Endlich ist es erschienen, das lang erwartete zweite Album der norwegischen Überflieger KVELERTAK. Vor dem Livegig am Karfreitag in Hamburg trafen wir uns mit Gitarrist Maciek Ofstad zum Interview, um über „Meir“, das Tourleben und die Zukunft der Band zu plaudern.
Einen Interviewtermin um 14:00 Uhr mit dem Gitarristen einer Band zu vereinbaren, die für ihre wilden Bühnenshows bekannt ist, klingt erst mal ein wenig realitätsfern. Insofern wundere ich mich auch nicht, dass ich ein Weilchen warten muss, bis Maciek den Schlaf aus den Augen gerieben hat und im Cateringbereich der Hamburger Markthalle erscheint. Trotz der vielen gespielten Gigs und kurzen Nächte der letzten Wochen ist er guter Laune und nach einem rabenschwarzen Kaffee stellt er sich mit viel Humor meinen Fragen.
Maciek, vor drei Jahren ist eure Debütplatte erschienen und Kritiker, Journalisten und Fans waren gleichermaßen begeistert. Jetzt scheint sich die Geschichte zu wiederholen. Ist das noch eine Überraschung oder habt ihr euch an den Erfolg gewöhnt?
Ganz so überraschend war es nicht mehr. Obwohl, lass es mich anders sagen: Niemand von uns hat beim ersten Album einen solchen Erfolg erwartet. Ich war damals total aus dem Häuschen. Und auch ein bisschen geschockt. Wenn du dann das zweite Album veröffentlichst, weißt du bereits, dass es Leute gibt, die deine Musik hören und große Erwartungen in dich setzen. Wir sind jetzt einfach nur glücklich, dass „Meir“ ebenfalls gut ankommt und wir uns weiterhin musikalisch verwirklichen können.
„Meir“ ist das norwegische Wort für „mehr“. Was gebt Ihr mehr als Band – oder anders gefragt, was steckt hinter dem Titel?
Als wir anfingen neue Songs auszuarbeiten und merkten, in welche Richtung es ging, fügte es sich ganz natürlich. Es fühlte sich an wie der zweite Teil eines Gesamtwerkes. Es ist also auf der einen Seite mehr von dem, was wir bereits auf „Kvelertak“ gemacht haben. Auf der anderen Seite haben wir aber auch neue Sachen ausprobiert. Mehr klassische Rockelemente und spacige Klänge. Das Album beinhaltet sowohl Upbeat-Songs, als auch düstere, schwere Stücke. Insbesondere bei den letzten Songs. „Meir“ zeigt mehr Facetten von uns.
Wie auch bei „Kvelertak“ habt ihr mit Produzent Kurt Ballon zusammengearbeitet und auch das Artwork stammt erneut von Baroness Fronter John Dyer Baizles.
Ja genau. Es war für uns genau das Richtige, wieder Kontakt mit Kurt aufzunehmen. Es war damals eine sehr erfolgreiche Zusammenarbeit und es verdeutlicht auch noch mal den Gedanken des Gesamtwerkes.
Hast du einen persönlichen Lieblingssong auf dem Album?
Ich finde viele Stücke sehr gut gelungen. Persönlich mag ich „Undertro“ am liebsten. Mir gefällt, wie sich der Song entwickelt.
Bei „Kvelertak“ handelten eure Texte oft von norwegischer Mythologie und von Gottheiten. Ist es bei „Meir“ ebenso oder habt ihr einen neuen Fokus?
Den haben wir. Es kommen zwar immer noch Stücke vor, die das alte Thema aufgreifen, aber uns war es wichtig, nicht als die "norwegische Mythologieband" wahrgenommen zu werden. Mit so einer Themenfestlegung beschneidet man sich irgendwann selbst und spätestens beim dritten Album erwartet dann jeder von dir, dass du auf der gleichen Ebene weiter machst. Auf „Meir“ haben wir Songs zu ganz unterschiedlichen Themen. Teils sind die Texte autobiografisch, einer handelt zum Beispiel davon, nie wieder zur Arbeit gehen zu müssen und seinen Traum zu verwirklichen. In anderen Songs geht es um das konsumorientierte Leben in Oslo und die Sehnsucht nach der Natur. Oder auch um einen intergalaktischen Reisenden, der auf der Erde landet, um die Menschheit auszulöschen. Es ist sehr vielfältig.
Ich bin ein großer Horror- und Splatterfilmfan. Daher gefällt mir euer neues Video zu „Månelyst“ (deutsch Mondlicht) sehr gut. Ihr habt alle Facetten des Horrorkinos in drei Minuten zusammengefasst – erzähl mir davon.
Das Video ist toll. Ich meine, man muss diese Filme einfach lieben. Und unser Freund und Regisseur Fredrik Hana hat da einen sehr guten Job gemacht. „Månelyst“ beinhaltet viele schnelle Schnitte und Gore-Elemente. Es ist so laut und bunt, dass man es mehrfach anschauen muss, um alles erfassen zu können. Es steht in einem schönen Kontrast zu „Bruane Brenn“, der ersten Videoauskopplung des neuen Albums, in dem Kinder in einem Wohnmobil den Song präsentieren. Das hätte wohl niemand erwartet.
Was all eure Videos gemeinsam haben, ist die Energie, die sie transportieren. Das ist auch etwas, was euch als Liveband ausmacht. Meine BYE-Kollegin Nadine war vor einigen Tagen bei eurem Gig in Wiesbaden und hat begeistert von eurer Power und der Nähe zu den Fans berichtet. Woher nehmt ihr die Kraft jeden Abend alles zu geben?
Weisst du, gerade bin ich sehr müde. Wir haben bereits 25 Shows auf dieser Tour gespielt. Aber ich bin hier, um genau das zu tun. Ich liebe es, mit meinen besten Freunden auf der Bühne zu stehen und loszulegen. Viel kommt aber auch von den Fans. Deren Energie überträgt sich auch auf uns.
Gibt es etwas Besonderes beim deutschen Publikum?
Auf jeden Fall. Die Deutschen machen alles zu 100 Prozent und sind dabei sehr ehrlich. Auf den Shows, die wir hier spielen, wollen die Leute explodieren und ordentlich feiern. Dafür kommen sie. Und es ist toll, dieses Erlebnis mit ihnen zu teilen.
Wusstest du, dass eine neue Location in Hamburg gefunden werden musste, weil die ursprünglich geplante zu schnell ausverkauft war?
Ja, das habe ich gehört. Wir freuen uns sehr über diesen Zuspruch.
Wie viele Gigs habt ihr noch vor euch?
Wir sind noch bis 13. April auf Tour. Die letzte Show findet in Oslo statt. Danach sind wir sechs Tage zuhause, bevor wir für fünf Wochen die USA bespielen. Dann noch mal zwei Tage zuhause und direkt im Anschluss startet die Festivalsaison.
Ist es manchmal schwer, von zuhause weg zu sein?
Ja, das nervt. Es ist so eine Hassliebe. Wenn ich auf Tour bin, wäre ich gerne zuhause und sobald ich wieder da bin, sehne ich mich nach dem Tourleben. Aber hey, Touren ist das tollste auf der Welt. Es ist mein Job. Wir sind die Seemänner der Neuzeit.
Erstaunlicher Weise scheinen viele eurer Fans weltweit Norwegisch zu sprechen oder zumindest eure Texte auswendig zu lernen. Habt ihr schon mal drüber nachgedacht, eine CD mit Sprachunterricht aufzunehmen?
(Lacht) Das ist gar keine schlechte Idee. "Norwegian for Metal-Dummies". Gefällt mir. Tatsächlich ist es ein relativ weit verbreitetes Phänomen. Insbesondere in Italien lernen viele junge Menschen Norwegisch, um die Lyrics von Black Metal Bands zu verstehen. Ich finde das großartig.
Letzte Woche habe ich auf der Homepage einer großen deutschen Tageszeitung einen Artikel über euch gelesen. Die Überschrift lautete: "KVELERTAK, klingt so Hipster-Metal?" Was sagst du dazu?
Ich sage, die sollen mal meinen Kleiderschrank öffnen. (lacht) Ich wusste bisher gar nicht, dass Hipsters sich auch über Musik definieren. Ich dachte, es geht um Brillen und zu kleine Hüte.
Wie geht es nach der Tour und dem Festivalsommer weiter? Habt ihr euch Ziele gesetzt?
Ich persönlich muss sagen, dass ich in der Zeit bei KVELERTAK schon viel mehr erreicht habe, als ich zu träumen wagte. Ich bin sehr glücklich mit meinem Leben.
Für die Band sieht es ähnlich aus. Wir freuen uns alle sehr, dass wir machen dürfen was wir lieben, und schauen einfach, wo wir landen. Ziele haben wir nie so klar definiert. Wir werden einfach so lange weiter machen, wie das Publikum uns noch hören möchte.
Maciek, vielen Dank, dass du dir die Zeit für mich genommen hast. Ich wünsche euch eine tolle Show heute Abend.
Danke auch. Wir sehen uns beim Crowdsurfen.
PS: Die Show am Abend war großartig. Selten habe ich eine Band gesehen, die so viel Spaß auf der Bühne hat und ihn so geballt ans Publikum überträgt. Wer mehr zu Konzerten von KVELERTAK lesen möchte, schaut sich Nadines Review aus Wiesbaden an.
Alle Artikel zu
Vero
Gastautorin mit Wacken-Expertise