Geschrieben von Mittwoch, 17 Januar 2007 12:38

Tape - Interview mit der Band



TAPE veröffentlichen dieser Tage mit "#2" ihr zweites Album. Neue Sängerin, neues Label und neue Platte - da liegen die Fragen förmlich auf der Hand. Die Antworten kamen per E-Mail und halten mit Details zum Split mit Sängerin Dacia hinter dem Berg. Aber schließlich geht's in erster Linie ja auch um Musik, und was TAPE uns diesbezüglich preisgeben wollten, lest Ihr im folgenden Interview.

2003 wart Ihr mit Eurem Debüt "#1" und der Single "Yehaa" für kurze Zeit in aller Munde, als Rückbringer des Crossover mit NuMetal-Schlagseite. Danach wurde es ziemlich still um Euch, Sängerin Dacia stieg aus. Was waren die Gründe, was ist damals passiert? Man hörte auch von bösem Blut zwischen Dacia und dem Rest der Band ...

Der Split mit unserer ehemaligen Sängerin hatte vor allem musikalische Gründe. Wir kamen an einen Punkt, an dem wir feststellen mussten, dass unsere Vorstellungen immer weiter auseinander gingen. Als dann Peti dazu stieß, konnten wir viel mehr experimentieren und aufgrund ihrer stimmlichen Qualitäten Dinge umsetzen, die bis dahin nicht möglich waren.

(Anm.d.Red.: Dass hier nicht auf den u.a. rechtlichen Zoff eingegangen wird, der sich hinter den Kulissen abspielt, halte ich aus Perspektive der Band für sehr fair gegenüber allen Beteiligten. Dennoch hätte ich dazu gerne etwas mehr aus erster Hand erfahren ...)

2007 steht Ihr wieder auf der Matte mit einer neuen Sängerin, die nicht nur wie ihre Vorgängerin sehr energetisch und kraftvoll singen kann, sondern ebenso wie Dacia eine dunkelhäutige Schönheit ist... mehr als nur Zufall?

Es ist tatsächlich purer Zufall. Nach dem Split haben wir so ziemlich alle unsere Kontakte in Bewegung gesetzt, um eine neue Sängerin aufzuspüren, so auch unter anderem unsere Booking-Agentur. Unsere Bookerin Ayten hatte da noch eine Telefonnummer liegen, von jemandem, wo sie dachte, dass wohl nichts dabei herauskommen würde, aber man weiss ja nie... Also sprach Ayten der besagten Person auf den Anrufbeantworter, mit der Info, dass wir eine neue Sängerin suchen und ob ihr nicht jemand bekannt wäre... Am nächsten Tag saß diese Person beim Frühstück, hörte ihren Anrufbeantworter ab und richtete folgende Frage an ihr mitfrühstückendes Gegenüber: "A band called 'TAPE' - never heard of them - is looking for a new singer; do you know anybody?" Die Reaktion des mitfrühstückenden Gegenüber ist wie folgt überliefert: "WHAT!? I LOVE THAT BAND AND I WANT TO DO IT! GIVE ME THAT FUCKING PHONE NUMBER RIGHT NOW!" Kurze Zeit später klingelte das Telefon und Peti war dran...

Peti van der Velde singt (oder sang bisher) als Musicalsängerin bei "We Will Rock You" in Köln - ist sie nun festes TAPE-Mitglied, oder springt sie nur zeitweise ein, wenn sie gebraucht wird? Hat TAPE eigentlich Band-Charakter für Euch, oder ist es mehr ein Projekt auf Zeit? - Denn den Eindruck hatte ich nach dem ersten Album ein wenig.

Peti ist ein festes Mitglied, denn TAPE ist für uns alle weit mehr als nur irgendein Projekt; es ist eine Familie und unsere musikalische Heimat. Peti ist ein echter "Teamplayer" und war voll an der Entstehung von "#2" beteiligt und ist ein wichtiger Teil von uns geworden.

Ihr seid im Zuge von Umstrukturierungen bei East West Records auf das kleine Indie-Label Tiefdruck-Musik gewechselt und schreibt in Eurer Presse-Info: "[...] Gesellschaftskritik wie in "Suffocate" oder "Smile" hätten wir uns in der alten Konstellation nie getraut." Und weiter: "Wir haben über alles gesprochen und haben alles zusammen gemacht - von dem kleinsten Riff bis zur Melodie und den Texten, das war früher leider nicht möglich [...]." Warum nicht?

Im Zuge der neuen Konstellation hat sich natürlich auch unsere Vorgehensweise verändert. In einem neuen Team muss man sich erst einmal neu ordnen und die beste Arbeitsweise finden. Außerdem gab es viele Themen, die wir schon lange in Texten verarbeiten wollten, aber aus verschiedenen Gründen immer verschoben hatten. Mit dem neuen Album hatten wir die Chance, diese Themen anzugehen und uns von der Seele zu schreiben.

Euer Debüt klang relativ klinisch, und auch "#2" kommt sehr differenziert, auf den Punkt und ausbalanciert rüber - ich habe allerdings den Eindruck, dass da mehr Emotionalität zwischen den Zeilen steht, und auch der Übergang von tightem Riffing zu melodischen Parts ist homogener gelungen. Das Album klingt sehr "sauber", auf den ersten Blick einfach strukturiert, aber rockt letztlich umso mächtiger, auch weil es doch wesentlich mehr Details zu entdecken gibt, als man auf den ersten Eindruck wahrnimmt. - Typisch TAPE, wie ich nach der zweiten Platte jetzt sagen muss. War das Absicht im Sinne eines "Masterplans" oder das natürliche Ergebnis der Änderung im Bandgefüge und der verbesserten Umstände?

Das neue Album ist für uns alle eine extrem emotionale Platte. Es ist viel passiert und das ist alles in die Aufnahmen eingeflossen. Im Sommer vor den Recordings ist z.B. Gunnars Vater gestorben, was uns alle ziemlich umgehauen hat, denn sein Vater stand der Band sehr nah und war ein großartiger Mensch. Deshalb haben wir auch diesmal viel Wert darauf gelegt, die Platte "roher" klingen zu lassen. Das heißt, wir haben jeweils die Takes genommen, die am meisten gerockt haben, auch wenn z.B. die Gitarren mal nicht 100 Prozent  synchron waren. Dadurch hat für uns das Album wesentlich an Ausdruck gewonnen. Außerdem konnten wir beim Gesang dieses Mal auf viel Schnickschnack verzichtet, weil Petis Stimme den gar nicht braucht, was die ganze Sache auch noch eine ganze Ecke direkter gemacht hat.

Ihr schreibt, Ihr hättet großen Druck bei der Arbeit für "#2" verspürt. Zwar seid Ihr damals mit STONE SOUR und DISTURBED getourt und habt bei Rock Am Ring gespielt, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass TAPE damals wirklich den Durchbruch geschafft haben. Sehe ich das falsch, und die Erwartungen sind selbst nach Eurer Pause bei den Fans höher als gedacht?

Der Druck ist selbst auferlegt und kommt nicht von außen. Für uns geht es bei Musik um den Weg, nicht das Ziel. Wenn man glaubt angekommen zu sein, dann ist man bereits tot. Wir wollten mit "#2" ein neues Level erreichen und haben uns gegenseitig gepusht, um dorthin zu gelangen und um die Grenzen weiter zu stecken. Wir sind sehr selbstkritisch und es kann lange dauern, bis wir mit etwas zufrieden sind.

Ihr spielt nach wie vor einen Stil, der nicht gerade superpopulär ist, und der seinen Zenit nach Meinung vieler Musikfans eigentlich schon überstiegen hat. - Ich teile nicht die Meinung derjenigen, die Euch für einen NuMetal-Abklatsch oder eine Reißbrettband halten (der professionell-sterile Sound mag dazu seinen Teil beigetragen haben), aber ich denke, das neue Album wird genau diese Kritiker wieder auf den Plan rufen. Was sagt Ihr diesen Leuten, und worin seht Ihr selbst das Besondere an TAPE und der neuen Platte?

Wie sagte Armin Müller Stahl: "Feinde muss man sich verdienen". Aber im Ernst, wir können eh nicht beeinflussen, in welche Schublade man uns dieses Mal reinquetscht. Also kann es uns auch komplett egal sein. Wir kümmern uns beim Songwriting nicht darum, was andere davon halten könnten, denn wir machen Musik ja in allererster Linie für uns selbst. So lange wir zufrieden sind, ist alles in Ordnung. Wir freuen uns über positive Kritiken, haben aber auch kein Problem damit, wenn jemand die Platte schlecht findet. Schließlich machen wir keine "Konsensmusik" auf der Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Die neue Platte ist einfach ehrlich und authentisch.

Worum dreht sich "#2" textlich? Und wer war für die Texte verantwortlich?

Dieses Mal sind die Texte sehr persönlich geworden. In ihnen finden sich Enttäuschung, Lust, Wut aber auch großer Kampfeswille. Das drückt sich aus in Zeilen wie "Life can be a boot camp in a valley full of quick sand" oder auch "I won‘t spread my legs despite having a pillow on my face". Was das Schreiben der Texte angeht, so werden sie meist "im kleinen Kreis" vorbereitet und dann bei Bedarf nochmal gemeinsam überarbeitet. Denn ein Text muss ja auch musikalisch funktionieren. Manchmal hat man zwar einen großartigen Satz, aber die Worte klingen in Verbindung mit dem Song "unrund". Dann muss man halt noch mal ran. So sind wir am Ende gemeinsam für das Ergebnis verantwortlich und jeder kann sich mit den Lyrics identifizieren.

Was macht Ihr neben TAPE, und was habt Ihr eigentlich vor TAPE und in der Pause zwischen den beiden Alben gemacht?

Geld verdienen. Denn von der Musik kann außer Peti keiner von uns leben. In der "Pause" haben wir vor allem an unserem neuen Material gearbeitet und haben viel gemeinsam unternommen. Was Freunde halt so machen. Vor TAPE haben wir alle in unterschiedlichen Bands gespielt und unsere musikalischen Erfahrungen in den unterschiedlichsten Stilrichtungen gesammelt.

Welche Bands beeinflussen Euch, bzw. welche Musik dreht sich bei Euch privat?

Die Liste ist lang. Da wir alle keine musikalischen Scheuklappen tragen, unterscheiden wir nicht nach Stilrichtung, sondern nur zwischen gut und schlecht. Zu unseren momentanen Favoriten zählen die aktuelle DEFTONES, MY CHEMICAL ROMANCE und "Billy Talent II". Und wir sind schon sehr auf die neue METALLICA gespannt.

Wie sieht die nähere Zukunft für Euch aus, was ist geplant?

Wir hoffen, dass wir dieses Jahr wieder viel live unterwegs sein werden und dass es uns gelingt, im Ausland Fuß zu fassen und dort ein paar Shows zu spielen. Außerdem arbeiten wir bereits an "#3".

Der letzte Satz geht an Euch: Grüße, Aufrufe, Schmähungen - was immer Ihr wollt ...

Schmähungen sind nicht unser Stil. Aber wir sind vielen Leuten dankbar für ihre Unterstützung auch unter den widrigsten Umständen.

Chris

Als Kind der 90er liebe ich Grunge und Alternative Rock – meine bevorzugten Genres sind aber Death, Groove, Dark und Thrash Metal. Ich kann Musik und Künstler schwer voneinander trennen und halte Szene-Polizisten für das Letzte, was Musik braucht. Cool, dass Du vorbeischaust!