Geschrieben von Dirk Dienstag, 30 Oktober 2007 19:03
Soul Doctor - Interview mit Gitarrist Chris Lyne
Mit ihrem vierten Album haben die Berliner Hard Rocker von SOUL DOCTOR ein richtiges Pfund herausgehauen. Grund genug, Gitarrist Chris Lyne (Foto 1. v.l.) mal mit ein paar Fragen über die Band zu konfrontieren.
Hi Chris. Zu allererst möchte ich euch zu eurer aktuellen CD “Blood Runs Cold“ gratulieren, die ein richtig geiles Stück Hard Rock geworden ist, und bei uns 9 von 10 Punkte einheimste. Wie bist du zur Musik gekommen und in welchem Alter hat dich der Virus Hard Rock/Melodic Metal erwischt?
Oh das war schon sehr früh, ich glaube im Kreißsaal eines Krankenhauses, wo ich den ganzen Laden zusammengeschrieen habe als, jemand das Licht angemacht hat.
Es freut mich, dass dir das Album gefällt, danke für die Blumen. Da ich kein Mensch von Schubladen bin, würde ich sagen, dass ich zur „Rockmusik“ durch meinen Vater gekommen bin, der mir auch die ersten Chords auf der Gitarre beigebracht hat, weil er es nicht mehr mit ansehen konnte, wie ich mit Besenstielen und selbstgebauten Pappgitarren zu KISS vor dem Spiegel einen auf Paul Stanley gemacht habe. Natürlich mit voller Kriegsbemalung und Perücke von meiner Mutter.
Ist SOUL DOCTOR eigentlich eher ein Side Project, oder seht ihr euch doch als konstante Band? Tommy ist ja zum Beispiel nebenbei auch noch mit FAIR WARNING beschäftigt, was bestimmt einige Zeit in Anspruch nimmt.
Also SOUL DOCTOR als Side Project zu betiteln ist schon ziemlich hart für mich! Wir sind als Band seit 2000 unterwegs, haben ziemlich viel getourt und live gespielt, vier Platten auf dem Markt gebracht und sind stärker als je zuvor. Ich glaube, dass nun auch der letzte Indianer mitbekommen haben sollte, dass SOUL DOCTOR Tommys Band ist, die er lebt und wo er 100 Prozent Tommy Heart sein kann.
FAIR WARNING gab es fünf Jahre lang doch überhaupt nicht, was sollte das denn für Zeit in Anspruch genommen haben? Bei FAIR WARNING, ist es halt so, dass er ein Teil der Band und des Ausführens ist, da er dort ja keine Songs schreibt, sondern das singt, was die Songschreiber ihm vorlegen. SOUL DOCTOR hingegen ist jedoch Tommys Baby, ich glaube, damit ist eigentlich alles gesagt.
Wahrscheinlich hast du mich hier etwas falsch verstanden, Chris. Ich wollte SOUL DOCTOR keineswegs als Side Project abwerten, sondern eigentlich nur wissen, welchen Stellenwert die Band bei den einzelnen Mitgliedern einnimmt. Hast du neben SOUL DOCTOR noch andere Bands/Projekte, mit denen du aktiv bist?
Und wie sieht es bei Jogy (Bass) und Michael (Drums) aus?
Nein habe ich nicht, da ich der Meinung bin, dass man nur eine Sache wirklich einhundertprozentig machen kann. Meine Arbeit mit SOUL DOCTOR nimmt sehr viel Zeit in Anspruch, Tommy und ich sind eigentlich ständig am Komponieren und am Werkeln, was SOUL DOCTOR betrifft, da bleibt nicht so viel Zeit für andere musikalische Sachen.
Ich bin auch kein Freund von Projekten die niemals auf die Bühne gehen, sondern sich nur aufs Platten machen konzentrieren, das hat für mich nichts mit Rock´n Roll zu tun. Diese Musik gehört auf die Bühne, ohne Vorhang und doppelten Boden, hier kann der Fan sehen, dass man es ernst meint mit dem, was man tut, und dass man eine wirkliche Band ist.
Die Fans sind doch das Wichtigste, was man als Musiker hat, und die wollen dich live sehen. Im Studio kann man sehr viel machen, aber live, da musst du zeigen ob du als Band was drauf hast! Micha macht als Drummer noch eine ganze Menge Studiojobs und hat eine Schlagzeugschule in Hannover, und Jogy sieht die Sache so wie ich: mache eine Sache und die richtig.
Schön zu hören, dass die Fans für dich einen so hohen Stellenwert einnehmen. Leider hat man heutzutage das Gefühl, dass nicht alle Bands erkannt haben, wie wichtig eine solide Fanbasis und Fannähe ist. Wie habt ihr es geschafft, traditionellen Hard Rock so modern und aktuell klingen zu lassen wie auf „Blood Runs Cold“?
Bei „Blood Runs Cold“ haben wir sehr viel Zeit in die Arrangements gesteckt und viel an unserem Songwriting gearbeitet, es aber trotzdem immer nach SOUL DOCTOR klingen lassen, und darauf bin ich sehr stolz.
Das neue Album ist für mich das Vollkommenste, was wir bis jetzt aufgenommen haben, da es von den Songs der Performance der Emotionen und der Energie, die rüberkommt, einfach absolut stimmt. Es ist ein Hammer Album geworden, das jeder Fan von Hardrock Musik sich mit Sicherheit öfter anhören wird.
Wir besinnen uns auf unsere Stärken, legen sehr viel Wert darauf immer eine gute Songauswahl zu treffen und wollen nicht zweimal denselben Song schreiben. Ob du es glaubst oder nicht, vier oder fünf Songs auf "Blood Runs Cold" gibt es noch in ganz anderen Versionen, womit man ganz locker fast noch eine zweite Platte rausbringen könnte. Aber wir tun es nicht, sondern suchen die Songversionen aus, die zu diesem Album passen wie die Faust auf's Auge.
Die Songs schreibst du ja zusammen mit Sänger Tommy Heart. Wie geht ihr dabei vor? Und wovon lasst ihr euch beim Songwriting inspirieren?
Da gibt es eigentlich keine bestimmte Regel, wir sitzen halt oft mit akustischen Gitarren zusammen, jammen und singen so vor uns hin, da entstehen viele Grundideen für die Songs, die wir dann mit der Band oder alleine arrangieren. Manchmal ist es auch ein Gitarren-Rif, oder eine Textidee, die einen Song entstehen lassen. Wir inspirieren uns gegenseitig, das ist unsere Stärke.
Du und Tommy kennt euch ja schon sehr lange und hattet bereits Mitte der Achtziger eine Band namens HEARTLYNE am Start, und schon damals habt ihr euch als Songwriting Duo bewährt. Hat sich in eurer Art und Weise Songs zu schreiben etwas geändert?
Ja na klar, das ist doch schon so lange her. Wenn man sich als Musiker in so einer langen Zeit nicht weiterentwickelt hat, sollte man besser aufhören. Wir arbeiten heute ganz anders als früher, die meistens Songschreiber machen die Musik fertig, und dann kommt der Sänger und setzt seine Melodien und Lyrics darüber, was für mich der falsche Weg ist.
Wir versuchen, mit der Gitarre und dem Gesang zu spielen. Die Vocals sind ein Teil des Arrangements genau wie die anderen Instrumente. Auch ein Gitarrenriff kann der Chorus sein, hör dir mal Bands aus den Siebziegern an, und du weißt, was ich meine.
Wie würdest du die Entwicklung von SOUL DOCTOR beschreiben, wenn man „Blood Runs Cold“ mit dem ersten Album „Soul Doctor“ von 2001 vergleicht?
Ich finde, dass jedes Album seine Stärken hat und auf jedem sehr gute Songs zu finden sind. Im Nachhinein würde ich sagen, „Blood Runs Cold“ ist wohl am rundesten von allen geworden. Bei diesem Album ist uns einfach alles gelungen, was wir umsetzen wollten. Es ist ein sehr abwechslungsreiches Album geworden, und du wirst keine Füller auf der Scheibe finden, denn für mich gibt es nichts Langweiligeres als ein Album zu hören, wo ein Song wie der andere klingt.
Sind eure Lyrics eher fiktiv oder verarbeitet ihr auch aktuelle Dinge des Zeitgeschehens oder persönliche Erfahrungen?
In den Lyrics werden meistens persönliche Erfahrungen aber auch zeitgemäße Themen verarbeitet. "The Lie" z.b. handelt ja von bestimmten Menschen im Musikbuiseness, die dir immer nur was erzählen und "bla bla" machen und in Wirklichkeit die Musiker nur benutzen u.s.w.
Welchen Song von „Blood Runs Cold“ spielst du live am liebsten?
Ich spiele alle gerne, habe nicht wirklich einen Favoriten. Bestimmte Songs eignen sich nicht immer für live, andere wiederum sehr gut, das muss man ausprobieren.
Beim Sweden Rock Festival habe ich euch leider verpasst, und tourtechnisch seid ihr zurzeit ja nicht wirklich aktiv. Ist da etwas in Planung?
Na das tut mir ja echt Leid für dich, war ein geiles Konzert! Wieso nicht aktiv, wir haben gerade nach dem VÖ von „Blood Runs Cold“ das UFOR 3 sowie das Firefest 4 und ein paar Clubgigs gespielt.
Mit "nicht wirklich aktiv" meinte ich eher die Tatsache, dass ihr keine komplette Tour durch Deutschland spielt.
Natürlich sind weitere Sachen in Planung, Frankreich, Spanien und Japan schauen wir mal. Wir spielen im Januar ein paar Headliner Shows in Italien und bauen gerade an der dazugehörigen Tour fürs neue Album. Das Touring wird ja auch immer schwerer, da wir in Deutschland ja lieber völlig überhöhte Gagen in irgendwelche schnell reformierten ausländische Bands stecken, als mal lieber unseren eigenen Bands eine Chance zu geben.
Ich finde, wir haben selber auch eine Menge gute Bands, die eine Chance verdient haben. Aber die müssen erst in anderen Ländern entdeckt werden, bevor wir sie dann auch plötzlich geil finden!
Jetzt mal abgesehen von Tommy, Jogy und Michael, mit welchen Musikern würdest du gerne mal zusammen spielen? Wie würde deine Traumband aussehen, wenn du die Möglichkeit hättest, sie zusammen zu stellen?
Das ist wirklich schwer, da es so viele geile Musiker gibt, aber Jason Bonham und Tony Franklin wären schon zwei ganz heiße Kandidaten für mich. Es wäre jetzt wirklich unfair noch mehr zu nennen, da sie alle auf ihre Art und Weise einzigartig sind.
Habt ihr euch mit eurem fast zehnminütigen LED ZEPPELIN Medley einen Herzenswunsch erfüllt? Und von welchen Bands würdet ihr gerne noch Medleys spielen?
Das mit dem Medley ist eigentlich aus einer Not entstanden, da wir 2001 in Japan unsere erste Headliner Show gespielt haben und einfach nicht genügend eigene Songs nach nur einer Platte hatten. Also haben wir ein LED ZEPPELIN Medley gemacht, was wir dann irgendwann mal im Studio als warm-up live eingespielt haben.
Wir haben es dann des öfteren mal nach Lust und Laune in unser Live-Setup aufgenommen. Georg, unser Labelchef, wollte es unbedingt als Bonusmaterial für das neue Album haben, also haben wir es überarbeitet, und so kam es dann auf die Platte. Weitere Medleys sind definitiv nicht geplant.
Du hast ja in der Zwischenzeit einen Endorsement Deal mit GIBSON Guitars ergattert. Wie viele Gitarren von GIBSON hast du und welche spielst du am liebsten? Und was sind deiner Meinung nach die Features, die GIBSON Guitars von anderen Gitarren unterscheidet?
Da ich schon immer Les Pauls gespielt habe, freue ich mich natürlich, jetzt einen weltweiten Support von der Firma zu haben, deren Instrumenten ich schon seit Jahren vertraue. Ich hatte schon eine Menge Anfragen von anderen Firmen, aber nur weil die Instrumente gestellt werden, muss ich sie ja nicht spielen, dann kaufe ich mir lieber das, was ich spielen möchte. Die Les Paul ist halt purer Rock´n Roll, ihr Sound ist einzigartig und sie ist absolut zeitlos, und da ich ziemlich große Hände habe, für mich einfach ideal. Ich habe fünf Les Pauls und noch ein paar andere Gitarren. Ich spiele sie alle, je nachdem was ich gerade für einen Sound haben will.
Welche Amps und Effekte benutzt du? Ist dein Studio-Equipement identisch mit dem Live-Equipement, oder variierst du damit?
Im Studio benutze ich eine ganze Menge verschiedenes Zeug an Amps und Effekten, zu meinen Favoriten zählt allerdings mein Boogie Dual Rectifier der ersten Generation, mit dem ich eigentlich fast alle Gitarrenparts einspiele, seit neustem kommt noch ein Randall MTS 100 zum Einsatz, wo man verschiedene Module benutzen kann, je nach dem was man für einen Sound haben will, sehr coole Sache.
Mit den Jungs von Randall arbeite ich auch seit der letzten Scheibe zusammen, und die machen einen geilen Job. An Effekten benutze ich mein altes Cry Baby Wah Wah und meine Line6 Modulation und Echo Modeller, sowie meine Talk Box. Live und Studio ist eigentlich fast das identische Setup.
Welche Alben würdet du als die bezeichnen, die dich als Musiker am meisten beeinflusst haben? Und warum?
Da gibt es auch eine ganze Menge, LED ZEPPELIN, THIN LIZZY und WHITESNAKE u.s.w., einfach zu viele um sie alle aufzuzählen, aber es sind, glaube ich, fast alles Alben aus den 70ern. Du kannst dir in jeder Musikrichtung Anregungen holen, solltest aber immer versuchen, wie du selber zu klingen und einen eigenen Sound zu bekommen.
Ich finde, dass uns das inzwischen gut gelungen ist. Früher hatte die Rockmusik auch für die Musiker noch einen anderen Stellenwert, man lebte die Musik mit Emotionen, feeling und allem was dazu gehört, und das spiegelt sich meiner Meinung nach auch in den Kompositionen wider.
Den Bands ging es in erster Linie um's live spielen und touren, heute setzt sich jeder an seinen PC schiebt ein paar immer gleich klingende Drumsamples zusammen, Gitarren und Vocals rauf und fertig. Diese Projekte machen doch alles kaputt, die Musiker haben sich noch nicht einmal zur Fotosession getroffen, und von Livespielen überhaupt keine Rede. Das kann nicht die Seele der Rockmusik sein!
Chris, wie würdest du jemandem, der noch nie von euch gehört hat, die Musik von SOUL DOCTOR schmackhaft machen?
Ich denke, dass jedem Hard Rock Fan, der das neue Album "Blood Runs Cold" hört, das Herz höher schlägt als zuvor, da es von den Songs der Performance der Emotionen und der Energie, die rüberkommt, einfach absolut stimmt, und das ist es, was ein gutes Album ausmacht. Um es kurz zu machen: Gitarren-orientierten „SOUL DOCTOR ROCK“.
Mit was beschäftigst du dich noch außerhalb der Musik? Kann man einen Chris Lyne auch mal beim Joggen, beim Fußball oder im Kino erwischen?
Ja na logisch, jeden Freitag sitze ich mit meinem Canasta Club zusammen... Spaß beiseite, Tommy und ich haben sogar eine Zeit lang in der Berliner Freizeitliga Fußball gespielt.
Mit meinem Hund im Wald unterwegs zu sein liebe ich auch, ansonsten bin ich ein ganz normaler Typ.
Und wie immer zum Schluss: Noch ein paar Worte für die Leser von BurnYourEars?
Wir werden weiter unseren Weg gehen und uns für unsere Fans richtig den Arsch abspielen. Jeder, der die Band einmal live gesehen hat, ist wieder gekommen, und das baut uns auf und zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Also wenn ihr die Chance habt, lasst es euch nicht entgehen. Danke für das Interview und euer Interesse an SOUL DOCTOR.
Chris, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, meine Fragen so ausführlich zu beantworten. Und ich hoffe, ich kann euch auch bald mal live sehen.
http://www.souldoctorrocks.com
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