Geschrieben von Donnerstag, 03 Mai 2007 13:39

Bubonix - Interview mit der Band zum Album 'Please Devil, Send Me Golden Hair'

1994 gegründet, waren BUBONIX bisher im Hardcore zu Hause und scherten sich herzlich wenig um das Mediengeschäft, dessen Teil sie nicht sein wollten. DIY als Direktive, spielten sie in besetzten Häusern, verteilten ihre Texte auf Flyern vor Konzerten und führten letztlich auch mit ihrem neuen Label Diskussion darüber, inwieweit man sich in die Knechtschaft einer Plattenfirma begeben möchte, inwiefern Produzent Kurt Ebelhäuser der richtige Mann für den Sound ist, und ob man sich zur Medienhure macht, wenn das, was man zu sagen hat, nun auf breiterer Front und abseits vom Hardcore Gehör findet.

Genau diese Fragen wollten wir gerne von der Band selber geklärt wissen, also schickten wir den Jungs eine E-Mail. Lest im Folgenden die Antworten von Bassist Olei, Drummer Hermi und Multi-Instrumentalist/Sänger Nenad.

Bitte fasst Eure Bandgeschichte kurz mal zusammen für diejenigen, die vor der aktuellen Platte noch nie von Euch gehört haben.

Olei: Oh je, das ist ja schon über 13 Jahre her. Ich habe damals mit guten Freunden angefangen, eine Band auf die Beine zustellen. Gründe gab es wohl viele: Es gab da einen inneren Trieb sich auszudrücken, sich auszuprobieren und auszuflippen. Man entwächst dem Elternhaus und bekommt mit 16 bis17 Jahren das erste mal so richtig die Realität zu spüren, entdeckt neue Welten und fängt auch so langsam an, globale, politische und soziale Systeme zu verstehen. Klar, dass wir die Welt entdecken und Vieles auf dem kleinen Erdball verändern wollten.

Auf einer Geburtstagsparty (das war im Dezember 1992) habe ich Thorsten kennen gelernt. Kurze Zeit später haben wir BUBONIC PLAGUE gegründet, woraus die heutige Band BUBONIX entstanden ist. Seit 2002 sind wir in der heutigen Besetzung unterwegs und zu einem sehr innigen Kollektiv gereift. Im Bandinfo steht zwar, dass wir 3 Gitarren (Sarah, Markus, Nenad), ein Bass (Olei), ein Schlagzeug (Hermann) und einen Sänger (Thorsten) haben, aber das stimmt nur bedingt. Live verwenden wir zusätzlich elektrische Maschinen, ein Glockenspiel und die Stimmen von Sarah, Markus und Nenad sind mehr als nur Lückenfüller. Im Proberaum ist es noch vielfältiger. Hier probiert jeder jedes Instrument, und Thorsten hat bei den Proben oft ein neues Klangspiel oder geräuscherzeugendes Gimmick dabei, welches seinen Weg in unseren Sound sucht.

Ansonsten sind wir alle DIY-Fanatiker und machen unsere Homepage, Aufkleber, Videos, Flyer, T-Shirts, Buttons, Poster, Texthefte etc. selbst, wobei wir aus zeitlichen Gründen nicht mehr stundenlang im Copyshop um die Ecke am Drucker stehen und die Buntkopien eigenhändig der Maschine entnehmen. Dafür gibt es heute korrekte Leute, die das einfach besser machen können.

Die Platteninfo berichtet von Euren (alten?) Idealen, kein Teil der Plattenindustrie sein zu wollen. Mit der Veröffentlichung von "Please Devil, Send Me Golden Hair" auf dem Label Nois-O-Lution scheint Ihr Euch da ein Stück weit geöffnet zu haben. Wie kam es zum Umdenken?

Olei:
Die Zeit war ganz einfach reif dafür. Wir alle haben Familie, Kinder, müssen täglich unseren Kühlschrank füllen oder Miete zahlen. Da liegt es einfach nahe, einige Aufgaben um das Musizieren herum in vertrauensvolle Hände zu geben. Freiraum beginnt im Kopf, und es bringt nichts, wenn man sich eben diesen mit vielen kleinen Dingen, die nur am Rande etwas mit der Musik zu tun haben, zumüllt!

In Arne (Nois-O-Lution) haben wir einen Mitstreiter und Freund gefunden, mit dem wir in gemeinsamer Absprache die Sachen beschließen. Außerdem betrachtet er die ganze Geschichte aus der Distanz und ist somit ein Stück weit objektiver. Das vereinfacht viele Dinge und lässt uns mehr Freiraum für das Westentliche, nämlich die Musik!

Wie kam die Zusammenarbeit mit Nois-O-Lution zustande und mit Kurt Ebelhäuser? Hatte er über die Produktion hinaus Einfluss auf Euren neuen Sound?

Hermi: Wir kennen Kurt schon seit einigen Jahren, hatten aber nie einen Gedanken daran, mit ihm als Produzent für ein Album zusammen zu arbeiten. Auf irgendeiner Party erzählte Thorsten von neuen Songs, die wir gerne aufnehmen wollten, und Kurt bot an, einfach mal zu "Probeaufnahmen" zu ihm zu kommen, um zu sehen, ob wir's auch für 'ne komplette Platte miteinander aushalten. Kurz: wir hielten's aus, auch wenn's einige Tage verdammt schwer fie,l nach einer durchzechten Nacht Tracks einzuspielen... - drei Stücke der Platte stammen übrigens aus dieser Session…

Kurt ist einfach ein fantastischer Musiker mit unglaublich viel Gespür für Sounds und Arrangements, klar hat er den ein oder anderen Song irgendwo beeinflusst, bzw. uns Alternativen vorgeschlagen, die wir dann auch eingespielt haben. Dies war für uns mit ein Grund, gerade ihn als Produzenten zu wählen.

Schon während der ersten Demoaufnahmen zu "Please, Devil…" erwähnte Kurt Nois-O-Lution als potentielles Label. Uns gefiel daran die Tatsache, dass Bands wie STEAKKNIFE, SCUMBUCKET, GENEPOOL oder HARMFUL, die wir teilweise persönlich kennen und daher wissen, dass sie eine sehr ähnliche Einstellung zum Thema Musik und Business haben wie wir, hier ihre Platten veröffentlichen. Aus welchem Grund auch immer verlief das Ganze aber erstmal im Sande.

Nachdem einige Zeit später die Aufnahmen zur jetzigen Platte abgeschlossen waren, und Roger Ingenthron (SPERMBIRDS-Gitarrist) über unergründliche Pfade an eine Kopie gekommen ist, begeistert war und uns daraufhin fragte, ob wir die SPERMBIRDS als Support auf ihrer 2004er Tour begleiten wollten, kümmerte er sich anschließend mit enormem Einsatz darum, uns bei der Suche nach einem passenden Label zu unterstützen, weil er einfach an uns glaubte und es ihm persönlich sehr am Herzen lag, uns da zu sehen, wo wir jetzt sind. An dieser Stelle nochmal ein dickes DANKE an ihn.

So flammte dann über Roger irgendwann die Geschichte mit Nois-O-Lution wieder auf, und nach einigen Vorgesprächen hat er Arne auf eine Show von uns eingeladen, wir haben eine Zeitlang zusammengessen, geredet und kamen letztlich übereins.

Ich kenne Eure alten Platten nicht, aber diese neue Mischung aus Hardcore, Alterna-Rock und Punk finde ich verdammt eigenständig und frisch. Wie seid Ihr das angegangen, man ändert ja seinen Sound nicht von heute auf morgen, erst recht nicht mit der Hinzunahme von Elementen wie Glockenspiel, Elektro-Klängen und weiblichem Gesang. Oder doch?

Hermi: Hmm, Fragen, die uns selbst am wenigsten beschäftigen, werden von Euch am häufigsten gestellt... Was meinst Du mit "neuem Sound"? Für Dich neu? Oder definierst Du unseren Sound als gänzlich neu in der Musik? [Anm.d.Red.: Ich dachte eher an die musikalischen Unterschiede und die neue Experimentierfreudigkeit im Vergleich zu den vergangenen Hardcore-Tagen...]

Für uns ist die Geschichte keinesfalls neu, nur gerade mal eben da. Wir ändern unseren Sound nicht bewusst, schon gar nicht setzen wir uns beim Schreiben neuer Stücke ein Ziel, in welche Richtung es gehen soll. Wir haben schon immer das gemacht, wonach wir uns gerade fühlten, worauf wir Bock hatten, was uns Spaß machte und das, was uns ankotzt oder zu Jubelstürmen hinriss, in unseren Songs verarbeitet. Wir stellen keine Checkliste auf, die wir abarbeiten, wir sind eben unberechenbar; -wissen oft selbst nicht, welche Wendung ein Stück noch nehmen wird, wenn wir damit angefangen haben, vorhandene Ideen auszuarbeiten. Welche Instrumente gerade eingesetzt werden, kann ich dir im Moment beantworten, aber wenn Du fragst was wir morgen machen - keine Ahnung!
So erscheint eben einigen diese Abwechslung etwas konfus, aber jedes Stück hat seine eigene Geschichte, spiegelt einen Moment oder einen Abschnitt wider, der auf positive oder negative Weise auf uns gewirkt hat und eben in Musik "gemeißelt" wurde.

Was sagt Ihr Euren alten Fans, die sich nun evtl. "verraten und verkauft" fühlen könnten?

Hermi:
Wir sind der festen Überzeugung, dass gerade die "alten" Fans wissen, worauf sie sich einlassen, wenn sie sich eine neue BUBONIX Platte zulegen.

Olei:
Die Frage kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Wir sind in den letzten Jahren nicht von Konzert zu Konzert gefahren, haben gespielt und sind dann wieder verschwunden. Nein! Wir sind auch nicht hunderte Kilometer in irgendwelche Clubs, besetzte Häuser oder Jugendzentren gefahren, um ein bisschen Ringelpietz mit Anfassen zu machen. Wir sind aus tiefster Überzeugung und mit voller Leidenschaft unterwegs und haben in den Jahren viele tiefe und feste Freundschaften geschlossen. Wir haben Nächte lang mit vielen tollen Menschen über Toleranz, Antirassismus, Feminismus oder was weiss ich geredet oder diskutiert, und oft bei einem Bier oder einem Wasser über das Leben, das Universum und die Zahl 42 gelacht. Es kann natürlich sein, dass einige alte Freunde unsere neue Platte nicht mehr zu ihrem 35. oder 40. Geburtstag auf den Plattenteller legen, aber ich bin mir sicher, dass wir menschlich immer noch auf einer Welle pogen, diven oder headbangen. So muss das sein!

Welches Feedback gab es bisher auf "Please Devil..." ?

Hermi: Die Kritiken sind bisher einfach nur umwerfend! Am wenigsten hätten wohl wir selbst damit gerechnet, doch dann eine so positive und euphorische Presse; man fühlt sich eine zeitlang etwas überfahren, nimmt es vielleicht selbst gar nicht mehr so sehr wahr, wären da nicht nicht eine Menge Gratulanten aus unserem näheren Umfeld oder "alte Fans" ;-) , die Dich in den Arm nehmen und sagen: "Ich hab´s doch schon immer gewusst!" oder "Endlich bekommt ihr mal den Zuspruch, den ihr schon lange verdient habt!" Das waren und sind die schönsten Momente während der Veröffentlichung!

Olei:
Stimmt, das Album wurde überdimensional gut in vielen Musikzeitschriften, Fanzines und Online-Mags besprochen, und das Schöne daran ist, dass die Fachpresse diesmal genau richtig liegt. Denn alles andere wäre auch ein Affront gegen die Leute, die das Album gekauft haben und zu unseren Konzerten kommen. Denn hier ist das Feedback noch umwerfender für uns. Wir haben in den letzten Jahren die ganze Republik mehrmals durchkreuzt und ausschließlich live gespielt. Das letzte Album "From Inside" haben wir 2002 veröffentlicht. Da kann man sich vorstellen, dass wir schon ein wenig nervös waren.
Aber der erste Anflug nervösen Magenleidens und bibbernder Kaumuskulatur ist einem breiten Grinsen gewichen.

Gerade die ersten Shows, die wir nach der Veröffentlichung gespielt haben, waren eine regelrechte Zeitmaschine, die mich in die frühen Neunziger katapultiert hat. Da waren unsere ersten Konzerte, alles war neu und wir waren voller Tatendrang. Den haben wir zwar über die Jahre nie verloren, doch gerade fühle ich mich wieder wie 16 und könnte den ganzen Tag mit der Band abhängen, Flugies und Sticker basteln und unseren Bandnamen mit Kuli auf die Jeansjacke unseres Sängers schreiben.

Ein ungewöhnlicher Platten-Titel. Welche Idee steckt dahinter, und wovon handeln Eure Texte?

Hermi: Oh je, der Plattentitel und die Geschichte dazu ist älter als die meisten Stücke auf dem Album...

Nenad:
Allerdings, Hermann. Aber vielleicht sollten wir zuvor noch klärend erwähnen, dass die Platte ursprünglich mal "Kabhi Khushi Kahbie Gham - Please Devil send me golden hair" heißen sollte, was wir jedoch aus rechtlichen Gründen bleiben lassen mussten, da schon ein Bollywood-Streifen mit dem Titel exisitiert. Dieses "K.K.K.G" bedeutet sinngemäß übersetzt "Gute Zeiten, schlechte Zeiten", und reflektiert gewissermaßen die letzten fünf Jahre als Band und die Höhen und Tiefen, durch die wir gemeinsam gegangen sind.

Der damalige Zusatztitel "Please Devil..." kann z.B. auf folgende Art und Weise gedeutet werden: bezogen auf gute und schlechte Zeiten sowie auf Grimms Märchen, kann man den Satz als statement deuten, sein Glück selbst in die Hand zu nehmen und etwas an der (unzufriedenen) Situation zu ändern, auch wenn manchmal doch noch etwas Glück und die Hilfe derer, von denen man es nie erwartet hätte, dazugehören. Und genau davon handeln auch unsere Texte: menschliche und gesellschaftliche Höhen und Tiefen, Glück, Liebe, Zusammenhalt, Ehrlichkeit... vom ganz normalen, täglichen Leben also!

Um noch mal auf den ungewöhnlichen Plattentitel zurück zu kommen: Interpretationsmöglichkeiten gibt es derer ja augenscheinlich viele, wenn ich mir die aktuellen Reviews so anschaue: "... der Teufel symbolisiert die böse Plattenindustrie", usw. ...und wirklich ungewöhnlich finde ich den von der aktuellen ANTITAINMENT, welcher da lautet: "cooler Plattentitel"!

Wie wichtig sind Euch Eure Texte heute? Früher wart Ihr sehr politisch, habe ich gelesen ...

Nenad: Heisst das jetzt im Gegenzug, wir bzw. unsere Texte sind mittlerweile unpolitisch? Das finde ich überhaupt nicht! Es hat sich eine Verlagerung, eine Entwicklung oder auch ein Reifeprozess vollzogen; statt (wie früher evtl.) straight auf den Punkt zu kommen und somit nur einen Tatbestand zu be-/umschreiben, werden vermehrt nun Bilder, Geschichten und Metaphern dazu benutzt, ein Gefühl zu transportieren. Natürlich, zuerst ist meistens ein Tatbestand zu verzeichnen, aber dieser Tatbestand erzeugt beim Betrachter/Verzeichner ein individuelles Gefühl, sei es nun Zustimmung, Ablehnung, Sympathie, Hass, Glück, Liebe, usw. Vor allem aber ist dieses Gefühl letztendlich der Auslöser, welcher uns zum Handeln bewegt und motiviert. Wir haben uns als Menschen und Band im Laufe der Jahre weiter entwickelt. Somit ist auch unsere Ausdrucksweise vielfältiger und reifer geworden... so wie guter Wein!

Um also noch mal auf deine Frage zurück zu kommen: Unsere Texte und Aussagen sind uns heute genauso wichtig, wie sie es damals waren, so wie die Musik, in die sie eingebettet sind! Gleichberechtigt! In Wort und Ton sozusagen. Oder anders ausgedrückt: wir machen ja auch nicht für uns unwichtige Musik!

Welche Ziele habt Ihr momentan mit der Band, und wie sieht die nähere Zukunft aus?

Hermi: Zunächsteinmal wollen wir raus, spielen! Wir haben uns dieses Jahr, in erster Linie aus zeitlichen Gründen, live sehr rar gemacht und haben da einiges nachzuholen. So richtig wohl fühlen wir uns eben nur auf der Bühne und unter Publikum. Ende Mai und Anfang Juni steht ein Tour ins Haus, auf der wir viele Freunde wiedertreffen und unsere neuen Stücke live präsentieren wollen. Im Sommer stehen vereinzelt Festivalauftritte an.
Während unserer Bühnenabstinenz waren wir aber keinesfall untätig, sondern haben schon wieder eine Menge Material für eine neue Platte zusammen...

Wenn Euch noch etwas am Herzen liegt, hier ist der Platz dafür ...

Kabhi Khushi Kahbie Gham!

Chris

Als Kind der 90er liebe ich Grunge und Alternative Rock – meine bevorzugten Genres sind aber Death, Groove, Dark und Thrash Metal. Ich kann Musik und Künstler schwer voneinander trennen und halte Szene-Polizisten für das Letzte, was Musik braucht. Cool, dass Du vorbeischaust!