Geschrieben von Sonntag, 13 Januar 2008 18:40

Sinwell - Interview mit Sänger Joschi Hensel

sinwell_interview

Die Nürnberger Band SINWELL veröffentlicht in diesen Tagen ihr Debüt-Album "True Sense", das mich durch seine unglaubliche Vielseitigkeit und seinen frischen Sound extrem überrascht hat, und es mir genau deswegen auch sehr schwer machte, sie irgendeiner Stilrichtung zu zu ordnen. 
Nicht nur zu diesem Thema hatte ich die Gelegenheit, Sänger Joschi Hensel (Foto, 2. v. .l.) mit meinen Fragen zu malträtieren, die er sehr geduldig und  ausführlichen beantwortete.

Hallo Joschi. Erst einmal herzlichen Glückwunsch zu eurem Debüt „True Sense“, mit dem ihr wahrscheinlich nicht nur mich unglaublich überrascht habt.
 

Vielen Dank für das Kompliment. Du hattest ja bereits eine tolle Rezension geschrieben, über die wir uns sehr gefreut haben! Ehrlich gesagt, ich kann dir nicht sagen, ob wir die Leute überrascht haben. Gerade bei einem Debüt ist es schwer, im Vorfeld eine Prognose abzugeben. Aber bisher fallen die Kritiken überwiegend positiv aus.

Ich beschreibe damit ja nur das, was ich höre. Von daher nichts zu danken, ihr könnt euch höchstens selbst für "True Sense" auf die Schulter klopfen. Wie lange spielt ihr denn schon in der aktuellen Besetzung zusammen, und wie habt ihr euch überhaupt kennen gelernt? 

Das aktuelle Line-Up steht seit Ende 2003. Dierk (Foto ganz rechts) und ich sind schon seit Urzeiten ein musikalisches Paar. Ich hab' in einer meiner früheren Bands auch getrommelt, und wir suchten einen Bassmann... Auch Tommy (Foto, 2.v.r.) kenne ich schon sehr lange. Wir haben kurz nach seinem Ausstieg bei Sinner bereits das erste Bandprojekt gemeinsam gemacht und dann Anfang des Jahrtausends auch Sinwell in der ursprünglichen Besetzung gegründet. Benno (Foto links) kam dazu, nachdem unser früherer Gitarrist die Band verlassen hatte. Er ist natürlich sehr schnell mehr als nur ein Ersatz geworden, und es hat sich bald herausgestellt, dass der heutige SINWELL-Sound erst mit ihm möglich war.

 Wer ist denn auf den Bandnamen SINWELL gekommen? Ich denke mal, die meisten vermuten wie ich, dass er aus dem Englischsprachigen kommt, und irgendetwas mit „Sünde“ zu tun hat. Dabei kommt er aus dem Mittelhochdeutschen und bedeutet soviel wie „rundum“ oder „rund“. 

Das war eigentlich eine Koproduktion, so 'ne Art Brainstorming. Wir haben nach einem Bandnamen gesucht, der auch im englischen phonetisch gut klingt und kein Zungenbrecher ist. Dann sollte er eine Bedeutung haben, die irgendwie für die Band Sinn macht. Zuletzt dachten wir, dass ein regionaler Bezug auch nicht schlecht wäre. Und da der Sinwell-Turm eines der markantesten Gebäude unserer Nürnberger Kaiserburg ist, und so etwas wie ein regionales Wahrzeichen darstellt, war die Entscheidung nicht mehr schwer. 

Hast du als Sänger eine Gesangsausbildung genossen, oder ist dein unglaublich vielseitiges Organ in die Wiege gelegt worden? 

Das ist eine sehr gute Frage, weil du hier zwei unterschiedliche Phänomene ansprichst: Die grundsätzliche Klangcharakteristik einer Stimme ist eine Eigenschaft, die wohl eher was mit den Genen zu tun hat. Es gibt Sänger, die schon in jungen Jahren mit einem unglaublichen Timbre gesegnet sind. Ich denke da z.B. an James Morrison. Der Typ hat mit 21 schon eine derart knusprige und rauchige Stimme, wie viele andere erst nachdem sie 20 Jahre auf zu lauten Bühnen gesungen haben. 
Und das ist der zweite Aspekt an der Geschichte: Nämlich die Frage, was du aus der Stimme machst, die dir zur Verfügung steht. Hier weisen nur Ausbildung und lange harte Übung den Weg zum Erfolg. In meinem Fall war's zwar so, dass ich schon in jungen Jahren einen Melodiebogen einigermaßen unfallfrei nachsingen konnte. Aber der Rest war eben viel Stimmbildung und Übung. 

Gibt es irgendwelche Vorbilder für dich als Sänger? 

Natürlich! Jeder junge Musiker ist doch beeindruckt von Vorbildern, denen er nacheifern will. In meinem Fall waren das am Anfang die großen und für mich bis heute unerreichten Rocksänger der späten 70er und 80er, wie Freddie Mercury und Steve Perry, später Geoff Tate von QUEENSRYCHE. Auch Paul Stanley fand ich geil, weil ich mit 15 ein riesen KISS-Fan war. 
Wichtig ist, dass man nicht versucht, eine Kopie seiner Vorbilder zu werden, sondern sie lediglich als Orientierungshilfe nutzt. Seine Authentizität muss man sich erst erarbeiten. Dazu gehört auch, dass man sich weiterentwickelt und sich immer neu orientiert. Aktuell beeindrucken mich im Hardrockbereich Leute wie Chris Cornell, Scott Stapp und Myles Kennedy von ALTERBRIDGE. 

Die Songs von „True Sense“ decken eine unglaublich weite Bandbreite an Stilrichtungen ab, was eine ganze Armada von Einflüssen vermuten lässt. Ist das tatsächlich so, und wenn ja, welche Bands zählen dazu? 

Du hast Recht. Wir hören das auch nicht zum ersten Mal. Ich glaube, die große Bandbreite ist zum Großteil dem Umstand geschuldet, dass wir alle sehr unterschiedliche Musikrichtungen gut finden. Und das nicht ausschließlich im Hard & Heavy Bereich. Für mich gibt es gute und schlechte Musik, unabhängig von irgendwelchen Genres. Die Schwierigkeit besteht eben darin, dass die eigene Mucke einigermaßen homogen daher kommt. Wir haben uns auf „True Sense“ bemüht, das hinzukriegen. 

Wie entstehen bei euch normalerweise die Songs? Eher traditionell, also der Sänger schreibt die Lyrics und der Gitarrist die Musik, oder kommen euch die Ideen für eure Songs eher bei den Proben, wenn ihr alle zusammen seid?

Von allem ein bisschen. Texte sind normalerweise meine Sache. Dierk unterstützt mich gelegentlich. Die Songs entstehen zwar meist schon nach einer ursprünglichen Idee. Das muss aber nicht unbedingt ein Gitarrenriff sein. Das kann auch mal ein Drumgroove sein. Komponiert und arrangiert wird immer als komplette Band. Wir haben für das Album auch im Studio an Songs gearbeitet, nachdem sie bereits als Demoversion aufgenommen waren.

Joschi, euch in eine Schublade oder Kategorie einzusortieren ist nicht wirklich einfach. Wie würdest du einem absolut Fremden, der euch noch nie gehört oder gesehen hat, SINWELL beschreiben? 

Wie Du schon sagst: Es ist wohl etwas schwierig. Aber ehrlich gesagt wird dieses Problem häufiger von außen an uns herangetragen, als dass wir uns selbst damit beschäftigen. Wir haben nicht mehr den Ehrgeiz, uns selbst in eine Kategorie einzuordnen. Wer es unbedingt in Schubladen mag, ist herzlich eingeladen es zu versuchen. Fakt ist: Wenn wir als Band komponieren, kommt der "Sinwell-Sound" dabei raus, that's it! 

Denkst du, es ist eher ein Problem oder eher ein Vorteil, wenn man stiltechnisch so weit gefächert ist? In meiner Rezension zu „True Sense“ habe ich ja auch bemerkt, dass da leicht der Eindruck entstehen kann, dass ihr vielleicht noch auf der Suche nach einem eigenen Stil seid. Oder aber auch, dass das eben euer eigener Stil ist. Mir persönlich hat eure Bandbreite sehr gut gefallen.

Vorteil oder Problem, das liegt wahrscheinlich im Auge des Betrachters. Das ist jedenfalls mein Eindruck nach den ersten Rezensionen. Wichtig ist für uns, dass hier nicht mit Kalkül ein wildes Sammelsurium an musikalischen Stilrichtungen fabriziert wird. Wir selber sind der Meinung, mit „True Sense“ ein ziemlich homogenes Stück „Sinwell-Sound“ anzubieten. 

Ihr habt „True Sense“ selber produziert. Wie lange habt ihr an dem Sound getüftelt, der unglaublich druckvoll und ausgewogen aus den Boxen knallt? 

Wir haben uns für die Aufnahmen und auch die ersten Mixes wirklich sehr viel Zeit gelassen und bestimmt ein halbes Jahr getüftelt. Wir konnten uns das auch ohne Label leisten, weil wir in Bennos eigenem Studio aufgenommen und gemischt haben. Am Endergebnis hat allerdings auch Markus Kühn einen riesigen Anteil, der beim Mastern der Songs wirklich Großartiges geleistet hat. 

Sind eure Lyrics fiktiv, oder spiegeln sich in den Texten Dinge und Erfahrungen eures alltäglichen Lebens wider? 

Die Texte sind zwar nicht autobiographisch, aber sie sind auch nicht fiktiv. Ich lasse mich schon inspirieren von Dingen, die ich in der Zeitung lese oder im Fernsehen sehe. Dinge, die mich stören oder beeindrucken, oder die ich sonst erwähnenswert finde. Den Text zu „Dead End“ hab' ich z.B. geschrieben, als Hurricane Kathrina New Orleans zerstört hatte und sich in diesem Stadion „Super Bowl“ unglaubliche Szenen abgespielt haben. 

Was für Musik hörst du, wenn du dich nicht gerade mit den Songs von SINWELL beschäftigst? 

Sehr unterschiedliche. Je nach Stimmung und Situation. Im Bereich Rock / Hard & Heavy fast alles quer durch den Gemüsegarten. Zur Zeit laufen bei mir zwei Scheiben ziemlich häufig. Die neue EAGLES (!!), wegen der Gesangsarrangements und das neue Album von ALTERBRIDGE. Ansonsten geht’s von radiotauglichem Pop über Jazz bis zu chilligen Sachen. Wie schon gesagt: Es gibt nur gute und schlechte Musik... 

In eurer Bio steht, dass ihr euren Namen 2003 geändert habt. Wie habt ihr euch denn in der Zeit von 2000 bis 2003 genannt? 

Die Band hieß früher DEAD FINGERS TALK. Konnte sich keine Sau merken. Wir hießen dann immer nur „Fingers“ oder „DFT“, also musste ein neuer Name her! 

Könnt ihr schon von der Musik leben, oder geht ihr auch noch anderen Jobs nach, um euren Lebensunterhalt zu verdienen? 

Zwei von uns leben von der Musik, aber nicht von SINWELL. Tommy hat eine Schlagzeugschule und arbeitet als Autor für diverse Fachmagazine, wie z.B. "Drums & Percussion". Benno spielt in verschiedenen Bands, betreibt sein Studio und arbeitet als Lifetechniker. Dierk und ich haben Daytimejobs, die nichts mit der Mucke zu tun haben. 
Also in diesem Sinn ist SINWELL ein Hobby. 

Wenn ich es richtig gelesen habe, habt ihr ja gerade zusammen mit U.D.O. gespielt. War das „nur“ der Gig im Hirsch, oder wart ihr länger mit Udo unterwegs? 

Nein, mit U.D.O. war von vornherein nur eine Show geplant. Die Betreiber vom Hirschen buchen uns gelegentlich für Acts, die keinen eigenen Support mitbringen. Schöne Sache für uns, für die wir uns an dieser Stelle auch gerne einmal bedanken möchten. 

Mit welcher Band würdest du am allerliebsten mal auf Tour gehen? Und warum? 

Wir haben uns letztes Jahr darum bemüht, einige Shows als Support von NAZARETH in Deutschland, Österreich und der Schweiz spielen zu können, da Tommy aus früheren Zeiten noch Kontakt zur Band pflegt. Leider ist auch hier nur ein Gig daraus geworden, der aber super Spaß gemacht hat, weil die Herren wirklich beneidenswert entspannt und gut gelaunt waren. Ansonsten würde ich gerne mal mit ALTERBRIDGE touren, weil deren aktuelles Album „Black Bird“ für mich mit zu den besten Alben 2007 zählt! 

Eine Frage, die ich immer gerne in Interviews stelle: Du kannst dir deine Traumband zusammen stellen, wobei die Musiker, die du wählst, nicht unbedingt unter den Lebenden weilen müssen, du aber die Jungens aus deiner Band außen vor lassen musst. Wie würde diese Band aussehen?

Oh je, ich befürchte, wenn ich an all die herausragenden Musiker denke, mit denen ich im Traum einmal zusammenspielen wollte, könnte ich dir hier locker 10 Kapellen zusammenbauen. Bei den meisten müsste man dann wohl auch den Sänger austauschen, um das Niveau zu halten! Ein echter Wunschtraum wäre für mich allerdings, einmal eine Show mit einer der großen Bigbands aus der Swing-Ära zu spielen. Dabei würde ich dann nur meine „Alltime-Favourites“ aus dem Hard & Heavy Bereich in einer entsprechenden Interpretation spielen. Keine Ahnung, wie das wohl klingen würde. 

Was ist deine (in deinen Ohren) wertvollste und peinlichste CD oder Schallplatte in deiner Sammlung? 

Ziemlich stolz bin ich schon auf meine alte KISS-Plattensammlung, wobei das mehr ein ideeller Wert ist. Peinlich ist mir eigentlich keine einzige. Natürlich muss man oft schmunzeln, wenn man heute das eine oder andere in der Hand hält, was man vor 20 Jahren gekauft hat. Das ist wie mit alten Fotos. Aber das peinlich zu nennen würde ja bedeuten, seine Vergangenheit zu verleugnen und auch die Bands, die in dieser Zeit populär waren, zu diskreditieren. 
Nein, ich glaube jedes Stück Musik in meiner Sammlung passt zu einer bestimmten Lebensphase und verkörpert ein Stück Zeitgeist.

Joschi, was sind deine größten Wünsche für 2008, beruflich und privat?

Zu beruflichem Erfolg gehört neben harter Arbeit immer auch ein Quäntchen Glück, worauf man keinen Einfluss hat. Das würde ich mir wünschen. Privat ist das für mich uneingeschränkt Wichtigste Gesundheit! 

Hast du für unsere Leser noch ein paar „letzte Worte“? 

Ich wünsche allen Lesern ein prächtiges Jahr 2008, mit der gerade erwähnten Portion Glück und Gesundheit! 

Joschi, ich danke dir, dass du dir die Zeit genommen hast, meine Fragen zu beantworten, und ich wünsche dir und SINWELL viel Erfolg und ein hoffentlich ereignisreiches Jahr 2008. 

Ich danke dir für die Gelegenheit und noch mal für die außerordentlich gute Kritik für „True Sense“
Dirk

Musik: Hard Rock, Heavy Metal, Power Metal, Blues

Bands: Thin Lizzy, Gary Moore, Dio, Savatage, Bloodbound, Y&T, Edguy, Iron Maiden, Judas Priest, W.A.S.P.

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