Geschrieben von Montag, 14 Oktober 2013 18:38

Witherscape - Interview zu "The Inheritance" mit Dan Swanö


Mit WITHERSCAPE hat Dan Swanö in Zusammenarbeit mit seinem Kollegen Ragnar Widerberg ohne Frage eines der Highlights des Metal-Jahres 2013 geliefert. Wir unterhielten uns mit dem Meister persönlich über die Entstehung und mögliche Nachfolger von "The Inheritance".

Dan, wie lange habt ihr an „The Inheritance“ gearbeitet? Die Songs klingen ziemlich ausgereift und man merkt, dass eine Menge Arbeit hineingesteckt wurde.

Es war eines dieser wenigen Alben, die sich anfühlen wie eines der ersten Alben, die man aufnimmt. Einfach weil ich sonst nie den Luxus habe, so viel Material nutzen zu können, das schon reifen konnte. Es ist wie mit gutem Wein – manche werden mit dem Alter einfach besser. Man hat eine handvoll Riffs, die einfach nicht in eines der anderen Projekte passen, die gerade laufen – aber sie überleben. Immer wenn ich auf meine alte Festplatte schaue, finde ich einen Order, der „Riffs“ oder so ähnlich heißt, und ich denke nur „Verdammt, das ist gutes Zeug“ und dann ist es vielleicht noch von 2001. Ich habe dann meist keine Ahnung, was ich mit diesen Riffs anstellen soll – die meisten dieser Ideen wurden für „The Inheritance“ verwendet.

Dasselbe galt für Ragnars Sachen – das war Zeug, das er einfach nicht in anderen Songs unterbringen konnte, weil er mit Leuten Musik gemacht hat, die eher aus der Power Metal Ecke kamen. Es hat drei Jahre gebraucht – von dem Zeitpunkt an, als wir beide beschlossen haben, etwas zu schreiben, bis zu dem Zeitpunkt, als das Album dann an Century Media verschickt war. Eine Menge der Ideen und Riffs wurden schon entwickelt, während wir noch in anderen Projekten tätig waren – aber irgendwie haben sie sich nirgendwo sonst als auf dem WITHERSCAPE Album richtig "zuhause" angefühlt.

Es wird jetzt nur verdammt hart werden, einen Nachfolger zu schreiben, haha ... Wir werden ja nicht mehr drei, vier Jahre haben, um die Riffs reifen zu lassen. Aber ich bin trotzdem ziemlich sicher, dass ich immer noch ein Demo aufnehmen und den jeweiligen Song dann ein paar Monate ruhen lassen werde, um dann darauf zurückzukommen und ihn mir nochmal anzuhören. Ich denke, wir werden wenigstens dafür Zeit haben, den Songs ein bisschen Zeit zu geben.

Ich habe viel Arbeitszeit in die Vorproduktion investiert und Zeug rausgeschnitten, insgesamt ist fast ein ganzer Song verschwunden. In diesem Track 20 Sekunden, in jenem zehn Sekunden... einfach, um den Fluss besser zu gestalten. Für die einzelnen Songs, aber auch, damit man sich das ganze Album von Anfang bis Ende anhören kann und es sich wie ein Abenteuer anfühlt – man sollte nicht nach Song Vier gelangweilt sein, weil alles gleich klingt.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Ragnar Widerberg?

Wir haben zusammen in einem Musikladen gearbeitet. Ich war schon ein paar Jahre da und hatte gerade begonnen, es etwas langsamer angehen zu lassen und nur noch halbzeit zu arbeiten – und zu dieser Zeit fing er an, vollzeit im Lager zu arbeiten. Und wie es mit neuen Arbeitskollegen so ist, man fühlt sich gegenseitig ein bisschen auf den Zahn: Wer ist dieser neue, mit dem ich, in meinem Fall, mindestens 20 Stunden die Wochen in einem Raum verbringen werde? Er könnte ja ein Serienmörder sein oder sowas, haha! 

Auf jeden Fall haben wir uns so kennengelernt und schienen so viel gemeinsam zu haben, dass es fast schon gruselig war – und eines Tages habe ich ihn gefragt, ob er noch Material vom Schreiben mit anderen Bands und seinen selbstgeplanten kleinen Projekten übrig hat. Er ist der Typ, der immer sagt, er würde etwas aufnehmen wollen und so weiter, das aber nie in die Tat umsetzt. Er sagt von sich selbst, dass er ein schrecklicher Arrangeur ist. Er weiß nicht, ob das, was er da gerade hat, eine Strophe, ein Break oder ein Refrain ist. Ich hingegen liebe es, mir einen Haufen Riffs vorzunehmen und die zu einem Song zusammenzupuzzeln. Das ist meiner Meinung nach eine meiner stärkeren Seiten als Musiker, während er eher ein Schreiber und Performer ist – und zusammen sind wir wirklich ein 'match made in hell', haha ...

Das bringt mich zu einer anderen Frage: Du hast Schlagzeug, Keyboards und natürlich den Gesang für „The Inheritance“ aufgenommen, während Ragnar die Gitarren und Bässe eingespielt hat – ihr habt euch also beim Songwriting nicht an die jeweiligen Instrumente gehalten, sondern habt beide Riffs und Melodien geschrieben?

Ich glaube, dass eines der schwierigsten Dinge für Ragnar war, einige meiner Riffs zu interpretieren. Ich spiele auf eine sehr unkonventionelle Weise Gitarre, denn ich nehme eine normale Rechtshändergitarre und drehe sie einfach um – ich wechsle nicht die Saiten wie Jimi Hendrix und Co. Bei mir zeigen die Basssaiten nach unten. Das machen nur ein paar Gitarristen auf der Welt und es ist ziemlich schwierig, jemandem ein Riff zu zeigen, weil es verkehrt herum ist und man ziemlich clever sein muss, um es so zu spielen, wie man es auf einer richtigen Gitarre tun würde. Es ist fast so, als würde man ein Klavier falsch herum spielen.

Auf seine konventionelle Art waren also einige Riffs für ihn schwer nachzuvollziehen und er musste sich neue Übungen ausdenken, um meine Riffs spielen zu können. Das war zwar ein unerwartetes Problem, aber als er es gelernt hatte, konnte er die Riffs besser spielen, als ich es selbst jemals könnte. Er ist also ein superber Gitarrist und die Gerüchte verbreiten sich schon – er wurde schon von einigen großen Namen in der PowerMetal Industrie gemietet, um Rhythmusgitarrenarbeit im Studio zu erledigen. Er hat eine sehr starke rechte Hand und ist einem Schlagzeuger ziemlich ähnlich, was ihm ein sehr gutes Timing gibt – und das braucht man manchmal. Man braucht einen Rhythmusgitarristen, der einfach zusammen mit dem Schlagzeug genau auf den Punkt spielt. Ich kenne zwar einige Rhythmusgitarristen, die sind auch cool, haben die richtige Ausstrahlung und alles, aber die sind nicht so tight, und das kann manchmal zu Problemen führen, denn ich stehe auf Timing, hehe ...

Was kannst du unseren Lesern über das lyrische Konzept des Albums erzählen?

Ich kann nicht so viel erzählen. Der erste Haufen Alben wurde ja schon an die Fans verkauft, also könnte ich dir die gesamte Geschichte erzählen, aber ich halte mich lieber an den kleinen Text, den ich geschrieben habe und lasse all diejenigen, die sich das Album in der Media-Book Version gekauft haben, die ganze Kurzgeschichte lesen – vor allem zusammen mit der Musik, um die ganze Stimmung nachvollziehen zu können. Wenn ich dir jetzt zum Beispiel den Plot von „The Shining“ erzählen würde, wäre es nicht so ein besonderes Erlebnis, wie den Film zu sehen – und so ist es hier auch.

Ende des 18. Jahrhunderts gibt es dieses Kind in Stockholm – seine Eltern und der Rest seiner Familie werden krank und ganz unerwartet bekommt es diese seltsamen Fieberträume. In seiner Familie stirbt einer nach dem anderen und er denkt die ganze Zeit: „Scheiße, ich bin der nächste“. Es ist wie eine Art Pest, aber während er davon gänzlich verschont bleibt, scheinen die anderen irgendwie besessen zu werden und sterben. Irgendwann sitzt er dann ganz allein in diesem großen Herrenhaus, welches seiner reichen Familie gehörte, und plötzlich tauchen die Anwälte der Familie auf und sagen ihm: „Das gehört jetzt alles dir, Junge“, und nachdem sie mit dem ganzen Papierkram durch sind geben sie ihm auch noch die Schlüssel zu einem Herrenhaus im Norden. Und der Junge ist total verwirrt, weil er von diesem Haus noch nie im Leben gehört hat – warum haben seine Eltern ihm nicht davon erzählt?

witherscape - the inheritance coverEr wird etwas misstrauisch, nimmt aber Pferd und Kutsche und macht sich auf den Weg in den Norden, was ein ziemlich langer Weg sein kann. Und nach ungefähr einer Woche sieht er endlich das, was man auch auf dem Albumcover sieht. Dort entdeckt er den Pfad, der zu diesem alten, verlassenen Herrenhaus führt. Und von dem Moment an, in dem er seinen Fuß auf das Gelände setzt, fangen ziemlich seltsame Sachen an, zu passieren – komplett in einem "Tim-Burton-Seltsam-Stil". Ich könnte dir den weiteren Verlauf erzählen, aber ich denke, dass es besser ist, die Geschichte zusammen mit der Musik zu hören – dadurch gibt es ein besseres Überraschungsmoment.

Im Promotext heißt es, dass euch verschiedene Bands beeinflusst haben. Ist deine Idee, ein ziemlich düsteres Konzeptalbum zu schreiben, auf MERCYFUL FATE und KING DIAMOND zurückzuführen, die auch solche Konzeptalben veröffentlicht haben?

Ich weiß, aber Fakt ist, dass ich die Musik von KING DIAMOND nicht mag. Ich habe nie ein Album von ihm besessen. Ich weiß nicht, was passiert ist, aber für mich ist das Mini-Album okay, „Melissa“ und „Don't Break The Oath“ sind in meinen Alltime Top 10 was Metal angeht, aber was KING DIAMOND angeht ... ich weiß auch nicht.

Ich mache schon seit sehr langer Zeit Konzeptalben, ich hatte einfach immer Spaß daran, seitdem ich „Operation: Mindcrimce“ von QUEENSRYCHE gehört habe, was mich richtig gepackt hat und es bis heute noch tut. Und wenn ich das Gefühl habe, dass es etwas Episches werden soll, schreibe ich lieber ein Konzeptalbum. Im Moment arbeiten wir an einem neuen NIGHTINGALE Album, und da geht es in allen Songs um etwas anderes, sodass man sich zehn verschiedene Themen ausdenken muss. Ich schreibe lieber über ein großes Thema mit vielen Details, wie ein Film-Plot.

KING DIAMOND hat uns nicht direkt beeinflusst. Ich denke, dass einige seiner Konzepte nicht schlecht, aber komisch sind – mit Großmüttern und Rollstühlen ... das ist nicht so meins. Ich stehe eher auf Epik als auf die kleinen Nebensächlichkeiten, die er immer wieder einbaut. Ich wollte, dass es so wird, als wenn man eines dieser klassischen Horrorbücher von damals aufschlägt.

Das Album vereint verschiedene Sounds – von akustischen Parts und Gesang bis zu harten Riffs und Death Metal Growls. Hattest du für WITHERSCAPE von Anfang an einen Plan, was die Musik angeht, oder war das etwas, was sich beim Schreiben entwickelt hat?

Ich glaube, der erste Gedanke an WITHERSCAPE unterscheidet sich etwas von dem Endprodukt. Zur ersten Probe brachte ich meine Baritongitarre mit, die so tief gestimmt war wie bei IN FLAMES oder EDGE OF SANITY, und die Riffs, die ich mitgebracht hatte, klangen fast wie bei EDGE OF SANITY oder AT THE GATES. Aber nach einiger Zeit stellte ich fest, dass es nicht das war, was ich wollte. Ich weiß nicht warum, aber als Ragnar seine normal gestimmte Stratocaster in seinen Marshall Amp stöpselte, fiel bei mir die Entscheidung und ich dachte: Wir sollten eher ein Heavy Metal / Hardrock-Album mit dunklen Untertönen machen, statt irgendein Death Metal Zeugs – denn davon gibt es im Moment schon so viel.

Wir sollten unseren Respekt dem alten JUDAS PRIEST- und MERCYFUL FATE-Sound zollen und dem Ganzen die softeren Parts von Sachen wie „Purgatory Afterglow“, „Crimson“, „Crimson II“ und MOONTOWER hinzufügen, damit die Fans uns erkennen. Ohne das Growling hätte es ein reines Hardrock und Heavy Metal Album werden können – das hat es ein bisschen in die Death/Thrash-Ecke gesteckt. Für mich ist eine Menge des Materials frisch und nach einiger Zeit bin ich sehr streng geworden, was die Regeln dafür angeht; denn ich weiß gern, was funktioniert und was nicht. Wir werden sicher nicht ausflippen und einen Gothic-Rock Track wie EDGE OF SANITY oder einen Punksong machen. WITHERSCAPE besitzen nur dieses eine Element. Punkt. In die Richtung werden wir gehen.

Das Seichteste ist „Dead For A Day“ und das Härteste sind Sachen wie das Black Metal Riff am Anfang der Scheibe – böser werden wir nicht. Und in diesem Rahmen spielen wir einfach herum. Aber kein traditionelles Death Metal Drumming, kein Schummeln in welcher Weise auch immer – was man nicht spielen kann, ist nicht auf dem Album. Es ist ein sehr ehrliches Hardrock Album mit ziemlich dunklem Metal, haha!

WITHERSCAPE ist ein Zwei-Mann-Projekt. Können wir uns trotzdem auf eine Tour mit einer Live-Band freuen?

Im Moment suchen wir noch nach Mitgliedern für das, was vielleicht mal ein Lineup werden könnte. Wenn man etwas gefunden hat, was sich richtig anfühlt, kann man darüber reden – denn bevor das passiert ist, macht es eigentlich gar keinen Sinn, über eine Tour zu reden. Denn selbst wenn man möglicherweise alle Mitglieder gefunden hat, muss man zum Beispiel abklären, ob man bei der Arbeit frei bekommt, um Wacken zu spielen. Wir können keine professionellen Musiker anstellen – ich habe einen Job, Ragnar hat noch einen Job als Web-Designer und all die anderen Leute, die wir im Kopf haben, haben auch ein Leben.

Wir haben schon so viele fantastische Reviews und nette Worte bekommen, dass ich noch gar nicht glauben kann, dass es wahr ist. Aber in der nächsten Zeit werden wir wohl sehen, ob wir ein richtiges Phänomen werden, so wie der Schneeballeffekt – oder ob der Schnee einfach schmilzt, haha ... Ich hatte schon vorher Projekte, bei denen ich großartige Rezensionen bekommen habe, bei denen mich aber nie jemand gefragt hat, ob ich live spielen will.

Es muss eine richtige Explosion geben – bei OPETH war es ja zum Beispiel so, dass sie jahrelang vor sich hin köchelten, und plötzlich sind sie explodiert. Und natürlich sind sie die ganze Zeit dabei, durch die Gegend zu touren, aber mit „Ghost Reveries“ haben sie etwas wirklich Spektakuläres geschaffen und sind auf ein größeres Label gekommen, und wir sind auch auf einem größeren Label. Aber wir werden sicherlich keine Touring-Band werden, denn wir können unsere familiären Situationen nicht aufs Spiel setzen – dafür ist es 20 Jahre zu spät.

Wird ein zweites WITHERSCAPE Album erscheinen? Du hattest am Anfang gesagt ...

... (unterbricht:) Abso-fucking-lutely! Ich mache schon Pläne, wie man weitermachen könnte, und ich glaube, man sollte ungefähr in einem Jahr einen neuen Song als Download und Vinyl-EP herausbringen, vielleicht zusammen mit einer anderen Version von „Dead For A Day“ und einigen Coversongs. Wir werden dann sehen, wie es ist, zusammen einen neuen Song zu schreiben, ohne dass man so viel altes Material hat. Mir sind schon einige coole Ideen gekommen und ich weiß, dass ich auf meinen Handy einige Riffs rumfliegen habe, die man benutzen könnte ...