Geschrieben von Kat Dienstag, 24 März 2009 14:50
One Fine Day - Interview mit Sänger Marten und Gitarrist Hendrik
ONE FINE DAY - Auf myspace entdecke ich einen extrem straffen Tagesplan der Band, bereits morgens um 6 Uhr herum waren sie bei hamburg1 zum Interview, dann ging es Schlag auf Schlag weiter. Und nach dem Gespräch mit mir soll noch ein kleines Unplugged-Set in der Bar stattfinden. Insgeheim bewundere ich die Kondition der Musiker. Als ich im Stechschritt und keuchend in der Bar ankomme (danke, ÖPNV, man sollte den Bereich Usability auf der Website mal dringend überarbeiten...) rödeln im Erdgeschoss Musiker und Label wild umeinander, Pizza wird geliefert und es herrscht fröhliches, aber konzentriertes Chaos. Nach kurzem Warten bittet man mich in den 1. Stock, wo sich Sänger Marten und Gitarrist Hendrik heißhungrig über eine Pizza hermachen. Die beiden sehen ein wenig müde aus, sind aber sehr freundlich und bestens aufgelegt.
Hallo! Seid doch erstmal so lieb und erzählt ein wenig über Euch. Unser Magazin hat noch nicht wirklich viel über Euch berichtet, aber da ich mich selber in letzter Zeit eher Richtung Alternative ausrichte, fand ich das Thema recht spannend. Euch gibt es in dieser Besetzung seit 2004, ist das richtig?
Marten: Genau, richtig. Also ursprünglich gibt es uns seit ´97, da haben Hendrik, Marco und ich die Band gegründet, wir haben damals noch ein wenig andere Musik gemacht. Über die Jahre sind dann halt die anderen dazugekommen und seit 2003, 2004 ist es die aktuelle Besetzung. Und dann haben wir auch angefangen, die ersten Sachen zu schreiben, für das erste Album.
Was habt ihr vorher gemacht? Du meintest ja grade, ihr hättet vorher andere Musik gemacht?
Hendrik: Vorher war das also schon dieser kalifornische Punkrock, dieser schnellere. Da waren unsere Wurzeln und da sind unsere Wurzeln. Da ist vielleicht auch noch etwas von übrig geblieben, aber das hört man so wahrscheinlich nicht mehr. (lacht)
Nee, nicht so.
Hendrik: Nicht so?
Nicht so... Ihr seid ein wenig schwer einzuschätzen. Ich habe im Internet herum gesucht, aber ich konnte wenig Privates finden. Euer Alter zum Beispiel...
Marten im exaltierten Tonfall: Das halten wir ja auch geheim! (lacht)
Hendrik: Ja, also Du musst ja wohl sagen, dass wir unheimlich jung aussehen!
Doch, natürlich!
Hendrik: Nein, also wir sind alle so zwischen Ende Zwanzig und Anfang Dreissig...oder Mitte Dreissig...
Dann habt ihr aber wirklich früh angefangen, oder? Wenn ihr ´97 schon begonnen hattet...
Beide: (mit Pizzamund) Alffo iff bin einundreiffig...also wir beide sind einundreissig. ..
Ok. Also eigentlich noch recht jung. Andererseits für den Musikstil, den ihr jetzt spielt, schon eine Ecke älter, oder?
Hendrik: Ja, aber ich glaube das ist aber normal! Ich meine, man lernt den Rockzirkus ja auch kennen, wenn man in einer Band spielt. Und wenn man dann die Kollegen trifft, die in diesem Zirkus auch schon quasi ein wenig weiter sind, die sind halt meist gleichaltrig. Klar gibt es auch immer "Teeniebands" , aber im Prinzip... ich meine, wir sind ja alle nicht mehr achtzehn. Also wenn da irgendwo mal so ein Hochglanzfoto ist, da sieht halt jeder jünger aus. Aber irgendwo muss man es ja auch erst mal lernen. Das braucht ja auch seine Zeit, als Band zusammen zu wachsen, ein Instrument richtig zu können und die Erfahrungen zu sammeln.
Marten: Und die Erfahrungen und die Erlebnisse, die schreiben einfach die beste Musik dann.
Ja, so kann man das sagen. Du bist aber auch derjenige der für die Texte verantwortlich ist, oder?
Marten: Richtig.
Wo nimmst Du deine Inspirationen her? Ich habe gelesen, dass Du zum Beispiel Neil Gaiman liest, oder Du hörst Bruce Springsteen... Hat das Einfluss aufs Schreiben, oder ist es eher das Leben, was ihr jetzt führt? Weil ihr ja immer bekannter werdet ...
Marten: Also Lesen oder andere Musik beeinflusst mich eher selten beim Texten. Eher sind es so persönliche Träume und Ängste, die man hat. Oder die man von jemanden aus seinem persönlichen Umfeld mitbekommt. Oder auch Situationen, die einem grade auf dem Pelz brennen.
Wie ist das zum Beispiel bei dem Song "Jimmys Day"? Ist das sowas wie eine Ode an einen Rentner, der endlich nicht mehr in diese Tretmühle muss?
Marten: Ja, zum Teil. Das ist einfach ein Song, der im Prinzip die Frage behandelt, ob man in seinem Leben glücklich ist. Wenn nicht, also wenn da irgendetwas ist, wo man sich sagt, es läuft nicht richtig, dann sollte man halt schleunigst zusehen, dass man an seinem Leben etwas ändert. Man kann auf Dauer einfach nicht glücklich sein, und dann sollte man auch ruhig mal den Mut haben auszusteigen. Und ganz von vorne anzufangen. Etwas "Verrücktes" zu tun, seiner Kreativität freien Lauf zu lassen.
Hendrik: Als Marten mir den Text zum Beispiel gezeigt hat, da habe ich mich auch darin wiedergefunden. Mit der Musik halt. Dass man seinen Träumen treu bleibt. Ich habe da echt mächtig Angst vor...also jetzt nicht mehr, ich mache jetzt ja genau das was ich will..aber ich hatte da eine zeitlang wirklich Angst vor dass ich irgendwann aufwache und so denke "Scheiße ey. Du hast total verpasst, dir deinen Traum zu erfüllen!" Und das wäre halt äußerst ärgerlich..
Sehr ihr euren Traum schon erfüllt? Wie weit wollt ihr noch kommen?
Marten: Teilweise ist es schon erfüllt, auch durch bestimmte Erlebnisse. Wir sind noch nicht an dem Punkt, dass wir in Saus und Braus leben können, wir überleben von der Musik. Das kann man so wohl sagen. Aber... das ist schon hart! Ich meine... ach, das kann man ja auch gerne mal sagen : Guck dir illegale Downloads an, oder wenn die Leute jetzt nicht zu den Konzerten kommen, das tut jeder Band weh! Wenn man dann auf dem Stand ist wo wir sind, da merkt man es noch ein bisschen mehr. Weil das sind einfach Grundbedürfnisse, die da gedeckt werden müssen.
Könnt ihr von der Musik jetzt schon leben oder habt ihr alle noch Jobs nebenbei?
Hendrik: Unser Trommler hat noch einen Job nebenbei, wir anderen können davon leben. Aber das ist wirklich auf absolutem Minimum, und wir mussten unsere Ansprüche ans Leben wirklich arg runter schrauben. Aaaber wat man nich alles tut dafür, nä? Also zum Beispiel fand ich es letztens ganz witzig, unser Gitarrist fährt so einen alten klapprigen Seat Marbella. Und das ist aber auch der einzige von uns, der wirklich ein eigenes Auto hat! Guck, so gut verdienen wir dabei (fröhliches Geglucker). Der Ferrari ist noch etwas weit weg..
Ihr seid aber doch alle aus Hamburg oder?
Marten: Eher Norddeutschland. Wir haben alle mal in Hamburg gewohnt, mittlerweile wohnen nur noch Erik und ich in Hamburg
Hendrik: Und kennengelernt haben wir uns im Raum Itzehoe.
Ach guck. Naja, das kenne ich da, ich komme ja aus Dithmarschen.
Marten: Aha! Aaaha!
Ähm.. Zurück: Ihr hattet doch dieses virale Marketing bei dem Song "Emily" betrieben. Das hat ja für ein wenig Aufsehen/Kritik gesorgt, weil es um ein vermisstes Mädchen geht und das Thema vielleicht nicht ganz so toll gewählt war...
Marten: Ja. Genau diesen Zwiespalt hatten wir auch. Es sollte am Anfang auch anders aussehen, als es letztendlich dann ausgesehen hat. Weil die "Vermisstenanzeige" war eigentlich so gehalten, dass man auf den ersten Blick sieht, dass es nicht ernst gemeint sein kann. Weil Emily war da 2,50 Meter groß, 97 Jahre alt..
Hendrik: ..ich glaube sie war sogar 200 Jahre alt ...
Marten: Dann 200 Jahre. Ok, aber wir haben da auch wirklich lange drüber geredet. Es war uns sehr wichtig, dass da keine Missverständnisse aufkommen. Das darf natürlich nicht passieren.
Ein wenig ist aber passiert...
Marten: Ja, das ist heikel. Aber wir haben uns sehr sehr dafür eingesetzt, dass diese Themen extrem gemacht werden, damit es wirklich jeder schnallen kann: es ist nicht real, was hier grade abgeht.
Ich stieß bei Recherchen im Internet ab und an auf ernstere Kritiken, das ging schon ein wenig nach hinten los. Habt ihr das mitbekommen? Ich selber habe diese Anzeige leider nie bewusst gesehen, aber ein Kritikpunkt war, ob man so ein Thema nutzen darf, um bekannt zu werden.
Marten: Oh? Also bei uns kam es nicht so an. Aber ich muss auch ehrlich sagen: wer das ernsthaft so sieht, der hat aber auch nicht richtig hingeguckt. Das ist halt so eine Frage, wo fängt man an, wo hört man auf.
Zu eurer Verteidigung sollte ich eventuell erwähnen, dass es in einer Kritik über "One Fine Day" stand, und der Text war von vorne bis hinten ein Riesen-Verriss. Vielleicht wollte man da auch einfach etwas falsch verstehen... das kann ja auch sein. Aber damit muss man wohl auch leben.
Marten: Ja natürlich! Kritiken sind ..ja... die schönen Seiten hört man natürlich gerne. Aber da gibt es natürlich auch mega Verisse. Das kann man aber keinem übel nehmen. Ich finde es nur immer ein bisschen doof, wenn Leute dann schreiben, da würde nichts drin stecken, da hätte man sich nichts bei gedacht, keiner hätte sein Herz reingesteckt oder sonst irgendwas. Wer sowas über meine Musik schreibt... da krieg ich wirklich einen Kamm. Wenn ich mich da anderthalb Jahre hinsetze und wirklich mein Blut niederschreibe und alles da rein stecke, mein ganzes Leben quasi auf diese Musik gemünzt ist... und dann schreibt irgend so ein Vollidiot was von "oberflächlichem Kommerzscheiß" ...
Hendrik: Wir verlangen ja nicht, dass es jeder auf der Welt mag. Aber wir möchten schon ernst genommen werden, und man kann sich ja auch objektiv damit auseinandersetzen. Denke ich..
Ja, auf jeden Fall, natürlich! Nehmen wir doch mal "Modern Messiah", das finde ich persönlich ziemlich geil. Wer steht dahinter? Wer ist der "Modern Messiah"? Ist damit überhaupt eine Person gemeint?
Marten: Das ist eher kritisch zu sehen. Die Leute heute rennen ziemlich schnell Trends hinterher, ohne sich damit auseinander zu setzen. Und auch ohne Sachen zu hinterfragen. Oft wird den Leuten Vorgefertigtes vor die Füße geschmissen, und die Leute nehmen es einfach ohne zu hinterfragen. Das kann sehr gefährlich sein, oder auch sehr langweilig und inhaltslos. Davon handelt der Song.
Ok, bei einem Song fiel mir bei den Riffs eine starke Affinität zu Kiss, Glam/Stoner auf. Mir fällt bloß der Song nicht ein, meine CD liegt unten... Äh....
Marten kramt sein Handy raus und spielt zielsicher "Sunset Drive" an, weil ich nicht auf den Titel komme...
HA! Ja genau. Verhöre ich mich nun total oder ist das wirklich eine Anleihe an Glam? So ein bisschen?
Hendrik: Doch, kann man so sehen.
Ich empfinde eure Musik überhaupt eher positiv bis partytauglich. Mehr so Collegerock/Springbreak? Stehe ich da jetzt völlig falsch? Ihr macht so einen ernsten und ruhigen Eindruck...
Marten: Oh, nein, völlig richtig, das liegt nur daran, dass wir müde sind! Wir sind auch Frohnaturen, natürlich! Wir haben auf unseren Konzerten jede Menge Spaß. Wir stehen da um Gottes Willen nicht herum und haben Flappen im Gesicht. Das soll brennen in der Hüfte! Da gibt es dann auch mal einen witzigen Spruch oder sonst was. Man kann sich auch gerne mal freuen und tanzen!
Sehr schön! Ich fand die Musik vom Stil her auch nicht ernst, aber die Lyrics fand ich teilweise im Gegensatz dazu doch sehr nachdenklich und ernsthaft. Ist Euch das genauso wichtig?
Marten: Hmmm. Ja. Ich denke halt gerne nach. (lacht) Ich meine, man kann den Leuten ja nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben. Aber ich persönlich könnte nicht leben, ohne nachzudenken. Oder ohne zu spiegeln. Oder ohne zu gucken, ob ich glücklich bin mit dem, was ich mache. Oder wie fühle ich mich denn dabei, was passiert denn gerade... (schmeisst beim Gestikulieren den Belag von der Pizza..) Oh. Jetzt schmeiss ich schon mit Pizza herum. Egal, man muss halt immer die Augen aufhalten!
Ihr habt einen wahnsinnigen Promorummel grade. Bis gestern um Mitternacht in Berlin, heute morgen um 6 Uhr das nächste Interview. Wie geht ihr damit um? Ist das jetzt das, was ihr gewollt habt? Klar will man Promo machen, aber habt ihr euch damals vorstellen können, dass es so anstrengend werden könnte?
Marten: Weiß nicht. Bisher finde ich es gar nicht so anstrengend, weil es einfach Spaß macht. Ich zum Beispiel freue mich tierisch, dass das Interesse an uns so groß ist, und das bestätigt uns ja auch in dem, was wir gemacht haben. Bisher hat jeder Termin irgendwie Spaß gemacht. Selbst wenn jetzt grade durch dieses gedämpfte Licht der Eindruck entsteht, wir sind ein bisschen depri (grinst breit). Wir sind aber grad recht froh drüber!
Hendrik: Ich muss da auch sagen, vor fünf oder sechs Jahren habe ich es mir auch nicht so vorgestellt, damals wollte ich einfach nur rocken. Da stand ich im Proberaum und das war mein Leben, wie es halt so ist. Aber man lernt ja nie aus (lacht), das hier gehört einfach dazu! Und wenn es dann auch noch Spaß macht, und bis jetzt hat es das, dann ist es völlig in Ordnung.
Marten: Man kann dadurch ja auch immer wieder neue Leute kennenlernen. Und unsere Musik und uns als Menschen den Leuten vorstellen.
Ich muss ebenfalls ganz ehrlich zugeben, dass ich hier viel mehr Spaß als erwartet habe. Aber bitte noch kurz zu euren Zukunftsplänen: was läuft dieses Jahr noch?
Hendrik: Ja, jetzt ja erstmal die Tournee mit den PinBalls, da ist ja die Anne dabei, die auf der CD auch mitgesungen hat. Und dann haben wir schon ein paar Festivals bestätigt, aber da hoffen wir auf noch viel mehr.
Welche Festivals spielt ihr bisher?
Hendrik: Ouh. Ich bin da ganz schlecht mit den Namen...
Marten: Also das Earthquake, Big Day Out..ähmähmumähm...na, also alles so mittelgroße. Aber wir sind halt in der Pipeline drin für das Hurricane, Rock Am Ring, Area 4... da hoffen wir, dass wir da mit reinrutschen.
Damit wäre der Sommer ja gut ausgefüllt. Dann folgt die Arbeit am nächsten Album?
Hendrik: Ja, da müssen wir mit anfangen! Wir wollen nicht wieder so lange warten wie dieses mal, das hat ja anderthalb Jahre gedauert. Das war ein bisschen lang. Allerdings wollen wir im Herbst auch nochmal unterwegs. Wir haben viel vor und haben da auch tierisch Bock drauf!
Das merkt man auch! Erst einmal natürlich vielen Dank, das hat total Spaß gebracht. Aber ich möchte von Euch beiden noch ein paar warme Worte für die Leser. Oder allgemeine Worte nach draußen.
Marten: (Man sieht förmlich, wie das Hirn losrattert) Warme Worte......warme Worte..jaaaa ...
Hendrik: ICH fände es unglaublich schön, wenn irgendjemand, der dieses hier liest, mal zu uns zum Konzert kommt und uns dann auch mal kennenlernt. Weil wir auch immer am Merch stehen, und wenn jemand noch eine Scheißmeinung über uns hat, der kann sich dann gerne davon überzeugen, dass wir gar nicht so ätzend sind (lacht schallend los)
Marten: Jaaa...also ich kann immer nur wieder den Tipp geben: Schaut euch um. Haltet die Augen offen. Und guckt in euch selbst rein. Dann seid ihr glücklich. Wenn nicht, solltet ihr schleunigst was dran ändern. Das ist gar nicht so schwer, wie es sich anhört...
Als ich kurz darauf durch den nassen grauen Abend nach Hause platsche, hatte ich eine viel bessere Laune. Selbst der Regen störte gar nicht mehr. Sieh mal einer an. Mir bleibt nur ein großes Danke und viele schöne Wünsche an die fünf Jungs von One Fine Day!
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