Geschrieben von Freitag, 20 April 2007 11:15

Dark Tranquillity - Interview mit Frontmann Mikael Stanne zum Album "Fiction"

mikael

„Fiction“ von Dark Tranquillity liegt seit dieser Woche in den europäischen Plattenläden. Vorab luden Century Media interessierte Medienvertreter in die Headquarters in Dortmund ein, um Interviews mit der Band zu führen. Auch BurnYourEars.de ließ sich diese Gelegenheit nicht entgehen und fühlte einem sehr gut aufgelegten Frontmann Mikael Stanne über die neue CD und die folgenden Pläne auf den Zahn – umgeben von einem Schutzwall aus Gummibärchentüten und Wasserflaschen.

Hallo Mikael. Wie geht es dir jetzt gerade?

Hi. Jetzt gerade geht es mir sehr gut. Ich bin bloß ein bisschen müde, denn seit gestern führe ich „tonnenweise“ Interviews und muss über mich selber erzählen. Das ist nicht immer lustig, aber mir geht es noch gut. So wird es jetzt noch zwei Tage lang weiter gehen und ich denke, die armen Leute, die mich gegen Ende der Promo-Tage interviewen, werden die kürzere Version von mir erhalten. (lacht)

Dann habe ich ja Glück! Ende
April wird "Ficiton" released. Was denkst du über Euer neues Album?

Also was mir, in erster Linie, wirklich gut gefällt, ist, dass es wirklich früh auf den Mark kommt. Von dem Zeitpunkt als wir anfingen es zu schreiben bis jetzt war alles wirklich entspannt und einfach. Für uns ist der ganze Aufnahmeprozess immer noch eine große Sache, und wir verbringen sehr viel Zeit damit. Für dieses Album haben wir uns entschieden, alle Songs sehr unterschiedlich zu halten und nicht ein ganzen Album über den gleichen Song im gleichen Muster zu spielen. Und ich finde, das ist uns gut gelungen. Wenn ich mir „Fiction“ selber anhöre, dann freue ich mich, wie großartig es klingt. Dieses Mal hat jemand anderes bei der Produktion und beim Abmischen mitgewirkt, und ich finde, wir haben niemals so gut geklungen. Ich bin wirklich sehr zufrieden – ich liebe es.

Was kannst Du mir über das Songwriting und die Produktion erzählen. Wie lange hat Ihr beispielweise gebraucht?


Hmmm. Wir haben acht oder neun Monate gebraucht, um die Songs zu schreiben. Wir fangen mit kleinen Strukturen an, schreiben daraus unsere Songs und nehmen dann Demos von diesen Songs auf. Dann hören wir uns die ganze Chose an und denken „Hmmmmm, dieses und jenes muss anders gemacht werden“ und packen alles um. Wenn es beim ersten Versuch nicht klappt, gehen wir zum nächsten Sück über und versuchen es später erneut. Es ist ein wirklich langer und harter Weg, den Mist, den man selber verzapft hat, auszusortieren und die wirklich guten Sachen zum „Leuchten“ zu bringen. Deswegen verbringen wir eine Menge Zeit mit den Proben, um einfach alles perfekt vorzubereiten. Aber bei uns hat wirklich jeder etwas zu sagen, und wir tragen alle mit eigenen Ideen zum Gelingen der Platte mit bei. Wenn der Song an sich dann so gut wie fertig ist, fange ich an, die Lyrics dafür zu schreiben und meinen Gesang auszuarbeiten.

Das wirft dann die Frage nach den Lyrics auf...


Ich wollte sie ebenso unterschiedlich wie die einzelnen Songs gestalten und wie etwas Außenstehendes, also nicht wie den Teil eines Konzeptes darstellen. Außerdem wollte ich nicht, dass die Texte so persönlich werden, wie sie vielleicht auf vorhergehenden Alben sind. Vielmehr habe ich versucht, über eine übertriebene Version von mir selbst zu schreiben. In einem Song wollte ich zum Beispiel über die Ängste eines Heranwachsenden bezüglich der Verantwortung schreiben. Anstatt über mich selber zu schreiben, schrieb ich über jemanden, der der unverantwortlichste und angsterfüllteste Mensch der Welt ist. Für mich war es befreiend, nicht über mich selbst, sondern über allgemein orientierte Beziehungen und Probleme zu schreiben. Ich habe auch selber viel dabei gelernt, die Lyrics so zu formulieren. Auf „Fiction“ sind eine Menge solcher Themen vorhanden und ich hoffe, die Leute, die sich „Fiction“ anhören, können Aspekte entdecken, aber falls dem nicht so sein sollte, kann ich da auch nichts für. (schmunzelt)

Ist euch während der Aufnahme etwas Unerwartetes passiert oder ist alles nach Plan verlaufen?

(schnauft) Wir erwarten eigentlich immer das Unerwartete. Mittlerweile wissen wir, dass die Dinge immer ein wenig aus dem Ruder laufen. Seitdem wir uns auf so etwas vorbereiten, trifft es uns nicht mehr so schwer. Aber wir nehmen uns so viel Zeit die Songs zu schreiben, dass wir und hinterher fragen, wo wir die Songs aufnehmen wollen und wer das Ganze abmischen soll. Also haben wir anschließend mit Tue Madsen gesprochen und er war mehr als gewillt, diese Arbeit zu übernehmen.

Dieses Mal habt Ihr mit einem neuen Produzenten zusammen gearbeitet?


Na ja, ich würde nicht wirklich „Produzent“ sagen. Jedermann hat eine bestimmte Auffassung von dem, was ein Produzent wirklich macht. Wir haben nie wirklich einen Produzenten gebraucht. Tue Madsen hat uns sehr beim Engineering der Songs geholfen, aber eigentlich ist jeder Song, den wir mit ins Studio bringen, kompositorisch bereits vollendet. Tue hat insofern einfach alles sehr gut abgemischt und das Beste aus unserem Sound heraus geholt.

Wie findest du das Vorgänger-Album „Character“ und „Fiction“ im Vergleich?

I
ch denke, „Fiction“ ist vielseitiger. Ich denke, bei „Character“ waren wir noch ein wenig ängstlich. Wir wollte nicht, dass die Songs langweilig erscheinen und haben so viel wie möglich in die Songs „reingepackt“ – technisch, schnell und heavy. Wir haben damals nichts wirklich Herausragendes fabriziert. Das haben wir bei „Fiction“ probiert. Das ist, meiner Meinung nach, der Hauptunterschied.

Was denkst du über den derzeitigen Göteborg-Sound?


Wenn es einen solchen Sound gibt, dann denke ich, dass einige meiner Lieblingsbands und zugleich einige meiner besten Freunde aus dieser Stadt kommen. Aber dennoch denke ich, dass die bekannten Bands aus Göteborg nicht viel gemeinsam haben. Mal abgesehen davon, dass wir alle aus der gleichen Stadt kommen und eine Art extremer Musik spielen. Dennoch sind wir stolz darauf, etwas erschaffen zu haben, das die Leute als einflussreich und etwas Besonderes bezeichnen. Andererseits geht es mir manchmal ein bisschen auf den Pinsel, wenn man in eine fremde Stadt kommt und die Leute die Band gleichsetzen. Eigentlich sind wir alle als Freunde aufgewachsen und haben eine paar Bands gegründet. Das ist alles.

Also seid ihr mit einigen anderen Bands aus Göteborg befreundet?


Ja. Es ist eine kleine Stadt – Jeder kennt jeden.

Oh. Ich dachte immer, Göteborg sei etwas größer.

Nun ja. Es ist die zweitgrößte Stadt in Schweden. Aber so wirklich groß ist es nicht.

Tauscht ihr innerhalb der Bands musikalische Ideen aus?


Nein, das würde ich nicht sagen. Allerdings haben wir uns, als wir allesamt anfingen Musik zu machen, gegenseitig beeinflusst oder zumindest inspiriert. Jedesmal, wenn ich damals zu einer Show von GROTESQUE ging, war ich von ihnen inspiriert und hatte den Ansporn, mindestens genau so gut zu spielen und zu performen. Bei anderen Bands, wie beispielsweise TIAMAT, dachte ich mir, es wäre cool ein bisschen an deren Qualität heranzukommen. Es war einfach pure Inspiration, aber beeinflusst haben sie mich nicht wirklich.

Wen würdest du denn als deine oder vielmehr euere Haupteinflüsse oder Inpirationsquellen benennen?


Also, als wir mit DARK TRANQUILLITY anfingen, war für mich definitiv Mille Petroza eine große Inspirationsquelle.

Oh, dann muss es ja für euch toll gewesen sein, 2005 mit KREATOR on the road zu gehen?


(grinst und nickt heftig) Aber sicher doch. Es war einfach super.

Dann erzähle mir doch ein bisschen was über die Zeit zwischen „Character“ und „Fiction“.


Ja, zum einen war da halt die großartige Tour mit KREATOR. Hmmm, was haben wir noch gemacht? Dann waren wir zusammen mit SOILWORK in Amerika auf Tour, und dann spielten wir auf zwei Festivals. Anschließend waren wir einmal in Amerika auf Tour, dieses Mal mit OPETH, Devin Townsend und einigen anderen Bands. Vor einiger Zeit waren wir dann noch in Australien und haben einige Gigs in Japan und Korea gespielt, was einfach fantastisch war. Eine verhältnismäßig große Tour in Süd-Amerika folgte. Dann haben wir angefangen, uns Gedanken über das neue Album zu machen und uns entschlossen, uns für einige Zeit zurückzuziehen und uns komplett auf „Fiction“ zu konzentrieren.

Nach den Promotagen werdet ihr wieder auf Tour gehen. Ein weiteres Mal in Nordamerika und zusammen mit THE HAUNTED und INTO ETERNITY. Hast du irgendwelche Erwartungen?


Nun ja. Irgendwie ist es sonderbar, dass wir schon wieder auf Tour gehen, noch bevor die neue Platte in den Läden stehen wird. Aber hoffentlich werden die Leute ein paar von den Songs kennen. Denn immerhin promoten wir diese fleißig über unsere Website. Es wird einfach großartig werden, mit THE HAUNTED zu touren, denn sie sind seit unseren Anfangszeiten wirklich gute Freunde von uns, aber irgendwie haben wir es bis jetzt noch nicht geschafft, zusammen auf Tour zu gehen. Die Leute von INTO ETERNITY habe ich ein paar Mal getroffen, ich bin mir sicher, mit ihnen wird es auch ziemlich cool werden. Da ist ein wirklich cooles Package unterwegs. THE HAUNTED und wir werden jeweils ähnlich lange Setlängen haben und uns mit der Position des Headliners abwechseln.

Außer für das Bang Your Head-Festival in Balingen hab ich, bis jetzt, keine weiteren Daten für Europa gefunden. Gibt es desbezüglich schon konkrete Pläne?

Ja, die gibt es. Das Summer Breeze in Deutschland, das Hellfest in Frankreich, das Sweden Rock ist in Reichweite, ein weiteres Festival in Schweden werden wir besuchen und das Gods Of Metal in Italien. Und noch einige andere, aber das steht noch nicht fest. Es gibt noch einige Optionen, über die wir nachdenken, aber definitiv werden wir dieses Jahr auf sehr vielen Festivals zu sehen sein.

Und vielleicht eine Headliner-Tour durch die Clubs im Herbst?


Ja, das ist unser nächster Plan. Wir haben noch nicht entschieden, was wir genau wo machen werden, aber mit ziemlich großer Sicherheit werden wir im September erwas machen. Ich freue mich schon drauf.

Ich mich auch. Wieviel Zeit habt ihr in den letzten Jahren auf Touren, in Clubs oder auf Festivals verbracht?


Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke, pro Jahr waren das bestimmt sechs bis sieben Monate allein für „Character“. Mir persönlich kommt es vor, als wäre es mehr gewesen, aber laut meines Kalenders war es ungefähr die Zeit. Wir verbringen aber auch ungefähr dieselbe Zeit zu Hause bei unseren Familien, sodass wir das Glück haben, ein normales Familienleben mit dem verrückten Leben auf Tour zu verbinden.

Gefällt dir das Leben auf Tour?


Ja, wirklich sehr gut. Es ist einfach großartig. Es kann wirklich hart sein, denn es ist wirklich viel Arbeit, Stress und Aufregung, denn man muss wirklich bis an seine Grenzen performen. Und das jeden Abend. Das ist wirklich hart. Kein Schlaf, nur Party, nicht wohlriechende Bandkollegen und ein Bandbus, in dem es aussieht, wie bei Hempels unterm Sofa. All so Zeug (grinst). Aber dennoch liebe ich es, denn wir haben immer eine sehr gute Zeit zusammen.

Du hast mir gerade erzählt, dass ihr während der letzten zwei Jahre einmal um die Welt gereist seid. Hast du Unterschiede zwischen den einzelnen Nationalitäten feststellen können?


Oh ja. Allein zwischen Japan, Europa und Amerika gibt es so weitreichende Unterschiede. Die Zuschauer in Südamerika und Japan sind total anders, wenn man sie mit Fans aus jedem anderen Teil der Welt vergleicht. Herzlich, leidenschaftlich und einfach nur richtig cool. In Südamerika drehen die Leute richtig am Rad, wenn wir auf der Bühne stehen. Das habe ich noch nie erlebt. Als wir in Venezuela gespielt haben, haben die Leute die Bühne gestürmt und 40 bis 50 Polizisten haben eine menschliche Barrikade bilden müssen! Und sie hatten ihre Mühe damit, die Leute von der Bühne fern zu halten. Das war einfach nur wahnsinnig! Da wollten sie die Show bereits nach einem Song abbrechen, weil sie es für gefährlich hielten, aber wir sind für die Show bis nach Venezuela gereist, und somit wollten wir auch weiter spielen – und das konnten wir auch durchsetzen. Die Show war zwar etwas beängstigend aber auch irgendwie ziemlich lustig. Ich werde wohl nie vergessen, wie wir, von Polizisten umringt, den Veranstaltungsort verlassen haben. (schmunzelt) Generell sind die verschiedenen Touren sehr interessant – man trifft eine Menge verrückter Menschen. Aber auch innerhalb von Europa ist es wirklich unterschiedlich – die Deutschen unterscheiden sich immens von den Spaniern oder Italienern. Die Schweden kann man mit den Norwegern oder den Finnen nicht vergleichen. Das ist einer der Vorzüge der verschiedenen Touren.

Wie verbringt ihr denn einen freien Tag auf einer Tour?


Oh, ein freier Tag auf der Tour ist das Schlimmste für mich. Man ist so an den Adrenalinrausch gewöhnt, der einen heimsucht, wenn man auf die Bühne geht, und man wird regelrecht süchtig danach. Und wenn man diesen „Rausch“ dann nicht kriegt, dann ist das einfach fürchterlich.
Man hat eigentlich nichts zu tun. In Amerika verbringen wir so einen Tag mit Reisen, denn gerade dort sind die Entfernungen zwischen den Shows wirklich groß. Also verbringen wir dort diese Tag auf diese Weise, und ich hasse es, sich einfach in irgendeiner Bar zu betrinken. Ich will einfach jeden einzelnen Tag auf der Bühne stehen.

Und wenn ihr wo anders seid? Schaut ihr euch vielleicht die Städte an?


Ja, sicherlich, aber wirklich schlimm ist es, wenn wir zwischen den Shows in Städten Station machen, wo es wirklich gar nichts gibt, und das ist meistens der Fall. In den letzten Jahren hatten wir einen wirklich guten freien Tag, und den haben wir in Las Vegas verbracht, als wir von L.A. aus abgereist sind. Dort war es verdammt cool.

Mit wem würdet ihr in Zukunft gerne auf Tour gehen?


Oh je, das weiß ich nicht – da gibt es so viele Bands, mit denen ich gerne auf Tour gehen würde. Aber ich gehe sehr gerne mit befreundeten Bands auf Tour, und die haben wir, wie ich bereits gesagt habe. Also einfach Leute, die man kennt, mit denen Spaß haben kann und auch mal ein Bier trinkt.
Mir ist es ziemlich egal, welche Art von Musik diese Band spielt, solange die Leute cool sind. Aber wenn es zugleich eine Band ist, die ich mir privat auch gerne anschaue, dann ist es doch zugleich noch ein Bonus. (grinst) Auf den Festivals haben wir zum Beispiel die Gelegenheit, mit unseren absoluten Lieblingsbands auf der gleichen Bühne zu stehen, und das ist wirklich großartig.

Welches sind denn deine / eure Lieblingsbands?


Zu meinen Lieblingsbands, die ich diesen Sommer live sehen werde, gehören HEAVEN & HELL, für die ich wirklich sterben würde, in Italien werden wir zusammen mit DREAM THEATER auf der Bühne stehen, JORN werde ich mir auf jeden Fall ansehen, auf NAGLFAR und auch auf BLIND GUARDIAN freue ich mich ebenfalls. Dieser Sommer wird einfach großartig.

Okay, dann war es das von meiner Seite, und ich bedanke mich bei Dir, dass Du Dir die Zeit genommen hast. Irgendwelche „last words“ für unsere Leser?


Ja, also ich kann es wirklich nicht mehr erwarten, euch alle im Sommer auf den Festivals und im September auf der Tour zu sehen! Vielen Dank für eure Unterstützung!