Geschrieben von Robert Freitag, 03 November 2006 09:07
The Creetins - Interview mit Sänger und Gitarrist Frederik
Link: http://www.creetins.com
THE CREETINS aus Kiel sind seit nun gut sechs Jahren in unserer Republik unterwegs und haben schon in jedem Konzertraum gespielt, den es nur irgendwo gibt. Nach zwei Alben auf Vitaminepillen Records und wenig Neuigkeiten in letzter Zeit, sind die drei Kieler nun mit neuem Bassisten, neuem Album und neuem Plattenlabel zurück. Die neue Heimat ist Roadrunner. All dies warf so viele Fragen auf, dass wir uns mit Sänger Frederik in Verbindung setzten, der uns bereitwillig Auskunft gab und einiges zu erzählen hatte.
Frederik, erzähl doch mal zu Beginn, wie es euch in den letzten Jahren ergangen ist, denn seit eurer letzten Platte „4 Seconds To Get Over It“ ist ja bereits einige Zeit vergangen.
Ja stimmt, Anfang 2003 kam die Scheibe raus. In den letzten Monaten waren wir viel unterwegs und haben viel gespielt. Die restliche Zeit haben wird damit verbracht, am neuen Material zu arbeiten. Wir haben uns damit sehr viel Zeit gelassen und haben richtiggehend an den neuen Songs gefeilt, haben Demos aufgenommen und uns sehr gut vorbereitet. Dann sind wir in Berlin für drei Monate ins Studio gegangen und haben die neue Scheibe eingespielt und aufgenommen. Wir waren mit den sehr ausgefeilten Demos schon sehr zufrieden und haben denen dann nur noch den entscheidenden Schliff verpassen müssen. Und jetzt ist es endlich soweit, denn am 1. September erscheint das gute Stück mit dem Titel „The City Screams My Name“.
Habt ihr bei den Aufnahmen etwas anders gemacht als zuvor, wo du schon ansprichst, ihr hättet euch sehr viel Zeit gelassen?
Ja, haben wir. Denn die früheren Scheiben haben wir in jeweils fünf Tagen aufgenommen und sehr schnell eingespielt. Da ging alles Ruck-Zuck. Diesmal hatten wir richtig viel Zeit und ein wirklich gutes Studio, das alles bot, was wir brauchten. Wir hatten zum ersten Mal die Möglichkeit, alles auszuprobieren, was wir wollten. Wir mussten nicht ständig auf die Uhr schauen, sondern hatten richtig Zeit und Ruhe, an den Songs zu arbeiten. So entstand ein Album, das genau so geworden ist, wie wir es wollten. Ich denke, dass man genau das auch hört, denn das neue Werk ist viel abwechslungsreicher geworden als unsere beiden Scheiben zuvor. Wir konnten auch mal in eine andere Richtung gehen. Dabei ist ganz klar, dass wir den CREETINS-Leitfaden, den roten Faden, den man in unseren Platten immer entdeckt, beibehalten haben. Aber nach außen hin konnten wir so richtig aus uns hinausgehen, und das hat so richtig Spaß gemacht.
Hattet ihr eigentlich zuerst den Plattenvertrag in der Tasche oder doch erst die Platte aufgenommen?
Das lief mehr oder weniger parallel. Aber den Vertrag haben wir erst nach den Aufnahmen unterschrieben. Das bedeutet, uns hat bei den Aufnahmen keiner reingeredet. Wir konnten machen, was wir wollten, und unser neues Label hat die Platte dann so übernommen.
Kommen wir zu eurer neuen Plattenfirma. Ihr seid ja jetzt bei Roadrunner Records gelandet, was sicher nicht nur mich überrascht haben wird. Als ich zum ersten Mal gelesen habe, wo ihr gelandet seid, dachte ich, es sei ein schlechter Scherz, denn für mich steht Roadrunner für ganz andere Musik, als die CREETINS sie praktizieren. Wie kam es also dazu?
Ich habe diese Reaktion schon von vielen gehört, die gemeint haben, wir würden doch eigentlich nicht auf Roadrunner passen. Roadrunner sei ein Metallabel. Das stimmt auch, aber eben nicht nur. Denn zwischendurch haben Roadrunner immer wieder einige nette Punkrockperlen herausgebracht. Unter anderem veröffentlichten sie ja auch CDs von den MISFITS, oder Hardcorescheiben von SHELTER und zuletzt Glampunkrock von den NEW YORK DOLLS. Das, was mich aber persönlich daran erfreut ist, dass wir ziemlich exotisch sind auf dem Label und eine Nische belegen, die sonst eher nicht bedient wird.
Roadrunner ist ja ein ziemlich großes Label, vielleicht das größte Indielabel überhaupt. Besteht da nicht eventuell die Gefahr, dass ihr da nicht so betreut werdet, wie auf einem kleinen Label, da ihr nur eine „kleine“ Punkband aus Kiel seid?
Ich denke, dass die Leute von Roadrunner ganz genau wissen, worauf sie sich einlassen. Es ist doch klar, dass wir nicht gleich Millionen Platten verkaufen. Es ist schon bekannt, dass wir eine kleine Punkband sind, und genau so wird eben auch gearbeitet. Wir werden aufgebaut und die Arbeit, wie sie jetzt läuft, ist wirklich gut. Uns werden ganz neue Türen geöffnet. Alleine der Vertrieb ist riesig groß und unsere Platte ist überall zu kaufen. Das sind Dinge, die jetzt einfach funktionieren und die es früher nicht gab. Insofern ist es echt cool für uns. Und du musst immer bedenken, dass Roadrunner, auch wenn man oft etwas anderes denken könnte, eben kein Major ist, sondern nur ein sehr großes Indielabel, das aber eine Majorvertriebsstruktur besitzt. Sie geben uns eine Menge Freiraum in dem was wir machen wollen und unterstützen uns total, und das ist einfach klasse. Wir sind im Moment mit dem, wie es läuft, absolut zufrieden. Und jetzt warten wir einfach mal ab.
Wie gesagt, ich finde es ungewöhnlich. Erzähl doch mal, wie es dazu kam, dass ihr bei Roadrunner gelandet seid.
Wir haben vor einiger Zeit die Demos aufgenommen. Roadrunner bekam dann eines der Exemplare in die Hand. Wir haben da wohl wieder in irgendeiner schimmeligen Baracke gespielt, und da kam jemand von Roadrunner zu uns und war begeistert. Dann hörte er die Aufnahmen und dann kam eins zum anderen. Da unser Vertrag mit unserem früheren Label Vitaminepillen nach der letzten Scheibe „4 Seconds To Get Over It“ ausgelaufen war, hat sich das dann alles ziemlich schnell ergeben. Wir hatten freie Bahn, und da wir mit der nächsten Platte etwas mehr machen wollten, passte alles mit dem größeren Label.
Gesetzt den Fall, es würde noch ein weiteres Album von euch bei Roadrunner erscheinen, wäre dann eine größere Beeinflussung des Stils zu befürchten?
Ich sag es mal so, wir lassen uns da einfach nicht großartig reinreden, das machen wir einfach nicht. Es ist ein Grundprinzip von uns, und da haben wir ganz viel Wert darauf gelegt, dass nur wir entscheiden, wie wir klingen werden. Viele sind ja auch davon ausgegangen, dass bei der neuen Platte alles anders klingt: „Neues Label und dann auch noch so groß, dann klingen die sicherlich anders und es kommt jetzt eine aalglatte Produktion auf den Markt, die radiotauglich und nur auf Hits getrimmt ist...“
Wir haben aber Wert darauf gelegt, dass wir so klingen, wie wir immer klingen. So haben wir auf einen ehrlichen Sound geachtet, den man auch live bei uns hört. Und der Produktion hört man das auch an, denn da findest du Ecken und Kanten, und die ganze Platte ist daher auch ein bisschen rotzig. Das war für uns irre wichtig. Da hat uns keiner reingeredet und zum ersten Mal sind wir wirklich mit einer CD vollauf zufrieden, ohne Wenn und Aber.
Dann lass uns doch jetzt ein bisschen mehr auf eurer schönes neues Album mit dem Titel „The City Screams My Name“ reden. Hat der Titel für dich eine spezielle Bedeutung?
Das ist eine Zeile aus dem Song „Two Lights In `79“. Das war einfach cool, denn der Song ist ein Partysong, wo man richtig durchdreht, durch eine Stadt läuft und richtiggehend einen draufmachen will. Und dann schreit die Stadt meinen Namen, denn heute mach ich einen drauf, denn heute ist mein Tag. Und da haben wir gesagt, dass sich „The City Screams My Name“ richtig cool anhört. Gleichzeitig hatten wir auch die Idee für das Albumcover mit den Wolkenkratzern und dem Absperrband. So hat es sich ergeben, dass wir alle glücklich und zufrieden waren, sowohl mit der Platte, als auch mit Cover und Titel.
Wenn du selber das neue Album mit eurem letzten Output „4 Seconds To Get Over It“ vergleichst, wo denkst du sind die größten Unterschiede und was habt ihr am stärksten verändert?
Wir saßen länger an den Songs als zuvor und konnten daher die Stücke wesentlich weiter ausfeilen. Ich zum Beispiel saß viel länger über meinen Lyrics und arbeitete intensiver denn je an meinem Gesang. So konnte ich mit meiner Stimme Sachen machen, die ich vorher nicht machen konnte. Wir haben überhaupt ganz viele Dinge ausprobiert, die wir uns noch zu „4 Seconds To Get Over It“ nicht getraut hätten. Dazu gehörten ruhigere Songs und die Verknüpfung mit Effekten. Das war sehr gut, ich denke, dass unser neues Album daher interessanter und abwechslungsreicher geworden ist. Ich persönlich mag es gar nicht, wenn Bands zehnmal das gleiche Album aufnehmen. Es musste bei uns etwas Neues kommen, was auch in der Weiterentwicklung, die wir durchgemacht haben, klar ersichtlich war. Im Laufe der Jahre haben wir mit neuen Bands gespielt, deren Musik kennen gelernt und darüber auch wieder neue Stile und Möglichkeiten, mit neuen Einflüssen zu arbeiten. Und es ist schon cool, wenn man das alles dann verarbeiten kann.
Würdest du auch sagen, wenn du eure Platten von der ersten „If You Ever Hit The Ground“, die sicher die rotzigste und punkigste Platte war, über die „4 Seconds To Get Over It“ bis zur „The City Screams My Name“ vergleichst, dass ihr immer etwas melodischer geworden seid?
Das würde ich nicht sagen, denn wir sind schon immer melodisch gewesen. Das kam zwar auf der ersten CD rotziger rüber, aber die Melodie war schon immer der rote Faden, der sich durch unsere Musik zieht. Du findest schon melodische Songs auf unserem neuen Werk, aber zwischendurch sind immer wieder krachende und unmelodische Songs eingebaut. Wir wollen auch keinen Super-Melodie-Kindergartenkram machen, denn das ist einfach nicht unsere Sache. Wie gesagt, der rote Faden ist die Melodie, und der muss auch drin bleiben, denn das macht zusammen mit den Sing-A-Long Parts die CREETINS aus. Aber wir werden sicher nicht noch melodischer werden. Für uns ist es wichtig, dass wir rockigen Punk spielen, mit „catchy melodies“. Die Sing-A-Longs sind dabei ein ganz wichtiger Bestandteil, und die dürfen sich ab und an auch mal von hinten anschleichen und müssen nicht zwangsweise einen überfallen und gleich von vorne kommen.
War es ein Zufall, dass ihr gerade mit „High Old Time“ vielleicht euren melodischsten Song als Opener eingesetzt habt, oder war es geplant, um eventuell ein wenig an die Scheibe davor anzuknüpfen?
Das war für uns die erste Wahl. Dieser Song musste der Opener des neuen Albums werden, da wir ihn auch schon superlang live spielen. Wie einige andere Songs des neues Werks auch, konnten wir „High Old Time“ schon am Publikum testen: mit Erfolg. Der Song war immer so ein klassischer CREETINS-Song, der gut ankam. Und so haben wir gesagt, den nehmen wir als Opener für die neue Platte. Denn das ist ein Song, der so klingt, wie man uns kennt. Danach bauen wir dann ein paar andere Momente und Überraschungen ein.
Ihr spielt ja live auch einen Coversong von den MISFITS. Habt ihr in der Zukunft vor, noch mehr Coversongs zu schreiben oder sogar auf dem nächsten Album ein Cover zu veröffentlichen?
Nein geplant ist da nichts, aber das kann sich ja auch schnell ändern. Auch live haben wir zurzeit keinen Coversong im Programm. Allerdings haben wir vor einem Monat eine 7-inch-Single veröffentlicht, auf der du auf der B-Seite einen Coversong finden kannst. Wir haben von FUGAZI „Waiting Room“ gecovert und den dort verewigt. Von daher warten wir jetzt mit Covern erst mal wieder ab. Aber es ist durchaus möglich, dass wir mal wieder einen Song mit in unser Liverepertoire aufnehmen. Und es stimmt, früher haben wir MISFITS und auch mal BLACK FLAG live gecovert, aber das machen wir nun nicht mehr.
Ihr seid ja in der Vergangenheit im Grunde nur am Wochenende getourt, werdet ihr das in Zukunft ändern?
Das werden wir definitiv ändern. Es sind jetzt schon gute 30-40 Shows bestätigt, und das geht jetzt richtig rund. Bis zum Frühjahr wollen wir das Ding so richtig durchziehen und uns volles Rohr den Arsch abspielen. Da wird die Sau raus gelassen. Im Oktober spielen wir gut zwei Wochen Headliner Shows, im November folgen unter anderem ein paar Shows mit den TURBO AC`S und jetzt stehen auch noch ein paar Dates mit PENNYWISE und BOUNCING SOULS auf dem Programm, u.a. auch bei der Deconstruction-Tour. Bis zum Frühjahr werden wir also komplett unterwegs sein, da würde ich doch glatt mal sagen, checkt unsere Tourdaten auf unserer Homepage und besucht uns zahlreich bei einer der Shows.
Aber noch mal eine andere Frage. Ihr habt einen neuen Bassisten. Was ist denn aus eurem alten Basser Hendrik geworden, und wo kam der neue Mann her?
Ja das ist richtig. Vor gut einem halben Jahr gab es den Wechsel am Bass. Unser alter Bassist Hendrik stieg aus, da er sich mehr auf sein Studium konzentrieren wollte. Mit dem neuen Bassisten ist das eigentlich ganz witzig, denn da musste ich nur zwei Meter weitergehen, denn das ist mein Mitbewohner. Ich musste da im Grunde nur nebenan klopfen und fragen. Er hat vorher auch schon in einer Rock´N Roll Kapelle gespielt, der ED RANDOM BAND, die sich aber aufgelöst haben, und nun ist er bei uns eingestiegen. Fanski war erste Wahl, denn das ist super und passt einfach richtig gut. Ach ja, und den Altersdurchschnitt konnten wir damit auch noch senken, was ja nicht ganz unwichtig ist, hahaha!
Das ist doch klasse. Ich habe dann noch gelesen, dass ihr eine besondere Verbindung zum FC St. Pauli habt und auch einen Song für die bereitgestellt habt. Was muss man sich genau darunter vorstellen?
Eastpak machen ab und zu ein paar Sachen für uns und sponsern auch den FC St. Pauli. Es entstand nun ein Eastpak Werbeclip für den FC St. Pauli, und dort läuft der Song „The Spirit Is Willing“ von uns, von der neuen Platte. Das ist natürlich sehr cool. Auf der Homepage vom FC kann sich jeder den Clip anschauen. Und den Club unterstützen wir gerne.
Okay Frederik, noch eine letzte Frage, aufgrund der Aktualität. Ihr habt in letzter Zeit sehr viel Zeit für eure Myspace-Seite aufgewendet und viel Werbung darüber betrieben. Wie steht ihr zu dem Portal, das ja nicht von Kritik frei ist, vor allem nach dem es von Rupert Murdoch aufgekauft wurde?
Ich wurde schon früher mal gefragt, was ich von Myspace halte. Im Grunde ist Myspace eine verdammt gute Promomaschinerie für Bands. Du hast direkten Kontakt zu deinen Fans und die haben direkten Kontakt zur Band. Du kannst dir neue Songs anhören und sehen, wann die Bands wo spielen. Für uns ist das perfekt und macht einfach Spaß. Ich habe kein Problem mit Myspace. Viel schlimmer finde ich die ganzen armen Würstchen, die da Tag und Nacht eingeloggt sind und nichts Besseres zu tun haben, als dort zu posten, was sie zum Frühstück gegessen oder wie oft sie sich den Hintern abgewischt haben. Mein herzliches Beileid, aber das finde ich viel schlimmer. Ansonsten ist das eine gute Sache für uns, um sich auszutauschen und uns als Band zu promoten.
Gut, Frederik, vielen Dank für das Interview, danke für die Antworten und viel Erfolg mit der neuen Platte!
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