Geschrieben von Helge Sonntag, 08 Dezember 2013 15:35
Amorphis - Interview zu "Circle" und zur laufenden Tour
AMORPHIS sind derzeit auf Tour in Europa. Vor dem Konzert in der Hamburger Markthalle hat sich Bassist Niclas Etelävuori die Zeit genommen, um über die laufende Tour, die aktuelle Scheibe „Circle“ und ein AMORPHIS-Album zu sprechen, das er heute nicht mehr so toll findet.
Hallo Niclas, wie läuft die Tour? Ihr wart in einigen Ländern, die ihr vorher noch nie besuchen konntet.
Ja, in Russland haben wir elf Shows in zwei Wochen gespielt. Danach sind wir das erste Mal nach Australien gereist, dann nach Japan, dann das erste Mal nach China, wo wir drei Konzerte hatten, und dann nach Taiwan. Seit gut einem Monat sind wir jetzt in Europa.
Wie haben die Fans reagiert, die euch zum ersten Mal live sehen konnten?
In China waren die Leute wirklich wild. So etwas sehen wir in Europa selten: Stagediving, Crowdsurfing, Circle Pits und das alles.
Dabei seid ihr nicht gerade eine Circle-Pit-Band …
Das hat uns auch wirklich überrascht. Die Leute dort kannten auch die ganzen alten Songs und haben alles mitgesungen.
Magst du es, für Monate auf Tour zu sein? Ihr seid diesmal sehr lange unterwegs.
Ja, und wir besuchen sehr viele Orte in kurzer Zeit und haben nur fünf freie Tage zwischendurch. Aber man gewöhnt sich dran.
Klingt nicht gerade nach Spaß.
Auf Tour ist letztendlich jeder Tag gleich.
Also hattet ihr keine Zeit für Sightseeing?
In China hatten wir zwei freie Tage, da haben wir uns die Chinesische Mauer angeschaut und so. Aber im Endeffekt haben wir uns hauptsächlich die Verkehrsstaus angesehen, also haben wir einiges nicht mehr geschafft.
Lass uns über euer aktuelles Album „Circle“ sprechen. Wie kam es, dass es vergleichsweise düster geworden ist?
„Circle“ erzählt eine Überlebens-Geschichte, der Hauptcharakter muss eine Menge durchmachen. Ich denke, das gibt den Texten eine dunkle Stimmung. Musikalisch ist „Circle“ gitarrenorientierter als das Album davor. Die Gitarren sind weiter im Vordergrund und der Bass ist tiefer, also klingt es insgesamt dunkler.
War das geplant? Ein Zufall? Oder gab es erst die Texte und ihr habt die Musik daran angepasst?
Wir hatten tatsächlich schon einen Entwurf für die Texte vorliegen, aber der hat nicht funktioniert. Also haben wir Pekka Kainulainen, der wieder die Texte für uns geschrieben hat, gebeten, sich noch einmal dranzusetzen. Die Musik wurde geschrieben, als wir die finale Version bekamen. Aber die Idee uns zu verändern kam mit unserem neuen Produzenten Peter Tägtgren. Und ich denke, wir haben es geschafft, es anders genug zu machen.
Ich mag eure dunklere Seite sehr. Von den Alben mit eurem Sänger Tomi Joutsen mag ich deshalb „Skyforger“ am wenigsten. Welches Album ist das bei dir?
Ich weiß nicht. „Beginning Of Times“ vielleicht. Das ist letztendlich einfach zu lang geworden. Wir hatten so viel Zeug und wir wollten alles auf das Album packen. Für „Circle“ hatten wir zum Beispiel genauso viel Material, aber wir haben von Anfang an entschieden, dass wir es diesmal kompakter halten wollen. „Beginning Of Times“ ist ein bisschen aus dem Ruder gelaufen.
Würdest du sagen, dass ihr mit „Circle“ so etwas wie die goldene Mitte zwischen eurer harten und eurer soften Seite gefunden habt?
Ja, bestimmt. Peter Tägtgren hatte aber auch seinen Anteil daran. Es war das erste Mal in den 14 Jahren, die ich in der Band bin, dass der Produzent von Anfang bis Ende dabei war. Das hat dazu geführt, dass wir einen stärkeren Fokus darauf hatten, was wir tun, mit einem Typen, der alles überwacht hat.
Ich denke, dass ihr sehr verschiedene Hörer habt: Manche bevorzugen eure härteren Stücke, andere eure weiche, träumerische Seite. Beeinflusst euch das, wenn ihr komponiert?
Nein, eigentlich nicht. Ich denke, dass wir es geschafft haben, einen Sound zu kreieren, der beides vereint, und die Leute erwarten auch beides von uns. Für uns ist es toll, nicht immer nur das Gleiche machen und spielen zu müssen. Und viele Fans, die erst nur eine der Seiten mögen, entdecken irgendwann auch die andere für sich.
Apropos Fans: Facebook scheint ein wichtiges Medium für euch zu sein, um zu kommunizieren. Ihr seid da recht aktiv.
Ja, für eine Band macht Facebook heutzutage eine normale Website fast überflüssig. Außerdem hat ein finnisches Magazin eine sechsseitige Geschichte über unsere Tour in Russland und Asien gemacht und uns eine gute Kamera mitgegeben. Und die Fotos haben wir alle bei Facebook gepostet. Wenn wir wieder zu Hause sind, posten wir natürlich nicht so viel, weil einfach nichts passiert. Auf Tour hingegen haben wir nicht viel anderes zu tun.
Du hast anfangs erzählt, dass die Fans in China all eure alten Songs mitsingen konnten, und auch in Europa gehen die Leute vor allem auf „Black Winter Day“ besonders ab. Was empfindest du, wenn du dieses Stück spielst?
Jetzt fühlt es sich wieder gut an. Vor ein paar Jahren waren wir alle so gelangweilt von dem Song, dass wir ihn gar nicht mehr gespielt haben. Jetzt macht es aber wieder Spaß. Gerade die alten Songs müssen wir immer mal wieder austauschen, um es spannend zu halten und damit es sich wieder frisch anfühlt. Wenn du einen Song spielst und der Ventilator ist für dich das Spannendste, was gerade auf der Bühne abgeht, musst du was ändern.
Wie sehr verändert ihr eure Setlist während der Tour?
Die Basics bleiben, aber ein oder zwei Songs tauschen wir schonmal aus.
Aber „Black Winter Day“ wahrscheinlich nicht.
Nein, den nicht.
Könnt ihr euch vorstellen, „Tales From The Thousand Lakes“ mal komplett live zu spielen?
Ich weiß nicht. Im Moment wäre es für uns relevanter, ein Album wie zum Beispiel „Eclipse“ komplett zu spielen, weil wir damals schon dasselbe Lineup hatten wie jetzt. Und viele jüngere Fans, vor allem in Finnland, waren noch nicht einmal geboren, als „Tales From The Thousand Lakes“ rauskam.
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