Geschrieben von Dienstag, 14 Mai 2013 20:06

Heaven Shall Burn - Interview zu "Veto" mit Matze

Kurz nach dem Release ihres neuen Albums "Veto" standen HEAVEN SHALL BURN bereits auf Platz zwei der Albumcharts. Wir sprachen mit Schlagzeuger Matze über die neue Platte, die BILD-Schlagzeile, Tierschutz und Veganismus sowie Zukunftspläne.

Euer jüngstes „Baby" „VETO" ist seit kurzem released. Wie waren die ersten Reaktionen und wie habt Ihr diese empfunden? Ihr wart ja schon am Tag der Veröffentlichung mit dem Song „Hunters Will Be Hunted" in der BILD...


Bis jetzt sind die Reaktionen sehr, sehr positiv. Man kann wirklich sagen, dass es mit noch keiner Platte so gut geklappt hat, wie jetzt eben mit "Veto". Der Charteinstieg auf Platz zwei ist auch ein deutliches Zeichen. Natürlich hängen solche Dinge nicht nur von der Qualität einer Platte ab, sondern auch von anderen Faktoren, aber auf jeden Fall kommt die Platte sehr gut an.

Ja, die Sache mit der BILD war ziemlich aufgeblasen. Irgendwie hat es niemand so richtig ernst genommen und es scheinen sich nur ein paar Jäger und eben dieser jagende CDU-Typ aufgeregt zu haben. Alle anderen Menschen wissen scheinbar, was Metaphern sind und haben sich mit Text und den Hintergründen befasst. In „Hunters Will Be Hunted" geht es schließlich darum, dass wir Sea Shepherd unterstützen und nicht darum, dass wir den Jägern nach dem Leben trachten. Schließlich sind wir gegen das Töten von Tieren, weil wir Leben respektieren und schützen wollen. Das beinhaltet auch, dass wir beispielsweise gegen die Todesstrafe sind. Nichts liegt uns ferner, als jemandem den Tod zu wünschen.
Aber wie gesagt, 95 Prozent der Leute konnten das schon richtig einordnen und kapieren auch unser Anliegen. Dieser Politiker scheint aber nicht über die notwendige Auffassungsgabe zu verfügen. Dass dann die BILD auf den Zug aufspringt, ist auch klar.

Mit „Invictus" hattet ihr eine Trilogie abgeschlossen. Was würdest Du sagen, hat „Iconoclast", die „Bildersturm"- Aufnahmen und „Invictus" geeint?

Es ging darum, die Menschen anzuhalten, Dinge zu hinterfragen. Das hat sich wie ein Roter Faden durch diese drei Veröffentlichungen gezogen. Bei den beiden Alben haben wir Geschichten von teilweise vergessenen Helden erzählt, Menschen, die wirklich etwas geleistet haben. Auf der anderen Seite haben wir auch Mythen oder die Heroisierung von einigen Persönlichkeiten hinterfragt. Unserer Ansicht nach werden einige Menschen durch die Geschichtsschreibung nahezu heilig gesprochen, die es vielleicht nicht so verdient haben bzw. bei denen sich eine kritischere Betrachtung durchaus lohnt. Andere wiederum bekommen nicht die Wertschätzung, die sie eigentlich verdient hätten. Das haben wir versucht, in den Texten aufzugreifen.

Bei der DVD mischt sich in der Dokumentation Realität und Fiktion. Wir erzählen also teilweise totalen Käse und lügen, dass sich die Balken biegen. Die meisten Leute nehmen es aber für bare Münze. Das passiert ganz frei nach dem Motto: „Das haben die in der DVD gesagt, also muss es stimmen!". Wir wollten damit den Leuten zeigen, dass sie auch hier alles hinterfragen müssen, eben auch uns.
Im TV geschieht es ja auch ständig, dass Dinge einfach geglaubt werden, weil sie dort gesagt werden. Das geht in die gleiche Richtung und wenn man sich einmal selbst dabei ertappt, wie man hinter's Licht geführt wird, sieht man die Dinge in Zukunft vielleicht etwas kritischer.

Auch „Veto“ weiß klanglich und textlich wieder zu überraschen. Was habt Ihr im Vergleich zu „Invictus“ anders gemacht? Das melodische „Godiva“ sticht ja zum Beispiel schon sehr heraus.

... wobei „Godiva" fast schon ein „Ausreißer" ist. Er unterscheidet sich ein wenig vom Rest der Songs, sowohl was das Tempo angeht, als auch die Melodieführung. Es ist aber natürlich fast schon etwas gewagt, einen Song als Opener zu benutzen, der nicht so repräsentativ für die ganze Platte ist... haha!

Es war insgesamt etwas mehr Zeit vorhanden, als bei den Platten zuvor und man konnte mehr an Details arbeiten und ein wenig länger an den Songs feilen. Das macht schon viel aus, da wir ja nicht den Stil an sich verändert haben, sondern uns nur innerhalb unserer Grenzen bewegen. Wenn man dann alles etwas besser ausarbeitet, kann man schon viel bewegen.
Außerdem haben wir dieses Mal auch beim Sound aufgepasst, dass nicht wieder alles so überladen und so laut wird wie bei „Invictus". Tue Madsen hatte uns schon damals gesagt, dass es zu viel ist, aber wir wollten nicht hören. Mittlerweile haben wir das aber eingesehen.

Das Album wirkt rein thematisch nicht wie ein Konzeptalbum. Habt Ihr in den Texten vor allem Themen behandelt, die Euch schon länger unter den Nägeln gebrannt haben, oder habt Ihr Euch etwa mit den Leben von Victor Jara („Die Stürme Rufen Dich") und Walter Schilling („Antagonized") besonders aktuell stärker beschäftigt?

Nee, ein Konzeptalbum ist es nicht. Maik, der unsere Texte schreibt, war sicherlich auch ganz froh, dass er jetzt die Themen unabhängig von einander aufgreifen konnte und sie nicht in ein Konzept pressen musste. Die Idee zur "Iconoclast"-Trilogie kam zwar auch von ihm, aber die ganze Sache hat sich am Ende ja über drei oder vier Jahre gezogen und wenn man eine solche Idee hat, ist einem das vielleicht noch nicht so bewusst.
In den letzten Jahren hat Maik außerdem an seiner Doktorarbeit geschrieben und das Thema hat sich unter anderem mit der DDR-Opposition befasst. Da stößt man automatisch auf den Namen Walter Schilling. Es war aber auch schon vorher präsent, da der Vater unseres Bassisten Eric selbst früher viel mit Walter Schilling zu tun hatte. Das Thema war also schon länger auf dem Tisch.

Bei Victor Jara ist es so, dass wir uns auch auch schon zu „Antigone"-Zeiten mit ihm befasst haben. Generell ging es schon öfter um die Problematik in Chile während des Militärputsches. Das ist auch eine Art Roter Faden, der sich bei uns durchzieht, auch wenn das Thema immer wieder in anderer Form aufgegriffen wurde und manchmal vielleicht auch nicht so offensichtlich.

Zum Song „Hunters Will Be Hunted", der aktuell gerade Zündstoff lieferte, habt Ihr ein Video gedreht. War die Idee dazu von Anfang an da, oder hat es sich relativ spontan ergeben?

Wir haben bei dem Video wieder mit Film-M und Philipp Hirsch zusammengearbeitet, der auch schon für die Videos von „Endzeit", „Black Tears" und auch für unsere DVD verantwortlich zeichnet. Er hatte schon recht früh einige gute Ideen für einen Clip zu dem Song. Die Umsetzung war dann aber schon mehr oder weniger spontan, da sich oft erst vor Ort zeigt, was am besten klappen könnte. Es wurde dann schon ein wenig vom eigentlichen Drehbuch abgewichen, aber das ist sicherlich auch ein Stück weit normal.
Dass es ein Video für „Hunters Will Be Hunted" sein wird, war aber relativ früh klar. Mit dem Song wollten wir auf Sea Shepherd aufmerksam machen und er liegt uns wirklich am Herzen.

A propos Zündstoff – könnte man „You Will Be Godless" auch in einem Zusammenhang mit den Aussagen des mittlerweile gesperrten Blogs „kreuz.net" nach Eurem Gig auf dem letztjährigen WITH FULL FORCE Festival sehen?

Nein, sicherlich nicht. Die Katholische Kirche selbst bietet schon genügend Inspiration durch den Dreck, der dort so hoch wie der Himalaya unter den Teppich gekehrt wurde und durch die Menschenverachtung, mit der auch die Offiziellen immer wieder Intoleranz sähen. Dieser kreuz.net-Kram ist doch nur ein weiterer radikaler Ableger von ein paar Spinnern, die noch einen Schritt weiter gehen.

Nachdem Ihr in der Vergangenheit Songs von Bands wie EDGE OF SANITY oder HATE SQUAD gecovert habt, ist auf „Veto" nun ein gelungenes Cover des BLIND GUARDIAN Klassikers „Valhalla" zu finden. Warum habt Ihr gerade diesen Song gerade für dieses Album ausgewählt? Wie war die Zusammenarbeit im Studio mit Hansi Kürsch?

Das war irgendwie auch schon immer klar, dass dieser Song irgendwann mal dran glauben würde... haha! Wir fanden BLIND GUARDIAN schon immer cool und das ist eben unsere Hommage.
Hansi Kürsch hat die Gesangsspuren im eigenen Studio aufgenommen. Es lief alles höchst professionell ab, er hat sehr viel Enthusiasmus gezeigt und sogar noch Ideen eingebracht und uns geholfen, das Stück richtig zu arrangieren. Er hat also nicht einfach seinen Stiefel runter gesungen, sondern alles noch viel besser gemacht, als wir es uns erhofft hatten. Auf jeden Fall sind wir mächtig stolz, dass er uns seine Stimme geliehen hat und dass ihm die Version auch zu gefallen scheint.

Tierschutz und Veganismus verbindet man mit HEAVEN SHALL BURN ebenso wie KISS mit ihrer Schminke, obwohl bei Euch natürlich ein sehr viel ernsterer Hintergrund dahinter steht. Was haltet Ihr vom derzeitigen „Mode-Veganismus", der für Viele zu einem gewissen Lifestyle dazugehört? Empfindet Ihr manchmal auch eine gewisse Resignation oder Wut angesichts mancher politischer Debatten und der offensichtlichen Ignoranz in Bereichen des Umweltschutzes?

Es ist ja schon mal gut, dass sich die Leute generell mehr mit dem beschäftigen, was sie essen. In den letzten Jahren ist da sehr viel passiert, was sicherlich nicht zuletzt an den Lebensmittelskandalen liegt, die immer wieder durch die Medien geistern. Die Menschen können mittlerweile sehen, was Massentierhaltung und was unüberlegter Konsum alles anrichten kann. Die Missstände sind ja nur eine Folge des Konsumverhaltens der Menschen. So lange der Großteil immer nur viel für wenig Geld haben will, wird sich das auch nicht ändern.

Das muss man ja alles im großen Zusammenhang sehen. Viele Probleme entstehen dadurch, dass die meisten Menschen Fleisch zu jeder Mahlzeit haben wollen und nicht wie früher einmal pro Woche. Davon abgesehen finde ich Fleischkonsum heutzutage einfach nicht mehr zeitgemäß.

Resignation wäre falsch, weil sich ja schon etwas tut. Man braucht nur Geduld. Vielleicht stehe ich mit meiner Vermutung alleine da, aber ich gehe davon aus, dass in vielleicht schon 200 Jahren Fleisch essen eher die Ausnahme sein wird. Einmal, weil es ethisch-moralisch kaum noch der Norm entsprechen wird, aber auch – und vielleicht vor allem – weil es zu teuer sein würde. Das Trinkwasser wird sich verknappen und auch Weide- oder Futteranbauflächen werden nicht mehr in dem Ausmaß zu finden sein. Fleischproduktion und Massentierhaltung sind zur Nahrungsmittelgewinnung äußerst ineffizient, da Unmengen an Ressourcen verschwendet werden. Wenn man pflanzliche Lebensmittel direkt konsumiert, braucht man wesentlich weniger Rohstoffe, weil die angebauten Produkte direkt konsumiert werden.

Zur Fleischproduktion benötigt man sieben oder acht Kilo pflanzliche Kost und Unmengen an Wasser, um ein Kilogramm Fleisch zu „erzeugen". Das ist so verschwenderisch, dass sich das Problem mit dem übermäßigen Fleischkonsum irgendwann selbst erledigt haben wird. Der Konsument bezahlt ja jetzt schon unrealistisch tiefe Preise für tierische Produkte, weil alles aus Steuergeldern finanziert wird. Das wird irgendwann nicht mehr möglich sein. 

Also, Resignation ist fehl am Platze. Allerdings macht es einem Sorgen, wenn man sieht, wie die Leute beispielsweise von der Bundesverbraucherschutzministerin für dumm verkauft werden. Man kann sich ja ausmalen, welcher Quatsch einem da auch auf anderen Gebieten erzählt wird.

Im letzten Jahr seid Ihr erneut sehr viel herumgekommen und habt es mit einer Tour zusammen mit NEARA abgeschlossen. Wie sehen Eure Pläne für dieses Jahr aus?

In diesem Sommer stehen ein paar Festivals an und eine Tour ist erst für November oder Dezember geplant. Da ist aber noch nicht genau bekannt, wer da mit dabei sein wird und wann es genau los geht. Also am besten Augen und Ohren offen halten. Sobald es Neuigkeiten gibt, werden wir sie auch über unsere Homepage, Facebook und all die anderen Kanäle bekanntgeben.

Hast Du noch ein Schlusswort an die Leser?

Vielen Dank für die Unterstützung und das Interesse an HSB! Ich hoffe, wir sehen uns auf der Tour oder auf dem einen oder anderen Festival in diesem Sommer!