Ende April erscheint dein neues Album „Ruining Lives“. Du hast im Vorfeld gesagt, dass kein PRONG-Album schneller geschrieben wurde als dieses. Warum ging es diesmal so schnell?
Ich hatte eine Deadline vom Label. Eigentlich wollte ich schon im Oktober anfangen, aber dann musste ich noch einmal mit DANZIG auf Tour. Ich habe schon on the road einige Ideen entwickelt und als ich nach Hause kam, habe ich damit weitergemacht. Um alles zu schreiben, habe ich letztendlich etwa anderthalb Monate gebraucht. Dann haben wir die Vocals gemacht und den Mix. Alles in allem dauerte es drei Monate.
War der Zeitdruck gut oder schlecht?
Der Druck hat mich diszipliniert. Normalerweise tendiere ich dazu, Sachen immer und immer wieder zu überarbeiten und zu verändern. Diese Möglichkeit hatte ich diesmal nicht – und das war gut so.
Dass „Ruining Lives“ erst erscheint, wenn die Tour fast beendet ist, liegt nur daran, dass du spät dran warst?
Genau. Ich habe durch die Tour mit DANZIG einen Monat verloren, aber ein Album in zwei Monaten zu machen, ist nicht möglich. Wir werden bald schon wieder unterwegs sein, also ist es okay.
Dein Publikum kennt demnach die neuen Songs noch nicht?
Doch, aus irgendeinem Grund kennen die Leute die Songs. Sowas macht immer die Runde. Außerdem ist die Single „Turnover“ schon draußen. Aber wir spielen sowieso nur zwei neue Stücke. Das meiste sind die alten PRONG-Standards.
Bist du mit „Ruining Lives“ glücklich?
Ja, sehr. Erstmal bin ich froh, dass ich es fertig bekommen habe. Das war eine Herausforderung. Und die Musik und auch die Texte sind toll geworden.
Wir können nicht über „Ruining Lives“ sprechen, ohne „Cleansing“ zu erwähnen. Das Artwork des neuen Albums erinnert sehr an diesen PRONG-Klassiker. Warum?
Das war nicht meine Entscheidung. Aber ich fand das Konzept des Künstlers – ein Typ aus Berlin übrigens – cool, ich mag es. Ich hatte mir auch ein Artwork gewünscht, das ein bisschen retro aussieht.
Stimmt, das Cover sieht ziemlich nach den 90ern aus. Aber ich hätte angenommen, dass du genervt bist von den ständigen Verweisen auf die PRONG-Alben der Vergangenheit. Deshalb hat mich das Artwork überrascht.
Ach weißt du, heutzutage sieht ein Cover aus wie das andere. Das war bei uns nie der Fall, aber ein bisschen Kontinuität kann PRONG nicht schaden.
Ich denke auch, dass es passt. Ich finde „Ruining Lives“ genauso gut wie „Cleansing“.
Danke. Das ist für mich natürlich schwer zu sagen, es ist zwei Jahre her, dass ich mir „Cleansing“ das letzte Mal angehört habe. Jedes Album hat einen eigenen Charakter und „Ruining Lives“ hat starke Songs. Es ist weniger experimentell als „Cleansing“, mit dem wir damals Neuland betreten haben – Industrial-Hardcore-Metal, oder wie man es auch nennen will. „Ruining Lives“ ist da gediegener, mit guten Songs, guten Riffs und gutem Sound. Es legt den Fokus eher auf einzelne Songs. Was besser geworden ist, sind die Texte, da habe ich über die letzten zwei Alben endlich einen Prozess zu mehr Klarheit durchlaufen.
Worum geht es auf „Ruining Lives“?
Um Veränderung. Darum, mit deinen Fehlern klarzukommen. Um die Suche nach Wegen, ein besserer Mensch zu werden. Nur der Titeltrack ist eher politisch, es geht um die Massen, die vom Kapitalismus ausgepresst werden. Ich habe grundsätzlich nichts gegen den Kapitalismus, aber wir sind mittlerweile Sklaven von Ölpreisen, Mobiltelefonen und dem Fernsehen.
Als ich „Ruining Lives“ gehört habe, ging mir durch den Kopf, dass es heutzutage nicht mehr möglich ist, ein Album zu machen, das eine solche Bedeutung erlangt wie beispielsweise „Cleansing“. Wie denkst du darüber?
Ich neige dazu, dir zuzustimmen. Aber ich will niemanden davon abhalten, es zu versuchen. Das ist eben heutzutage so. Früher, selbst in den 90ern, lag der Fokus noch auf Alben. Rockbands waren wichtiger. Jetzt sind es Videospiele.
Ich denke, es gibt zu viel Musik. Und man kann immer und überall alles hören.
Es hat auch damit zu tun, wie einfach es geworden ist, ein Album zu machen. Meine Tochter ist 20, und ihr Freund sagt: "Ach, dein Vater ist Rockmusiker – big deal, ich mache auch Alben, mit Garageband." (Anm. d. Red: GarageBand ist eine sehr einfach zu bedienende Tonstudio-Software) Das ist die Einstellung, jeder kann mit Pro-Tools und ein paar tausend Dollar von den Eltern Songs machen, und einige davon sind gar nicht mal schlecht. Früher musste eine Band, um auf sich aufmerksam zu machen, einen Van haben und auf Tour gehen, Shows spielen. Das ist heute nicht mehr so.
PRONG sind nie wirklich groß geworden. Was treibt dich nach so langer Zeit noch an?
Ich weiß nicht. Ich denke, dass ich irgendwo im Innern das Gefühl habe, den Punkt noch nicht erreicht zu haben, dass ich so gut bin, wie ich sein könnte. Manche Leute erreichen früh im Leben einen Höhepunkt. Ich glaube nicht, dass ich an diesem Punkt schon war. Vielleicht komme ich da auch nie hin. Ich hätte meine Karriere natürlich auch nach „Cleansing“ beenden und irgendeinen normalen Job machen können. Aber dann würde ich niemanden erreichen und es wäre auch egoistisch, mein gottgegebenes Talent nicht zu nutzen.
Dieser Höhepunkt, was könnte das sein? Ein besseres Album? Eines, das sich besser verkauft?
Ich weiß es nicht. Vielleicht habe ich diesen Punkt auch schon hinter mir, ohne es zu wissen.
Also suchst du etwas, ohne zu wissen, was es ist?
Ich suche nicht wirklich. Mir wurde ein Job gegeben und ich mache ihn. Vielleicht suche ich danach, mich selbst besser kennenzulernen, oder ein besserer Mensch oder Musiker zu werden. Aber ich weiß es nicht.
Bist du also auch aus psychologischen Gründen Musiker?
Nicht nur. Es macht natürlich immer noch Spaß, aufzutreten. Ein Album zu machen, ist ebenfalls eine großartige Erfahrung. Es ist etwas durchweg Positives. Ich spiele zwar in einer Rockband, aber ich stifte die Leute ja nicht dazu an, Drogen zu nehmen oder Sex mit Kindern zu haben. Ich schreibe über echte Themen und beschäftige mich mit den Schwierigkeiten des Lebens. Das ist eine gute Sache. Dass ich damit gesegnet bin, weiterhin Musik machen zu können, zeigt mir, dass ich vielleicht auf dem richtigen Weg bin, auch wenn ich Opfer bringen muss.
Meinst du deine Familie?
Ja, solche Opfer meine ich. So etwas ist schwer, aufrecht zu erhalten, wenn man jahrelang auf Tour ist. Meine Tochter und ich haben ein enges Verhältnis, aber ich sehe sie nicht oft. Auch meine Geschwister sehe ich selten, weil ich ständig unterwegs bin. Aber weißt du: Viele Leute wünschen sich, wenn sie älter werden, die Annehmlichkeiten eines normalen Lebens, was auch immer normal bedeutet. Ich bin mir im Moment noch nicht sicher, ob das Dinge sind, die ich will. Im Garten sitzen, Bier trinken und grillen – das kommt mir eher wie Zeitverschwendung vor.
Ich habe den Eindruck, dass du nur in der Gegenwart, für den Moment lebst.
Das sollte jeder machen. In zwei Sekunden könnte ein Asteroid kommen …
Aber man kann sein Leben ja trotzdem planen.
Ja, aber man sollte auch wertschätzen, was man hat. Es ist ein Unterschied, ob man sein Leben plant oder ob man nur in der Zukunft lebt. Viele sagen sich: „Ich kann nur glücklich sein, wenn ich das und das habe“ – aber diese Pläne gehen nie auf. Wenn sie es haben, sind sie trotzdem nicht glücklich.
Weil sie dann schon wieder etwas anderes wollen.
Genau. Das ist die Natur des Menschen.
Du bist also glücklich damit, wie es ist.
Ich versuche es. Und philosophisch gesehen sollte man es sein. Und wenn man das erreicht hat – glücklich zu sein, nur weil man am Leben ist, unabhängig davon, was man erreicht oder verdient hat – dann ist man bereit für die nächste Stufe, dann kann man sterben.
Lass uns zum Schluss noch über etwas profanere Dinge reden. Du hast mit „Carved Into Stone“ und „Ruining Lives“ im Zweijahres-Rhythmus Alben veröffentlicht. Kommt also 2016 das nächste PRONG-Album?
Mal sehen. „Ruining Lives“ ist ja noch nicht einmal draußen und wir haben noch Touren vor uns. Wir werden im Sommer noch einmal nach Europa kommen, dann folgt die US-Tour und dann kommen PRONG Ende des Jahres wieder zurück nach Europa. Wir sind dieses Jahr viel beschäftigt.
Also haben die Leute immer noch Lust, euch live zu sehen?
Wir haben echte Hardcore-Fans. Es ist wirklich bizarr, wie viele Leute uns sehen wollen. Ich finde das wirklich erstaunlich und es hört nie auf, mich zu erstaunen. Es läuft wirklich gut, ich kann mich nicht beklagen.