Geschrieben von Montag, 07 Januar 2013 17:55

Sick Of Society - Interview zu "Niemals wie der Rest" mit der Band

"Niemals Wie Der Rest" heißt das aktuelle Werk von SICK OF SOCIETY, das Punktrio kann mittlerweile auf über zwanzig Jahre Bandgeschichte zurückblicken. Wir baten alle Drei zum Interview und bekamen ausfürliche Antworten zum musikalischen Background von SICK OF SOCIETY und zur Entstehung der aktuellen Platte. Zudem erfuhren wir, wer für die metallischen Momente zuständig ist, wer früher Stretchhosen trug und kommen gegen Ende zu der verblüffende Erkenntnis, dass Arbeit gar nicht mal so scheiße ist.

Stellt euch bitte kurz vor. Wer ist bei SICK OF SOCIETY dabei, wer macht was?


Fizzi: Wir sind zu dritt – Oliver, Steini und ich. Oliver spielt Schlagzeug und ist unser „Organisationsvorstand" und Arschtreter. Ohne ihn würde bei uns nichts gehen. Er treibt uns an. Steini spielt Bass, singt und hat ein großes Auto. Da er keinen Alkohol trinkt, ist er auch gerne der Fahrer, wenn wir auf Tour sind. Ich singe und versuche, Gitarre zu spielen. Ich liefere die Songideen und einen Großteil der Texte.

Steini: Außerdem kümmere ich mich um die Finanzen unserer Band.

Oliver: Fizzi neigt gerne zur Übertreibung. Bei uns ist, meiner Meinung nach, jeder auf seine Art nicht zu ersetzen. Würde einer von uns aufhören, wäre das mit ziemlicher Sicherheit das Ende der Band. Da aber jeder von uns weiß, wie fragil das Gebilde SICK OF SOCIETY ist, bringt sich jeder entsprechend ein, um die Sache am Leben zu erhalten und natürlich voranzubringen. Jederzeit!

Wie fing damals alles an mit SICK OF SOCIETY?

Steini 1Oliver: Alles fing Ende 1989 an, als ich mit unserem damaligen Gitarristen Thomas H. die Band Wicked Power gründete. 1991 kam dann mein alter Schulkollege Fizzi dazu und schließlich folgte die Umbenennung 1993 in SICK OF SOCIETY. Die Anfänge waren wohl wie bei fast jeder Band... dilettantisch und geprägt von großem Optimismus. Tja, den Optimismus haben wir uns bewahrt. Ohne den wäre es nie und nimmer möglich, so lange durchzuhalten. Den Dilettantismus allerdings haben wir hinter uns gelasse ... vielmehr sind wir jetzt auf dem Weg zum „ambitionierten Musiker".

Seit zwanzig Jahren macht ihr schon Punk Rock, was hat sich geändert in den zwei Jahrzehnten SICK OF SOCIETY?

Fizzi: Am Anfang haben wir überwiegend Metal gemacht, wir trugen lange Haare und Stretch-Hosen. Aber auf den frühen Tapes und CDs waren auch schon vereinzelt Punk-Songs drauf. Die linke Punk-Einstellung hatten wir aber auch damals schon, ohne es wirklich auszuleben und ohne zu wissen, wo wir so richtig hingehören. Nach einigen Besetzungswechseln am Bass und der Gitarre haben Oliver und ich nach ein paar laschen Jahren dann mit Steini so richtig durchgestartet. Ich habe zu der Zeit auch wieder angefangen, mehr Punk zu hören und das hat sich mehr und mehr auf das Songwriting ausgewirkt. Bis dahin aber alles mit englischen Texten.

Ein Ereignis, das uns richtig stark beeinflusst hat, war ein gemeinsames Konzert mit WKA, bei dem Konrad K. mitgespielt hat. Konrad K. war früher der Sänger von ABSTÜRZENDE BRIEFTAUBEN und diese Band hat mich im Alter von 14 Jahren zum Punk hingeführt. Der Abend war eine Rückbesinnung und die Initialzündung in Richtung D-Punk. Danach immer mehr Songs mit deutschen Texten, die Haare hochgestellt und viele Gigs und Touren. Ich persönlich fühle mich nach vielen Jahren des Suchens in der Punk-Szene nun wirklich angekommen!

Steini: Ich denke, unser Anspruch hat sich geändert über die Jahre. Früher war es nur wichtig, zu spielen. Egal wie besoffen. Heute heißt das Ziel: Musizieren muss noch möglich sein (lacht). Oliver, korrigiere mich, wenn ich falsch liege.

Oliver: Steini, keine Korrektur nötig... stimmt! Und nur so viel – ich habe noch nie Stretch-Hosen getragen. Fizzi, nicht immer von sich auf andere schließen!

Mir gefällt euer Album „Niemals Wie Der Rest" richtig gut, wie lange habt ihr gebraucht um es einzuspielen und wie kann man sich euren Arbeitsprozess vorstellen?

Fizzi: Es freut mich sehr, dass es Dir gefällt! Da ich ca. 200 km von dem Rest der Band entfernt wohne, können wir nur an ein bis zwei Wochenenden im Monat aufnehmen. Deshalb haben sich die Aufnahmen auch ein halbes Jahr lang hingezogen. Unser Arbeitsprozess ist auch von der Entfernung geprägt. In der letzten Zeit hat sich deshalb folgender Arbeitsablauf ergeben: Ich komponiere Songideen und verschicke sie übers Internet an meine Bandkollegen. Die sagen dann gut oder scheiße bzw. was noch zu verbessern ist. Wenn für einen Song diese Hürde genommen wurde, machen wir uns bei einer der nächsten Proben gemeinsam an den Song. Manchmal wird die Songidee 1:1 übernommen, manchmal fummeln wir aber bis zu drei Monate an einem Song rum. Wenn 15 bis 18 Songs geschrieben sind, machen wir uns an die Aufnahmen. Das läuft klassisch so: erst Schlagzeug, dann Gitarre und Bass und dann der Gesang. Das ist wirklich Arbeit, bei der man sich immer wieder motivieren muss. Insgesamt dauert es von der ersten Songidee bis zum fertigen Album ca. drei bis vier Jahre.

Oli 1Steini: Fizzi ist der Farin Urlaub von SOS. Wenn wir jede Idee umsetzen würden, könnten wir wahrscheinlich jedes Jahr eine CD rausbringen, aber dafür fehlt uns einfach die Zeit. Außerdem macht uns das Live spielen deutlich mehr Spaß als die „Studioarbeit".

Ihr könnt sicher davon nicht leben, was macht ihr, um eure Rechnungen bezahlen zu können?

Fizzi: Ich sage nur: Arbeiten ist scheiße!

Steini: Da muss ich Fizzi leider Recht geben, aber ohne geht es nicht.

Oliver: Da sich von Straßenattitüde und Punkromantik inkl. Schnorren und in besetzten Häusern leben keine Rechnungen bezahlen und Familien ernähren lassen, sind wir alle drei gezwungen „regulären" Jobs nachzugehen. Leider...

Arbeiten ist meiner Meinung nach generell nicht scheiße – ich arbeite eigentlich sehr gerne. Lediglich einen Job zu machen, der einem keinen Spaß macht, nur des Geldes wegen – das ist suboptimal! Ohne Arbeit hätten wir es schließlich auch nicht geschafft, über 20 Jahre durchzuhalten und regelmäßig Alben zu veröffentlichen.

Ihr habt eine ordentliche Mannschaft an Gastsängern und Gastsängerinnen auf „Niemals Wie Der Rest" und tourt auch oft mit diesen Bands. Wie kam es zu den Beiträgen, eher spontan?

Fizzi: Einige von den Gästen haben sich mittlerweile zu echten Freunden entwickelt, die wollten wir unbedingt auf der CD drauf haben. Ein zweiter Grund ist, dass wir immer etwas Besonderes auf unseren Alben haben möchten, was die Songs auch für uns beim Anhören noch interessant macht. Und da bieten sich unterschiedliche Sänger an. Wenn wir die CD anhören, freuen wir uns jedesmal, wenn wieder ein Gast zu hören ist.

Steini: Wir haben das Glück, ein eigenes kleines Studio zu haben. Wie Fizzi schon erwähnte, haben wir mit allen Gästen auf der CD zusammengespielt. Nachdem einige Shows in Ulm waren, konnten die Gäste uns im Studio besuchen und ihren Part einsingen ...

Oliver: ... den Rest haben wir dazu genötigt, in anderen Studios bzw. in deren Proberäumen aufzunehmen.

An euren Texten gefällt mir besonders gut, dass sie nicht künstlich geschönt sind, sondern klingen „wie euch der Schnabel gewachsen ist". Schreibt ihr die einmal runter und gut ist, oder feilt ihr da schon lange dran rum?

Fizzi: Ich habe auf der neuen CD die deutschen Texte geschrieben und die sind einfach so aus mir rausgekommen, ohne viel nachzudenken. Inhaltlich gehen meine Texte schon immer in die gleiche Richtung. Früher bei den englischen Texten ist es mir immer recht schwer gefallen, mich richtig auszudrücken. Und jetzt bei den deutschen Texten ist diese Übersetzungshürde weggefallen und sie sprudeln, sprudeln, sprudeln ....

Was erwartet den Besucher eines SICK OF SOCIETY Konzertes?

Fizzi: Punk, Pogo, Party.

Steini: Drei hochmotivierte „Musiker", die sich darüber freuen, wenn der Pogo abgeht und man den Einen oder Anderen danach am Merch-Stand trifft, wo wir unser Zeug zum Selbstkostenpreis verscherbeln.

Was steht für die Zukunft auf dem Plan, kann man nochmals mit einer DVD rechnen?

Fizzi: Die nächste CD ist für 2015 geplant. Eine DVD machen wir erst wieder zum dreißigjährigen Bandjubiläum! Bis dahin wollen wir aber so viel Live spielen, wie es geht.

SOS 1Steini: Ich denke, das nächste größere Event wird die 20 Jahre SOS Party. Außerdem spielen wir dieses Jahr unsere erste Show in England.

Oliver: Nett zu hören, was meine Bandkollegen so orakeln. Lassen wir uns überraschen, ob das dann auch alles so klappt. Wäre schön ...

Aus meiner Sicht steht für 2013 erst einmal der Remix unseres Band-Waterloo „Underground" an. Als ich das damalige Endergebnis der 1998 erschienenen CD in den Händen hielt, war ich am Boden zerstört. Das ging überhaupt nicht. Zum Glück haben wir das komplette Rohmaterial noch verfügbar, so dass man heutzutage sicher noch was retten kann und den Songs zu der Verpackung verhelfen kann, die sie letztlich verdient haben. In welcher Form die Scheibe dann veröffentlicht wird, werden wir sehen.

Hört ihr privat ausschließlich Punk Rock oder was sind so die Perlen aus eurer Musiksammlung?

Fizzi: Ja, ich höre mittlerweile nur noch Punk. Meine Lieblingsbands sind The Casualties, Rasta Knast, Alarmsignal, Rancid, Bad Religion.

Steini: Ich bin durch den Fizzi erst zum Punk gekommen. Klar habe ich vorher auch schon mal die Hosen und Ärzte gehört, aber gilt das als Punk? Derzeit höre ich ziemlich viel Hardcore wie Comeback Kid oder Verse. Aber auch die alten Metallica Scheiben werden immer einen Platz in meiner Musiksammlung haben. Im Punk gefällt mir NOFX, Bad Religion, Alarmsignal usw.

Oliver: Ich bin eigentlich nach wir vor ein 100%iger Metalhead, ohne Kutte und lange Haare. Das ist meine Musik und wird es immer bleiben. Davon abgesehen habe ich mich inzwischen mit einigen Deutsch-Punk-Sachen gut angefreundet. Mit Alarmsignal, Daily Terroristen, Betontod und einigen anderen. Und meine derzeitige absolute Lieblingsband kommt auch aus dem Punk-Bereich: The Casualties. Live bekommst Du derzeit keine bessere Show geboten ... außer vielleicht von SICK OF SOCIETY, wenn wir einen guten Tag haben!

Vielen Dank für das Interview, ihr habt das letzte Wort!

Oliver: Danke für's Interview. Leute schaut mal bei www.sickofsociety.de vorbei und lasst den Shop nicht aus! Man sieht sich irgendwo on the road ... Cheers!

Fotos: © Chris Reichel Photography