Euer neues Album kam ja kürzlich heraus. Wie geht es euch jetzt?
Nikola: Uns geht es hervorragend. Unser Album ist fertig und gerade erschienen, und wir sind einfach nur froh und glücklich, dass es nun endlich soweit ist. Irgendwie fühlen wir uns auch etwas erleichtert, dass hinter uns zu haben. Aber wir haben ein wirklich tolles Album gemacht, und nun sind wir mal gespannt, wie die Reaktionen darauf sein werden. Gleichzeitig sind wir aber auch heiß drauf, die neuen Songs live weltweit zu probieren und die Reaktionen zu ernten. Wir wollen unbedingt auf die Bühnen und die Songs spielen.
Habt ihr denn die neuen Songs eurem Publikum noch gar nicht präsentiert?
N: Nein, haben wir nicht. Ehrlich gesagt ist es eine großes Überraschungsbonbon, was uns da von Seiten der Fans erwartet. Im Grunde ist das aber auch nichts Außergewöhnliches. Denn nach jedem neuen Album dauert es eine Weile, bis die Leute sich an die neuen Songs gewöhnt haben und diese kennen und vielleicht auch mitsingen können. Und so macht es dann immer am meisten Spaß, die neuen Songs zu spielen. Mit den neuen Songs zeigen wir ja auch, wer wir in diesem Moment sind. Das ist dann was ganz anders als bei den Songs, die jeder kennt, und die wir schon seit vielen Jahren live zum Besten geben.
Mathias: Live sind die Leute am Anfang ja immer mehr mit den neuen Songs vertraut und feiern die auch in der Regel am meisten ab. Die Songs vom letzten Album „Kingwood“ werden zum Beispiel zur Zeit am Besten aufgenommen, da jeder sie kennt. Und so sind wir gar nicht mal so unsicher, ob die Songs schlecht ankommen oder nicht. Es dauert einfach etwas, bis das Publikum sie so annimmt, wie es die Lieder „verdient“ haben.
N: Für uns dauert es ja auch eine Weile, bis wir live das Beste aus den neuen Songs rausgeholt haben und bis wir uns selber damit arrangiert haben, dass wir nun neues Material spielen.
„Kingwood“ erschien 2005, mit „Machine 15“ folgt erst drei Jahre später euer neues Album. Warum habt ihr solange dafür gebraucht?
M: Eigentlich sind drei Jahre etwas zu lang.
N: Aber wir haben ja auch so viel zu tun gehabt. Ich habe das FRANKY LEE Album mit herausgebracht und hatte da viel Arbeit mit. Außerdem haben wir „Kingwood“ sehr ausgiebig überall auf der Welt betourt. Da geht dann schon viel Zeit bei drauf. Am Anfang haben wir zwei Alben in zwei Jahren veröffentlicht. Das 1994 und `95. Aber das Tempo war nicht gut, da die Qualität der Alben einfach darunter gelitten hat. Mit etwas Abstand dazu können wir das schon so sagen. Es liegt ja auch einfach daran, wie viel du als Band zu tun hast. 1994 haben wir damals ja auch nur in Schweden gespielt, hatten keine Sideprojects und so einfach viel Zeit über. Damals waren wir eben noch jung und gesund (lacht).
M: Wie ich ja schon sagte, eigentlich ist die Zeit zu lang. Aber den Rest brauchten wir einfach, um die Songs zu schreiben, an ihnen zu feilen und das Beste herauszuholen, was irgendwie möglich war. Und ich denke, das ist uns wirklich gut gelungen.
N: Ich denke auch, uns ist ein wirklich sehr starkes Album gelungen. Aber ich bin mir auch sicher, dass die Songs vor einem Jahr nicht so gut geworden wären, oder halt eben völlig anders und nicht so, wie sie jetzt sind. Hätten wir zum Beispiel die Sache auch überstürzt, hätten wir sicher etwas verloren in unserer Musik, so wie sie jetzt ist. Durch die längere Zeit konnten die Songs eben auch etwas reifen und so gut werden, wie sie jetzt eben sind, und da übertreibe ich überhaupt nicht.
M: Im Grunde ist aber auch egal, in welchem Zeitraum du Alben veröffentlichst, ob nun jeden Monat, alle zwei Jahre oder alle zehn. Du machst es, wenn du dazu bereit bist und die besten Songs entwickeln kannst. Ich meine, als Band wie unsere, die nun schon lange dabei ist, hast du natürlich auch die Möglichkeit, die Zeiträume beliebig festzulegen. Niemand zwingt uns, unseren Zeitplan zu verlassen. Es gibt aber natürlich auch genug andere Bands, bei denen das anders ist und die nicht anders können, als in sehr kurzen Zeitabständen etwas zu veröffentlichen.
Euer neues Album habt ihr „Machine 15“ getauft. Warum habt ihr gerade diesen Titel ausgesucht? Hat der Titel eine besondere Bedeutung für euch?
M: Ja, es sind genau 15 Tracks auf diesem Album, und da lag der Titel einfach nahe. Aber auch sonst hat die Nummer 15 viele wichtige Bedeutungen für uns.
N: Wir trinken immer 15 Bier, bevor wir auf die Bühne gehen. (grinst)
M: Ja manchmal tun wir das wirklich, hehe.
N: Zum Beispiel, um auch wieder etwas ernster zu werden, existieren wir ja nun als MILLENCOLIN seit genau 15 Jahre. Und gerade zu diesem Jubiläum war der Name für unsere neue Platte ja irgendwie Programm.
M: Wenn du eine Platte aufnimmst, ist das letzte was wichtig ist, der Titel dafür. Darüber denkst du eigentlich immer erst als letztes nach. Der Titel kommt einfach im Laufe des Aufnahmeprozesses und entwickelt sich irgendwann in deinem Kopf.
N: Diesmal kamen wir direkt vor der letzten Show, die wir gespielt haben, auf den Titel. Das Ganze war in der Schweiz. Fünf Minuten bevor wir dran waren, musste ich noch mal auf eins dieser Plastik-Klos gehen, die es ja immer auf Festivals gibt. Das war Stress pur, schließlich mussten wir ja jeden Augenblick auf die Bühne. Plötzlich dachte ich an die 15 und dann kam ich einfach drauf. Vielleicht lag es daran, dass ich gerade auf dem Klo saß, plötzlich war es da „Machine 15“. Ich lief also so schnell wie möglich zu den anderen und rief „Ich hab es !“. Und die anderen fanden den Namen auf Anhieb wirklich gut.
Wie liefen denn die Aufnahmen zu „Machine 15“ ab?
M: Im Grunde war es mal wieder sehr viel Spaß, eigentlich wie immer. Wir haben die Scheibe in unseren eigenen Studios, in den Soundlab Studios in Örebro, aufgenommen. Es ist einfach ein tolles Gefühl, in den eigenen Studios aufzunehmen und ein Album einzuspielen. Das Studio ist auch einfach toll, und es ist etwas Besonderes, zu „Hause“ aufzunehmen.
N: Wir haben uns diesmal richtig Zeit gelassen, was du vielleicht auch nur kannst, wenn du ein eigenes Studio hast. Aber es war auch wirklich harte Arbeit, denn wir haben lange an jedem Song gearbeitet, bis er wirklich genauso war, wie wir ihn haben wollten. Wir haben auch völlig auf das vorherige Proben verzichtet. Denn Mathias schrieb die Songs zu Hause, spielte das Schlagzeug ein und schickte mir die Songs dann per E-Mail. Und ich musste nur noch die Gesangparts erfinden und natürlich die Texte.
M: So war die gesamte Basis vor den Aufnahmen schon fertig. Der Rest war Feinschliff. Aber es ist wirklich soviel einfacher, auf diesem Weg eine Platte einzuspielen. Wir haben früher immer sehr viel Zeit im Proberaum vor Aufnahmen verbracht und so alles sehr in die Länge gezogen. Unser neuer Weg ist einfach schöner und leichter, und so werden wir es in Zukunft sicher fortführen.
N: Wir leben eben nicht in der gleichen Stadt, und so ist es eigentlich gar nicht anders möglich, um nicht zu viel Zeit zu investieren. Wir haben eigentlich somit die perfekte Lösung geschaffen, da wöchentliche Proben einfach nicht drin sind.
M: Der Mix wurde dann in Berlin gemacht, wir waren gerade erst vor ein paar Wochen hier. Wir mögen Berlin, und so war es die beste Wahl für uns.
Wenn ihr nun „Machine 15“ mit „Kingwood“ vergleicht, wo denkt ihr sind die größten Unterschiede? Und was habt ihr präzise verändert?
M: Ich würde hauptsächlich sagen, dass du bei „Machine 15“ vor allem den roten Faden findest, der sich durch das Album zieht. Dazu kommt, dass unser neuestes Werk mehr nach einem kompletten Album klingt, als es bei „Kingwood“ der Fall war. Natürlich war „Kingwood“ auch ein hervorragendes Album, aber „Machine 15“ ist einfach noch eine Spur abgeklärter und reifer.
N: (Der wieder einmal ins Wort fällt) Ich würde einfach sagen, wir waren besser vorbereitet diesmal und auch die Songs, die wir aufgenommen haben, waren besser. Auf „Kingwood“ hatten wir einige sehr schnelle Punksongs, die aber nicht so konzentriert und auf den Punkt gebracht waren wie die neuen Lieder. „Machine 15“ ist einfach geradliniger geworden und besitzt alles, was ein gutes Album haben muss. Gleichzeitig haben wir aber auch etwas mehr auf Melodien gesetzt und so ein Album geschaffen, das von der ersten bis zur letzten Sekunde mitreißt. Vielleicht waren wir noch nie melodischer und haben auch noch nie so viele Harmonien benutzt wie bei „Machine 15“.
Kommen wir mal zu einigen Songs, die auf „Machine 15“ enthalten sind. Was war eure Intention, als ihr die Lyrics zu „Broken World“ geschrieben habt?
N: Mathias schrieb bei dem Song die Musik. Als ich dann an der Reihe war, den Song für die Demos einzusingen, hatte Mathias schon seinen Gesang darüber gelegt. Und irgendwie klang das für mich wie ein „Broken World“-Ding, so als wäre etwas kaputt gegangen. So kam ich auf die Idee, den Song so zu nennen, obwohl es vielleicht schwer nachzuvollziehen ist. Dabei handelt er von der aktuellen Situation auf der Welt, ist dabei aber durchaus ironisch gehalten.
M: Und das, obwohl der Songs schon eine klare politische Ausrichtung hat.
N: Dieser Song spiegelt meine Sicht der Dinge in der Welt wider, das kannst du schon so sagen. Dabei geht es darum, wie die Erde behandelt wird, wie sich einige dieser so genannten Politiker verhalten, und wie das Ganze zusammenhängt. Aber wie ich ja schon sagte, habe ich dabei sehr viel Wert auf Ironie gelegt. Wir leben einfach schon in einer „Broken World“. Und vielleicht ist genau das der Grund, warum wir in einer Band spielen. Denn so gehen wir mit der Situation um und fokussieren unsere Meinung, Wut und Enttäuschung darüber in unseren Texten und Songs.
„Machine 15“ enthält auch Songs, bei denen ihr scheinbar etwas experimentiert habt. Besonders auffällig ist dabei „Done is Done“. Habt ihr da mit Geigen gearbeitet?
M: Ja das sind Geigen, die du da hören kannst. Wir haben diesen Song mit den Philharmonikern aufgenommen. Auf die Idee kam ich weil ich Geigen mag, und so entwickelte sich der Song.
N: Wir kennen in Örebro, der Stadt aus der wir kommen, jemanden, der neben dem Leiter den Schwedischen Philharmoniker wohnt. Und die haben ihren Stammsitz in Örebro. Und da dieser Typ uns unterstützt, hat er den Kontakt hergestellt und beide Seiten waren von der Idee und schließlich auch der Umsetzung total begeistert. Dass wir in Örebrö einen guten Ruf haben und eine der bekanntesten Bands der Stadt sind, hat die Sache sicher erleichtert.
M: Für einen Punkrock Song ist die Kombination sicher nicht normal. Aber genau das wollten wir erreichen, und das ist uns auch gelungen. Denn die Verbindung von Geigen und Punkrock passt sehr gut und klingt einfach nur gut.
N: MILLENCOLIN wandeln auf den Spuren von METALLICA, hehe…
M: Ich denke, dass „Done is Done“ einer dieser Songs ist, die besonders gut von den Fans und Hörern angenommen werden.
Kommen wir zu deiner Solokarriere, Nikola, und somit auch zur letzten Frage. Du kümmerst dich nebenbei um deine Songwriter Karriere und Mathias, du spielst auch noch bei FRANKY LEE. Wie setzt ihr mittlerweile eure Prioritäten, was ist euch wichtiger?
M: Wie soll ich es sagen? MILLENCOLIN zahlt meine Miete, kauft mein Essen und meine Zigaretten. Ohne MILLENCOLIN könnte ich nicht als Musiker überleben. So einfach ist das. Also ist MILLENCOLIN schon musikalisch nicht wegzudenken und sehr wichtig für uns.
N: Auf der anderen Seite ist es aber auch so, wenn wir nicht noch den anderen Kram machen würden und nur MILLENCOLIN hätten, wäre es nicht der Spaß, der es jetzt ist. Es ist einfach sehr wichtig für uns, musikalisch auch etwas anderes zu machen, uns anderweitig auszuleben und dennoch immer wieder zurückzukehren. Wir lenken uns damit ab und schalten so aber auch mal ab, und wenn es dann wieder Zeit ist für die Hauptband, dann können wir auch wieder unsere Kräfte dafür bündeln. Wenn du als Band schon so lange dabei bist wie wir es sind, dann brauchst du einfach deinen Freiraum, fernab von MILLENCOLIN. Und die anderen Projekte haben wir ja schon immer gehabt, auch schon bevor wir MILLENCOLIN gegründet haben. Natürlich ist und bleibt MILLENCOLIN unsere Hauptband, unser Tisch und unser Essen ... haha … aber wir brauchen eben auch noch etwas mehr für jeden einzelnen von uns.
Mathias, Nikola, vielen Dank für das Interview!