Geschrieben von Sonntag, 02 Juni 2013 19:35

Dark Tranquillity - Interview zu "Construct" mit Niklas Sundin

DARK TRANQUILLTIY haben mit "Construct" endlich mal wieder richtig hingelangt und ein düsteres, homogenes Album veröffentlicht, welches bei uns die Höchstwertung erlangt hat. Gitarrist Niklas nahm sich Zeit, um im Interview unsere Fragen zu beantworten und gemeinsam warfen wir einen Blick zurück zu den Anfängen, auf das Hier und Jetzt  zu "Construct" und auch nach vorne zu den Zukunftsplänen der Schweden.

Herzlichen Glückwunsch, "Construct" ist ein tolles Album und hat bei BurnYourEars 10 von 10 möglichen Punkten bekommen! Es ist nicht selbstverständlich, dass eine Band nach so vielen Jahren noch ein derart gutes Album abliefert. Viele verlieren über die Jahre ihre Motivation oder ruhen sich auf ihrem Thron aus, machen eben nichts Neues.... DARK TRANQUILLITY haben das nicht getan. Was ist für dich das Schönste daran, in dieser Band zu spielen und hast du vor all den Jahren, als ihr begonnen habt, auch nur Sekunde lang gedacht, dass ihr derart weit oben mitspielen werdet?

Nein, nicht wirklich. Wir waren ja noch sehr jung, als wir begannen, und hatten keinerlei Erfahrung darin, ein Instrument zu spielen – unsere Ziele waren somit eher niedrig gesteckt. Unsere erste Probe fand schon eine Woche, nachdem Mikael und ich uns unsere ersten Gitarren gekauft haben, statt. Wenn uns also jemand damals gesagt hätte, dass wir mal ein Album veröffentlichen werden, dann hätten wir das nicht geglaubt. Es ist schon irgendwie surreal, dass wir knapp 25 Jahre später immer noch da sind, mit vier von fünf Gründungsmitgliedern.

niklas interviewBeinahe jede Band, die Melodic Death Metal spielt, nennt euch als Inspiration. Was war eure Initialzündung zur Schaffung dieses Genres?

Hauptsächlich wollten wir etwas Innovatives und Einzigartiges erschaffen. Es gab damals viele Bands, die die aufstrebende Underground-Szene beeinflussen wollten, aber die meisten davon waren nicht wirklich originell und recycelten lediglich, was andere Bands schon vor ihnen gemacht hatten. Wir wollten die Musik ändern, irgendwas abseits des Dagewesenen.

"Construct" scheint für mich wieder mehr aus einem Guss zu sein – ist dies das Resultat daraus, dass ihr möglicherweise wieder den Großteil des Materials im Proberaum aufgenommen habt?

Nein, es genau das Gegenteil ist der Fall (lacht). Alle vorherigen Alben wurden im Proberaum aufgenommen, jedes Bandmitglied war anwesend und trug seinen Teil dazu bei. Aber dieses Mal wollten wir uns etwas verändern und versuchten eine ganze andere Arbeitsmethode. "Construct" wurde komplett direkt in der Studioumgebung geschaffen. Das gab uns eine andere Perspektive auf die Sicht der Dinge und im Nachhinein war es auch genau die nötige Veränderung für uns.

Martin Henriksonn spielt diesmal Bass und Gitarre auf „Construct", das könnte ebenfalls ein Grund für das gute Ergebnis sein, immerhin hält er damit einen großen Teil der "Rhythmus-Macht" in seinen Händen. Aber wie werdet ihr das auf die Livesituation übertragen, da Daniel nicht mehr länger euer Basser ist?

Wir haben eine Menge an Möglichkeiten angedacht, aber die Zeit wird zeigen, was für die Band auf lange Sicht richtig ist. Wir haben gelernt, solche Situationen nicht zu überstürzen und sind jetzt nicht unter Druck, schnell ein dauerhaftes Mitglied zu finden. Es gibt einige Leute, die in der Lage sind, den Bass für die kommende Tour zu übernehmen... mal sehen, was passiert.

Ihr setzt diesmal mehr klaren Gesang ein auf "Construct", im Vergleich zu "Into The Void". War der Schaffensprozess positiver oder wie kam es dazu?

Nein, klarer Gesang hat ja nicht unbedingt etwas mit "positiv" zu tun. Für mich ist es sogar genau das Gegenteil, denn dieser Gesang klingt viel depressiver und trauriger als der auf den üblichen Scheiben. Wir fühlten einfach, dass diese Songs etwas normalen Gesang vertragen könnten. Das letzte DARK TRANQUILLITY Album mit derart hohem Anteil an Klargesang ist „Projector" von 1999, das war auch ein eher experimentelles Album.

Die Musik scheint aber im Gegensatz dazu etwas dunkler zu klingen. Gibt es dafür Gründe?

Keine wirklichen Gründe, außer vielleicht der Tatsache, dass jedes Album das repräsentiert, was die Band in diesem Moment dazugibt. Ich denke, wir waren alle etwas müde vom typischen DARK TRANQUILLITY Modus, immer mit schnellen Riffs und einnehmendem Chorus zu agieren. Wir wollten ein ernsthafteres und düsteres Album machen. Wir haben versucht, den Style der ersten Alben aufzugreifen, soweit uns das möglich war, und fühlten uns motiviert etwas zu verändern.

Wie viele Songs habt ihr denn für das Album geschrieben und was war letztlich das Hauptkriterium, um dann auf „Construct" zu landen? Welche Atmosphäre wolltet ihr einfangen?

Wir haben 14 oder 15 Stücke aufgenommen und wissen noch immer nicht, was wir mit den Stücken machen, die nun nicht auf dem Album sind. Wir versuchten ein Album zu machen, das eine enge Verbindung vom ersten bis zum letzten Song hält und das bedeutet immer, dass es Stücke gibt, die besser passen als andere. Der eine war dann eher zu schnell für die Gesamtstimmung der Scheibe, ein anderer war zu eingängig, aber wir werden die restlichen Songs sicher früher oder später auch veröffentlichen.

Welcher Song von "Construct" gefällt dir denn selbst am besten und warum?

Schwer zu sagen... solche Dinge wechseln bei mir fast täglich und es ist auch eigentlich noch zu früh, das Album als Hörer zu genießen und nicht als Musiker. Aber „None Becoming" ist wahrscheinlich im Moment bei Favorit.

Du bist ja auch verantworlich für das Artwork von "Construct", worum geht es da?

Wie üblich versuche ich meine Bestes, um die eine visuelle Repräsentation von der Musik und den Texten zu schaffen. Das europäische und das US Cover sind etwas unterschiedlich, aber in beiden Fällen versuche ich, auf „Construct" als eine mentale Struktur zu fokussieren – etwas, das von innen kommt und sich nicht zwangsläufig mit dem deckt, was in der Realität vorherrscht.

Dark-Tranquility-Construct interviewAbgesehen von den Bandmitgliedern (und dem Produzenten wahrscheinlich), gibt es jemanden, der Einfluss auf eure Songs hat oder auf die Art, wie ihr arbeitet?

Nicht wirklich. Wir sind sehr autark, dickköpfig und würden niemanden außerhalb dulden. Selbst die Leute, die für uns das Album mixen, kriegen die Stücke erst, wenn sie zu 100 Prozent fertig aufgenommen wurden, sodass wir eigentlich keinen Produzenten im eigentlichen Sinne haben. Wir können glücklicherweise in unserem eigenen Studio arbeiten. Das bedeutet, dass wir einfach die Tür schließen und uns von der Außenwelt für zwei Monate abkapseln können, einfach nur "wir" sind während der Arbeit.

Viele Leute aus der Gothicszene mögen DARK TRANQUILLITY ebenfalls, eventuell liegt das an den ähnlichen Themen, die Gothic und Melodic Death Metal Texte aufgreifen. Hörst du selbst denn auch Gothic Rock?

Ich weiß nicht so genau, was die anderen in der Band hören, aber ich denke, keiner ist ein wirklich großer Fan von Gothic Rock. Manche von uns hören gerne die klassischen Bands, wie Sisters Of Mercy oder Fields Of The Nephilim, aber abgesehen davon bin ich auch nicht wirklich auf dem Stand der aktuellen Szene und für meinen Geschmack ist das auch ein Stückchen zu theatralisch und zu pompös im Auftreten.

DARK TRANQUILLTY werden noch in diesem Winter in Europa touren, richtig?

Ja! Die Daten werden sicherlich sehr bald bekannt gegeben. Der Plan ist, dass wir in Amerika im September anfangen möchten und dann den Europateil im November und Dezember machen.

Wird es eine neue DVD geben?

Kann schon sein, dass da früher oder später noch was kommt, aber wir haben auch hier keine Eile. Die "Where Death Is Most Alive" Live DVD hat unsere Konzerte so gut präsentiert, dass es sinnlos wäre, etwas Ähnliches zu machen. Es wäre sicher besser, noch zwei, drei Alben zu veröffentlichen, um dann etwas komplett Neues zusammenzustellen.

Bands mit einer so langen Geschichte wie der euren schreiben manchmal auch Biografien, ist das eine realistische Option für DARK TRANQUILLTY?

Ich denke nicht, wir sind sehr private Mensche und behalten unsere pikanten Geschichten lieber für uns. (lacht)

Ihr bietet "Construct" auf mehreren Medien und in verschiedenen Versionen an, welches bevorzugst du?

Ich habe zum jetzigen Zeitpunkt noch kein fertiges Album gesehen, aber ich denke, die Limited Editon Box wird nett aussehen.

Abgesehen davon, dass du Musiker bist, bist du sicherlich auch Fan. Welches war das letzte Album, das dich wirklich weggeblasen hat?

Schwer zu sagen... ich werde nach so langen Studiophasen immer sehr müde, was das Musikhören betrifft, und habe mir auch schon lange kein neues Album mehr zugelegt. Aber das letzte Cult Of Luna Album war sehr gut.

Ich hoffe, euch bald live sehen zu können, wünsche euch weiterhin viel Erfolg mit dem „Construct" und DARK TRANQUILLITY und natürlich auch für dich persönlich.

Danke!