlage [da ist sie wieder, die braune Gefahr], und dann wird auch im Proberaum mal vorgestellt. Aber dann ist es auch schon vorbei mit dem verkopften Prozess, denn dann springt die BTV-Maschinerie an und alle sechs machen sich an die Umsetzung, und das geht oft unvorhergesehene Wege.
BYE:
Gibt es keine Allüren, wenn jemand von seiner Idee überzeugt ist und die anderen diese ablehnen?
Daniel
: Doch! Ganz viel "aua". Da muss man durch. Nur so kommt man irgendwo hin. Ich meine, bei Album eins und zwei zusammen sind 30 Songs rausgeflogen! Die liegen irgendwo 'rum, vergammeln. Aber so muss das sein, ich bin immer wieder enttäuscht, wenn ich bei manchen Bands nach den Hits die Füller finde, auf CD oder live. Ich denke, man muss tun, was man kann, um Qualität zu bieten. Wir möchten viele Leute erreichen mit unserer Musik, und da ist es nur gerecht, wenn wir uns mächtig den Poppes aufreissen für Euch da draußen.
BYE:
Nach welchen Kriterien entscheidet ihr, welche Songs es letzen Endes aufs Album schaffen ? Laut Info habt ihr ja mehr als die Hälfte von 25 Songs in die Schublade gelegt. 

Daniel: Ja eben, jeder hält sein günstig aus Turmspringen-Restbeständen ergattertes Punkteschild hoch, und die Top 12 oder was kommt durch. Natürlich wird auch hingeguckt, sonst hast du zwölf Balladen oder so einen Mist. Und das will niemand. Sprich: Feeling, Stimmung, Tempo spielt auch alles eine Rolle. Aber die Top 5 bestimmt wo's langgeht, die Hoffnungsträger ziehen die anderen mit.
BYE:
Wird dieses Material noch in einer Veröffentlichung Verwendung finden?
Daniel:
Hmm. Manche werden aufgebockt, neu frisiert und probieren's nochmal. Vielleicht ist irgendwann die Zeit reif? Aus einem hab' ich mal einen WORSHIP-Song gemacht, das ist ein Doom Metal Projekt von mir und Martin. Manchmal pflückt man sich auch passende Teile 'raus. Aber die meisten verenden irgendwo.
BYE:
Ihr habt auch schon Ideen für ein weiteres Album, touren wollt ihr auch und Festivals spielen. Kommt ihr da nicht gewaltig in Streß? Wie verbindet ihr soviel Bandarbeit mit dem „Rest“ des Lebens?
Daniel:
Keine Ahnung. Frag' ich mich immer noch. Du weißt, wie ich meine Stunde zwischen Arbeit und Bandprobe heute verbringe - Interview und Suppe essen. Also die Tour hat diesmal gelitten, wir haben solange den Löffel weitergeschmissen, frei nach "Du bist" bis da kein Bandmitglied mehr stand, jetzt liegt er am Boden rum. Wir sammeln uns neu und probieren's später dieses Jahr mit mehr Aufmerksamkeit. Schuld war nicht nur Album, sondern das massive Festivalbewerbe heuer. Festivals haben uns sehr gefallen die letzten zwei Jahre, also haben wir da unsere Anstrengungen ungefähr verfünffacht. Zeit für andere Hobbies bleibt da eigentlich wenig.
BYE:
Das neue Album ist ja nun sehr gut; seht ihr euch jetzt in Zugzwang, beim Dritten noch eine Kelle draufzulegen, oder wollt ihr zunächst versuchen, den hohen Standard zu halten? Wie ist also die Erwartungshaltung an euch selbst?
Daniel:
Hehe. Das höre ich sehr gern. Ich selber kann's ja nicht mehr richtig beurteilen. Ist sowas wie "Sag mal, sieht deine Freundin eigentlich gut aus?" Nun, ich bin schon gedanklich total bei Album drei, erstes Meeting dazu hatten wir, Konzept steht im Ansatz und 16 Pitch-Songs, sprich vorgeschlagene Songs, haben wir bereits. Sehr geile Sachen, finde ich jetzt. Aber um vom Album Nummer drei zu reden, ist es wohl echt noch zu halbgar. Eins ist klar, wir hängen uns rein und versuchen die Zeit bis dahin möglichst kurz zu machen, wir sind gerad' voll in Fahrt.
BYE:
Neues Album, Tour, Videodreh - habt ihr manchmal die Befürchtung, dass das geliebte Musikmachen irgendwann mal „nur“ ein Job sein wird?
Daniel:
Alles nicht so schlimm, wie es klingt. Noch bewirft man uns nicht mit Konzerten, und unsere Videodrehs sind auch noch im bezahlbaren Rahmen. Wir sind mehr so Künstlertypen, irgendwie genug Geld 'ranschaffen, um alles in die Band zu ballern. Wenn ich mich wirklich mal 100 Prozent auf Musik konzentrieren könnte - das wäre ein Traum. Natürlich hat man dann ein riesen Publikum, aber ich bin nicht der Meinung "Erfolg gleich Müll". Ehrlich gesagt hätte ich gerne irgendwann dieses Leben, dass Musik zum Job wird. Aber da reicht Hingabe und Eifer nicht, da ist auch ganz viel Glück dabei, und die Leute müssen auch noch das mögen und kaufen, was man macht.
BYE:
Wo siehst du euch in fünf Jahren?
Daniel:
Uff. Keine Ahnung. Theoretisch fünf Alben weiter. Das heißt Album Nummer sieben. Ich denke, da kann man davon ausgehen, dass die diversen Labels, die uns jetzt nur mit einem Auge beobachten, vielleicht genug Mut anhäufen, um sich zu trauen, mit uns zusammenzuarbeiten. Das ist das Ding, das Musikbusiness hat ziemlich Schiss, plötzlich ist alles so riskant. Die Struktur verschiebt sich, der Prozess "Herstellung von Musik" und "Konsum von Musik" wird immer mehr entkoppelt, die Verbraucher haben das Empfinden, dass es egal ist, ob ich zahle oder nicht für eine CD. Egal: Zu deiner Frage - wenn wir fünf Jahre Gas geben, können wir schon etwas Ordentliches erreichen.
BYE:
“Reality won’t do I live inside a dream!“ Ist das ein Leitmotiv, seid ihr also Träumer oder doch eher Realisten ?
Daniel:
Realität wird überschätzt. Viele Leute sind zu sehr damit beschäftigt, alles am Laufen zu halten, auf eine imaginäre Rente hinzuarbeiten ohne zu merken, dass sie dann zu alt sind, um durch Ausgeben der Ersparnisse noch Spaß zu empfinden. Musiker sein ist wie ein Traum, zum Beispiel sitz' ich bei der Arbeit und bastel' im Geiste an einem Song von mir, irgendwie funktioniert Musik irgendwo neben der Welt, denn einem ernsthaften Zweck außer zur Zerstreuung dient sie nicht. Aber für mich ist sie gerade deswegen irgendwie interessant und mehr Lebenssinn als vieles andere.
BYE:
Ihr habt zusammengenommen mehr als 90 Jahre Musikerfahrung. Magst du kurz etwas zu euren musikalischen Werdegängen etwas sagen? Wart ihr schon immer in der rockenden Gothszene unterwegs oder gibt es Kapitel, die gänzlich anders sind?
Daniel:
Ok... Kurz umrissen: Ich mach' seit ca. zwölf Jahren Musik und hab' eigentlich mit Metal angefangen, Dominik spielt Gitarre seit er zehn ist, und ist gerade am Ende seines Musikstudiums, mit Martin hatte ich damals meine erste Band und das Ganze mit der Musik war seine Idee. Rudi spielt seit er fünf ist oder so Klavier und ist auch Konzertpianist, Uli kann sowieso irgendwie alles, aber seine Steckenpferde sind Bass und Geige, letzteres auch im Orchester. Benny studiert schon ziemlich lang' Schlagzeug und das ist auch sein Lebensinhalt, hat mit den SCHANDMAUL-Leuten bei WETO gespielt oder Session-Sachen wie bei der Rockband YES. Du siehst, bei sechs Leuten artet das ganz schön aus. Fakt ist, wir kommen aus diversen Ecken der Musik, haben viel probiert, gerade deswegen wird da Musik gemacht bei uns und nicht einfach irgendwo abgepaust. Wir haben uns in der Mitte getroffen, in der düsteren, traurigen, rockigen Zone, da diese unsere Mitte darstellt.
BYE:
Wie würdest du jemandem, der absolut „szenefremd“ ist, eure Musik schmackhaft machen?
Daniel:
Mach' ich ständig. Nach diversen Bands und Projekten bin ich jetzt mal wo angekommen, wo man sich nicht schämen muss. Musik ist ja etwas Universelles, und wenn es nicht nur Ritual ist eines bestimmten Genres, was nur eine Handvoll Leute nachvollziehen kann, sondern einfach irgendwie coole Musik, dann versteht man das auch. Schmackhaft mache ich die Musik einfach so: CD in die Hand drücken, "hör's dir an", und da kommt aus den unerwartetsten Ecken positives Feedback zurück. Der Nachteil: Plötzlich stehen auch meine Verwandten d'rauf. [lacht] Das war's dann mit dem Rebellentum.
BYE:
Kommen wir zum Ende. Hast du ein paar letzte Worte, die du unseren Lesern mit auf den Weg geben möchtest?
Daniel:
Wenn ihr Musik mögt, besonders von Bands, die noch keine goldverkleidete Unterwäsche anhaben, dann geht mal in einen Laden und hört mal in die CDs rein und kauft Euch mal eine CD. Nur so bleibt der Ball am Rollen. [lacht] Wenn schon, dann nur CDs brennen lassen von Bands, die ihr doof findet (wenn ihr genau hinguckt, steht da zwischen den Zeilen: Beyond The Void - A Am Your Ruin, ab 24.02.2006 im Laden). [lacht]
BYE:
So, das war es auch schon. Danke für deine Zeit und dieses Interview!
Daniel:
Ich habe zu danken!