Geschrieben von Montag, 16 Dezember 2013 19:22

Undertow - Interview zu "In Deepest Silence" mit Bassist Tom

UNDERTOW haben mit ihrem aktuellen Album "In Deepest Silence" die beste Scheibe seit Bandbestehen eingespielt und einmal mehr Höchstnoten von Kritikern und Fans eingesammelt. Wie haben die Jungs das geschafft – und wie kann man solch eine Leistung noch toppen? Wir fragten in guter alter Tradition Bassist Thomas „UnderTOM“ Jentsch.

Moin Tom und erst mal herzlichen Glückwunsch zum Bandjubiläum! UNDERTOW sind diesen Winter 20 Jahre dabei – und schon damals bei unserem Interview zu „Milgram“ meintest Du, dass es Dich total flasht, dass die Band schon so lange am Leben und nach wie vor relevant ist. Dann müsst Ihr ja heute fast vor Stolz platzen, denn es gibt Euch immer noch – und offenbar werdet Ihr mit jedem Jahr besser?

Ja, Stolz ist da auf jeden Fall mit dabei. Einerseits, dass wir es so lange geschafft haben, zusammen unterwegs zu sein und andererseits natürlich auch, dass wir in der langen Zeit doch auch das ein oder andere erreicht haben. Das mit dem Platzen muss natürlich nicht sein, und ob wir mit jedem Jahr besser werden? Ich weiß nicht, das sollen andere entscheiden.

Bevor ich auf die aktuelle Scheibe „In Deepest Silence“ zu sprechen komme, ein kurzer Rückblick auf „Don’t Pray To The Ashes…“. Das war damals „Rock Hard" Album des Monats und erntete durch die Bank weg positive Kritiken. Hat sich das irgendwie bemerkbar gemacht bei Euch, bezüglich Kohle auf dem Konto, Ticket- oder Merchverkäufe? Ihr habt ja stets betont, dass Ihr mit der Band kein Geld verdient und das eher als intensives Hobby betreibt. 

Naja, ich denke, dass sich die durch die Bank weg positiven Kritiken zum letzten Album schon irgendwie bemerkbar gemacht haben und „Album des Monats“ im Rock Hard ist ja schon 'ne Ansage. Aber wer will sagen, was dadurch geschehen ist? Kann gut sein, dass ein paar Veranstalter erst durch sowas auf uns aufmerksam geworden sind, reich sind wir dadurch keinesfalls geworden. Und Hobby klingt immer so nach Briefmarken sammeln … aber an dem Status der Band, dass wir das also nicht hauptberuflich machen können und wollen, hat sich nix geändert.

Die bisherige Resonanz zu „In Deepest Silence“ ist wahnsinnig gut, soweit ich das mitbekommen habe – auch ich hab‘ dieses Mal die 10-Punkte-Karte gezogen. Wie beurteilt Ihr den erneuten Erfolg, habt Ihr das erwartet und Euch diesbezüglich unter Druck gesetzt gefühlt, weil das Vorgängeralbum bereits so eingeschlagen hat?

Vielen Dank erst Mal, dass Du die Höchstnote gezückt hast! Und nein, das haben wir keinesfalls erwartet – wer wären wir denn auch, sowas zu erwarten?! Wir hatten keinerlei Druck. Klar, wenn wir ins Studio gehen, dann wollen wir natürlich, dass da was Vernünftiges dabei heraus kommt, aber auf Biegen und Brechen Hits schreiben, war noch nie so unsere Herangehensweise. Wir machen einfach (?) was uns gefällt, worauf wir Bock haben und freuen uns jetzt natürlich sehr, dass wir mit dem Album wohl beim ein oder anderen Rezensenten – und vor allem bei den Fans! – einen Nerv getroffen haben.

Wie habt Ihr es geschafft, bei „In Deepest Silence“ noch eine Schippe draufzulegen? War das ein bewusster Prozess, sich zu öffnen, oder lief das eher automatisch ab?

Wir haben, wie gesagt, nix kalkuliert, keine Pläne geschmiedet, wie wir mehr Leute erreichen könnten oder etwas in der Art. Vielleicht hat das auch mit der aufgebohrten Besetzung zu tun? Ich weiß es nicht.

Bisher war UNDERTOW immer ein klassisches Trio. Mit Markus habt Ihr ein neues Bandmitglied in Eure Reihen geholt – wie kam das zustande und was waren die Beweggründe? Welchen Anteil hat Markus am neuen Album?

Wir waren im ersten Jahr unseres Bestehens auch zu viert. Der damalige zweite Gitarrist hat sich aber kurz vor der ersten Show rausgenommen. Und wir haben dann eben aus der Not eine Tugend gemacht. Das lief dann auch recht super, es gab also an sich keinen akuten Grund, da etwas zu ändern. Über die Jahre standen immer mal wieder zweite Gitarristen zur Diskussion oder sogar mal im Proberaum, es hat aber vor Brandy nie gepasst.

Brandy spielt noch in einer anderen Band, mit der hatten wir auf einem Benefiz-Festival gespielt uns unterhalten. Gekannt haben wir uns ja schon ewig, denn Brandy war mit einer früheren Band Vorgruppe bei unserer allerersten UNDERTOW Show! Naja, so führte eins zum anderen und jetzt müssen wir das Bier bei Shows durch vier teilen – ob das so 'ne gute Idee war? Sein Anteil am Songwriting war nicht so riesig, weil das zu großen Teilen auf Joschis Schultern liegt. Aber den Akustiktrack „Inside One“, der stammt aus Brandys Feder.

Euer Drummer Rainer hat die Band nach der „Don’t Pray To The Ashes…“ Tour verlassen, aktuell sitzt wieder Oliver Rieger an den Kesseln. Warum eigentlich, und gab das eventuell – zusammen mit der Besetzung der zweiten Gitarre – den musikalischen Ausschlag hin zu Blastbeats und mehr Abwechslung?

Rainer hat das mit der Band und seinem Privatleben nicht mehr unter einen Hut bekommen und sich deshalb verabschiedet. Kuddel hatte bereits vorher immer mal wieder für Rainer ausgeholfen. Wir hatten ja immer Kontakt und haben bei den Shows, wo er für Rainer eingesprungen ist, auch gemerkt, dass wir immer noch super miteinander funktionieren. Da lag es nach Rainers Ausstieg einfach nahe, dass er wieder mit ins Boot kommt. Die Blastbeats wären durchaus auch mit Rainer möglich gewesen …

Mit Gary Meskil von PRO-PAIN und THE VERY ENDs Björn sind erneut Gastsänger auf Eurer Scheibe vertreten. War das geplant oder hat sich das einfach so ergeben?

Geplant war das nur im Fall von Björn. Den hatten wir hier und da live schon mal als Gast ans Mikro gebeten, zudem hat er sehr viele CD-Artworks und Shirtdesigns für uns gemacht (checkt mal Killustrations) und seine Band THE VERY END gefällt uns auch sehr gut.
Das mit Gary war eher ein Zufall, denn er hat mit PRO-PAIN eine Show in Schwäbisch Hall gespielt, und zwar ausgerechnet zu der Zeit, in der wir in ebendieser Stadt im Studio waren! Wir haben also per Mail Kontakt aufgenommen – wir waren ja schonmal gemeinsam auf Europa-Tour – und er hat auch sofort zugesagt.

Undertow in-deepest-silence CoverDer Titel „In Deepest Silence“ klingt recht besinnlich … aber ich schätze mal, dass es nichts mit „Winter Wonderland “ zu tun hat, auch wenn Ihr die Scheibe an Nikolaus veröffentlicht. Welche Bedeutung steckt dahinter und was soll das Artwork ausdrücken?

Der Albumtitel ist null besinnlich. Er beschreibt das Gefühl der Ohnmacht, wenn einem die Kontrolle über die wichtigen Dinge im Leben entgleitet. Da geht das dann in die Super-SlowMo, man hat zehn Tonnen Gewicht auf den Schultern und keine Chance, irgendwas zu ändern.

Das Artwork wurde nicht speziell für das Album gemacht. Wir haben uns nur entschieden, die fantastischen Bilder von Frank Schillinger zu verwenden und dieses Foto einer Industrieruine in St. Petersburg hat uns als Coverartwork überzeugt.

Könntest Du vielleicht kurz die jeweilige Aussage hinter den Songs skizzieren? Den Lyrics kommt ja sicherlich auch dieses Mal eine große Bedeutung zu. Ich persönlich feiere jedes Mal den Refrain des Titeltracks ab – musikalisch, aber auch die Lines finde ich sehr intensiv. War Euch klar, dass dieser Song besonders heraussticht?

Die Texte würde ich nur sehr ungern aufdröseln, ich könnte das auch nur bei ca. 50 Prozent der Songs, denn ich hab' nur die Hälfte der Texte geschrieben, die anderen sind von Joschi. Das ist oft persönlich oder im nahen Umfeld der Band Erlebtes, früher hatten wir hier und da auch mal Texte, die sich auf Filme oder Bücher bezogen haben, die uns beeindruckt haben, sowas ist auf dem neuen Album nicht dabei. Wir haben hier und da etwas Gesellschaftskritik oder eine Ode an die Musik und das Fansein an sich („Everember“), aber das meiste ist schon so Seelenchaos-Stuff.

„In Deepest Silence“ hat sich tatsächlich bereits bei den Proben als besonderer Song erwiesen und deswegen haben wir ihn auch zum Albumtitel gemacht. Ich persönlich mag auch „BoxShapedHeart“ sehr gerne.

Mit Eurem letzten Album seid Ihr beim Streamingdienst Spotify vertreten – und auch „In Deepest Silence“ kann man sich dort anhören. Der Dienst steht ja gerade bei Musikern stark in der Kritik, weil die Beteiligung an den Erlösen so gering ausfällt. Wie ist Eure Sicht der Dinge bezüglich Streaming via Spotify, iTunes & Co. ?

Ach, ich denke bei einer Band wie UNDERTOW sorgt sowas wie Spotify, YouTube & Co. einfach fürs Verbreiten der Songs und des Bandnamens. Natürlich wäre es schön, wenn man als Urheber auch ein Stück des Kuchens abbekommt, deswegen lassen wir uns aber keine grauen Haare wachsen.

Der Klang der Scheibe ist wunderbar fett, ich mag insbesondere den Sound der cleanen Gitarren. Für die produktionstechnisch interessierten Leser – mit welchem Equipment habt Ihr gearbeitet? Was ist das Geheimnis dieses wunderbar dichten, dynamischen Sounds?

Da bin ich dann wohl der falsche Ansprechpartner, das müsste man dann wohl Roger Grüninger fragen, der das Album produziert hat. Wir haben uns aber viele Gedanken gemacht in Richtung Sound, besonders natürlich über Gitarren und Drums – und da ist es schön zu hören, dass Dir der Sound so ausgesprochen gut gefällt.

Als Dankeschön für die alten Fans habt Ihr die Songs „34ce“ und „Smoke Garden“ als Acoustic Versions neu aufgenommen. Warum fiel die Wahl auf diese Stücke?

„34CE“ ist ähnlich wie „Everember“ auch so ein Stück über unsere Erfahrungen als Band und mit Musik an sich, eine Art Bandhymne. Und „Smoke Garden“ hat sich uns quasi aufgedrängt, weil wir uns das eben gut im akustischen Gewand vorstellen konnten.

Am Anfang der Platte steht wieder ein Filmsample – dieses Mal aus „The Avengers“. Ist das eher Spielerei oder sucht Ihr ganz gezielt nach Zitaten, die zum Inhalt der Scheibe passen und den Weg vorgeben? Und ist die Nutzung solcher Zitate eigentlich kompliziert, so rechtemäßig?

Dieses Film-Ding kommt von mir. Das haben wir ja schon ganz lange auf unseren Alben und ich mach' mir oft Notizen, wenn ich 'nen Film sehe und etwas dabei ist, was man vielleicht mal verwenden könnte. Ich hatte aber den Eindruck, dass das den anderen Bandmitgliedern gar nicht soo wichtig ist und hab' für „In Deepest Silence“ erst gar nichts mit ins Studio gebracht. Beim Mix kam dann aber plötzlich die Ansage, dass man bei dem Intro gefälligst ein Sample mit ca. 20 Sek. Dauer braucht. So musste ich das Pferd also dieses Mal andersherum aufzäumen und bin weniger wegen der Message, sondern mehr aufgrund des fiesen Tons und der Dauer der Sequenz bei "The Avengers" gelandet. Das ist jetzt unter cineastischen Aspekten wahrscheinlich kein Film für die Ewigkeit, aber ich hatte viel Spaß mit dem Film.

Und kompliziert ist das vielleicht schon, aber um sowas kümmert sich unser Anwälte-Heer. (Anm.d.Red.: Hehe, is klar ... ;-)) 

Wie geht’s jetzt bei Euch weiter – erst mal sacken lassen und dann auf Tour? Und was noch viel spannender ist: Wie wollt Ihr diese Scheibe künftig toppen?

Wir werkeln ja konstant weiter. Nachdem wir mit dem Studio fertig waren, sind bereits Ideen für neue Songs entstanden. Dann waren wir ja schon mit END OF GREEN auf Tour und wollen 2014 mehrere Shows mit THE VERY END und natürlich gerne möglichst viele Festivals spielen.

Tja, und wie wollen wir die Scheibe toppen? Gute Frage! Aber die haben wir uns auch nach „Don’t Pray To The Ashes“ schon nicht gestellt. Manchmal ist es eben besser, nicht zu viel zu fragen bzw. zu überlegen, sondern einfach loszulegen!

Zum Abschluss bitte ein paar aktuelle Musiktipps: Was waren Deine / Eure Highlights 2013?

Highlights 2013 waren für mich (in keiner bestimmten Reihenfolge) die neuen Alben von CARCASS, END OF GREEN, HARMFUL, NINE INCH NAILS, CLUTCH, NEAERA, LONG DISTANCE CALLING, ILLUSION OF STRENGTH und CULT OF LUNA.

Herzlichen Dank für das Interview – der Rausschmeißer gehört Dir!
 
Ja hey, wir danken mal wieder für das coole Interview! Und wir würden uns freuen, Dich und die Leser hier mal bei 'ner Liveshow zu treffen. Checkt unsere Facebookseite für Termine!