Geschrieben von Gunnar Samstag, 28 März 2015 21:58
COR / Dritte Wahl - Doppelinterview mit den Frontmännern Gunnar und Friedemann
Während ihrer gemeinsamen Tour machten DRITTE WAHL und COR auch Halt in Hannover. Wir sprachen vor der Show mit den beiden Frontmännern Friedemann (COR) und Gunnar (DRITTE WAHL) ausführlich über Touren am Wochenende, ihre Instrumenten-Sammelaktion sowie die Erfahrungen der Kuba-Tour – und streiften dabei Themen wie PEGIDA, Kapitalismus und Rebellion ...
Moin und danke, dass ihr vor dem Auftritt noch Zeit für uns findet! Wie deichselt ihr das denn eigentlich auf dieser Tour? Ich stelle es mir wahnsinnig anstrengend vor, bis Ende Mai an jedem Wochenende Konzerte zu spielen und unter der Woche noch das Privat-und Berufsleben auf die Reihe zu bekommen.
Gunnar: Vielleicht ja, aber da muss man halt einfach die Realitäten sehen, dass bei uns am Wochenende einfach mehr Leute kommen und dass es sich eben unter der Woche nicht lohnt. Montags oder sonntags zu spielen ist einfach total schwer, wenn man nicht gerade DIE ÄRZTE oder DIE TOTEN HOSEN heißt. Für Bands unserer Größenordnung ist es schon relativ wichtig, dass die Leute am nächsten Tag frei haben. Ein Donnerstag geht auch schon mal, aber wenn man soviel wie wir unterwegs ist, muss man halt auch schauen, dass man sich die Städte nicht verbrennt – darum machen wir das lieber am Wochenende.
Friedemann: Was Gunnar sagt, ist vollkommen richtig. Wir brauchen unter der Woche nirgendwo anzutanzen. Da kommen dann so 50 bis 80 Leute, wenn wir Glück haben. Das durchgängige Touren kann man machen, wenn man – wie ich mit meiner Akustikplatte – quer durch Europa fährt und einfach nur in Kneipen spielt. Da kommen dann 50 Leute und das reicht vollkommen aus. Kein technischer Aufwand – eine Gitarre, ein Verstärker, zwei Freunde.
Du warst mit COR im Jahre 2013 auf Kuba unterwegs und ihr habt dort eine Menge Erfahrungen gesammelt. Welche euch, neben eurer neuen DVD "Cuba COR Libre - Actitud Es Lo Que Cuenta" u.a. zu einer Instrumenten-Sammelaktion bewogen haben. Die geht derzeit in die zweite Runde (mehr dazu HIER). Während der ersten Sammelaktion wurden euch von PayPal jedoch einige Steine in den Weg geworfen. Habt ihr mit solchen Schwierigkeiten bei der Planung gerechnet?
Friedemann: Wir sind an die ganze Sache recht blauäugig herangegangen, obwohl wir es uns hätten denken können: Es gab ein Wirtschaftsembargo, PayPal ist eine amerikanische Firma und das die es nicht cool finden, wenn du mit Kubanern Geschäfte machst, ist ja eigentlich klar und das haben sie uns dann ja auch gesagt. Was für uns aber im Nachhinein auch großes Glück war, denn somit hatten wir Presse und Negativwerbung funktioniert immer.
Was das mit dem Embargo zu der Zeit noch für einen Sinn gemacht hat, kann man in Frage stellen, denn wie wir ja alle wissen, wird das nun gelockert und die Amerikaner werden Kuba halt übernehmen. Was uns aber nicht wirklich wundert, denn als wir da waren, war es sehr auffällig, dass alles Chinesisch war: Die Autos, die Waschmaschinen, vieles kam aus dem chinesischen Raum und das findet der Amerikaner vor seiner Haustür natürlich nicht so toll und gibt somit auch lieber ein bisschen nach und rückt da ein.
Wir hoffen immer, dass die Kubaner schlauer sind als wir alle und diesen Evolutionsschritt des Kapitalismus überspringen und einfach eine neue Gesellschaftsform hervorbringen. Aber da sind wir nicht mehr ganz so optimistisch.
Gunnar: Die Amerikaner sitzen da schon in den Startlöchern. Und für die Kubaner wird es wahrscheinlich noch krasser, als für uns in der ehemaligen DDR, weil die Amis die einfach mit Technik überrennen werden, die sie nicht bedienen können. Und somit wird der Kubaner vorwiegend nur Hiwi-Aufgaben übernehmen. Man weiß nicht, was man denen wünschen soll, denn so bleiben wie jetzt kann es auch nicht.
Friedemann: Wir haben mit vielen Menschen da gesprochen. Was sie wissen wollten, war meistens, welches Auto wir fahren, welche Platten wir haben ... Das hörte sich für die immer ganz toll an, aber wir haben denen auch immer wieder versucht klarzumachen, dass es bei uns auch nicht allen gut geht und dass es denen auch nicht allen gut gehen wird, wenn der Amerikaner da ist.
Ihr wart mit DRITTE WAHL bereits vor fünf Jahren für ein paar Konzerte auf Kuba. Habt ihr es genauso empfunden bzw. hat sich etwas verändert?
Gunnar: Nicht wirklich, denn auch damals waren schon die Chinesen dort und das Land an sich war auch schon voll mit Touristen. Darunter waren auch Deutsche, die da mit ihrer Kohle ankamen und sich die Frauen wie an der Kühltheke aussuchten, das war so pervers. Wir haben da Sachen gesehen, da muss man von Sextourismus reden. Einfach nur ekelhaft!
Und man muss ja auch noch sagen, dass da Kuba noch eines der besseren Länder ist. Die haben da Gesundheitsversorgung für alle, es hungert keiner, viele haben Arbeit. Da geht es denen im Gegensatz zur Bevölkerung in der Dominikanischen Republik oder Puerto Rico noch relativ gut, und dann sieht man sowas.
Friedemann: Da ist eben der Kapitalismus schon da und die Bevölkerung wird schon ausgenommen, das sehen aber manche nicht. Man muss ja sehen, dass der Kubaner, als der Ami schon mal da war, Sklave im eigenen Land war und dass sie schon von vorne bis hinten ausgesaugt und verheizt wurden. Dies wissen aber nur noch die Alten. Diese Generation, die das Elend noch mitbekommen hat, stirbt nun aus. Na ja, und die Jungen wollen eben das, was wir haben. Darum haben wir schon aufgepasst, dass wir nicht so großen Neid auslösen, indem wir nicht die neuesten Sachen mitgenommen haben ... aber die haben eben auch Internet und wissen, wie der Hase läuft.
Wie läuft denn derzeit der zweite Teil eurer Sammelaktion? Schleppen viele Leute ihre alten Instrumente, Verstärker, etc. mit zu euren Konzerten?
Friedemann: Am Anfang dachte ich ja, dass diese ganze Sache scheitert. Da habe ich noch zu Matze (Bassist) gesagt, dass hier in Deutschland bestimmt keiner Bock hat, irgend etwas abzugeben oder irgendwo etwas hinzubringen, aber die Spenden laufen richtig gut. Daran sieht man auch, wieviel Scheiß bei uns rumsteht. Wir haben lediglich mit ein paar guten Instrumenten gerechnet und vorwiegend defektes Equipment erwartet, welches die Mädels und Jungs drüben reparieren können. Die haben sich nämlich etwas bewahrt, was wir leider verlernt haben: Dinge zu reparieren. Die machen da echt aus Scheiße Bonbons.
Aber wie gesagt, wir haben echt gute Instrumente bekommen, die anscheinend nur irgendwo verstauben, weil die Karriere vorbei ist oder der Spieler einfach keine Lust mehr hat. Da bekommt man manchmal solche Top-Instrumente, das glaubt man einfach nicht. Zuviel Wohlstand halt!
Gunnar: Man muss ja nur mal zu Weihnachten in die Innenstädte schauen. Da rennen die Leute mit ganzen Einkaufswagen voller Scheiß aus den Geschäften raus, obwohl der Dachboden schon überquillt.
Dass wir lange Zeit im Überfluss gelebt haben oder auch immer noch leben, merkt man nun ja auch daran, dass viel verschenkt oder getauscht wird, was meiner Meinung nach eine tolle Entwicklung der Gesellschaft darstellt. So dass man mehr gemeinsam konsumiert und dafür jeder einzelne etwas weniger.
Gunnar: Da bin ich mir manchmal gar nicht so sicher, schließlich umgebe ich mich ja auch mit Leuten, die korrekt handeln und in dem Fall viel tauschen und weniger bzw. anders konsumieren. Somit lebt man da unter einer Art Glocke und man muss vielleicht auch mal durchs Glas schauen, um die Wahrheit zu erkennen.
Ich denke auch manchmal, dass vieles besser wird – aber wie gesagt, vielleicht bezieht sich sowas ja auch eher nur auf seinen eigenen Dunstkreis. Man kann bei solchen Dinge ja auch nur für sich handeln und sich nicht hinstellen und die Leute zum Umdenken zwingen. Darum singen wir halt darüber und versuchen so, Einfluss zu nehmen. Das ist unser Auftrag!
Friedemann: Bei solchen Dingen muss man auch immer sehen, dass diese Veränderungen vorwiegend in den Städten passieren. Bei uns auf dem Land sieht es da schon anders aus. Da ist schon noch einiges anders und da muss man evtl. auch noch etwas mehr reden. Aber wie Gunnar schon sagte, das ist unsere Aufgabe als Musiker. Das ist unsere bescheidene Position.
Das schafft ihr ja auch. Wenn ich daran denke, wir sehr mich das Album „Nimm 3" (Dritte Wahl, 1996) in meiner frühen Phase beeinflusst hat, war das schon enorm.
Und Songs wie „Greif ein" sind auch nach wie vor aktueller denn je, wie man gerade wieder anhand der PEGIDA Bewegung erkennt.
Ob Rostock oder Schneeberg im Erzgebirge, es gibt wohl kaum etwas, was sich schwerer abwaschen lässt, als ein Ruf. So wird Rostock von vielen immer noch als Sammelbecken der braunen Soße gesehen und das, obwohl es die Bewohner mehrfach geschafft hatten, den Aufmarsch des entsprechenden PEGIDA-Ablegers direkt zu verhindern.
Versucht ihr, mit diesen Vorurteilen noch aufzuräumen, oder seid ihr es auch schon leid? Ein Freund von mir aus Schneeberg kann es auf jeden Fall nicht mehr hören ... und diesen Ruf haben sie ja gerade mal eineinhalb Jahre!
Gunnar: Das hatten wir nach Lichtenhagen ja auch durch, aber zum Glück gibt es sich nun.
Friedemann: Das sind Scheiß-Vorurteile und Stereotype. Das ist, als wenn man sagt, dass jeder Schwarze klaut. Das ist einfach totaler Blödsinn und wer daran noch festhält, der tut mir echt Leid.
Gunnar: Das ist wie jetzt mit Dresden. Denn wer sagt, dass alle Dresdner Bewohner PEGIDA-Anhänger seien, der ist selber kein Stück besser als diese Leute, die dort marschieren!
Glaubt ihr, es ist genug, diesen mit einer Lichterkette entgegenzutreten?
Friedemann: Ach, die Lösung des Ganzen ist einfach immer, sein Leben so zu leben, dass es für einen selbst ok ist. Andere Leute zu entzünden, das ist alles, was du machen kannst und was auch am meisten Sinn macht. Viele meiner Freunde sind in der Sozialbranche. Die erziehen Kinder, sind Lehrer oder so und geben ihre Denke an die Kinder weiter. Und wenn dann der eine in der Klasse nochmal vier oder fünf entzündet, klappt es doch. So funktioniert es und nicht anders. Wir haben es jahrelang mit Gewalt, Rumbrüllen und allem anderen probiert ... aber nichts wirkt da so, wie das Entzünden.
Gunnar: Meinen Beitrag sehe ich da auch unter anderem darin, dass ich einfach darüber singe. Über meine Sicht der Dinge ... und damit auch andere erreiche.
Friedemann: Man muss die anderen halt einfach erreichen. Was bringt es dir, wenn du nur in deinem Kreis bleibst und darüber diskutierst, was man sagen oder auch nicht sagen darf, wen man anfassen darf und welche Konzerte man besuchen darf, nur um die politische Korrektheit einzuhalten? Damit verändert man doch nicht die Welt. Diese Meinungen und Einstellungen verlassen nicht diesen Kreis und somit können sie auch nicht auf andere wirken.
Ich kann da in diesem Fall auch nur für mich sprechen, aber wenn ich zuhause auf Rügen mit meinen Bauern hantiere, muss ich einfach Einfluss nehmen, denn da kommt immer mal ein seltsamer Spruch oder eine komische Meinung zum Vorschein. Und in dem Moment, wo ich was sage, kann ich was verändern und Menschen berühren. Und ich meine – bescheiden wie ich bin – dass ich damit mehr erreiche, als andere mit ihrem Geschrei und Gebrüll.
Das sehe ich heute genau so, aber man hat das ja auch mal anders gesehen. Zum Glück wird man ja älter und evtl. auch weiser. Geht es euch in diesem Zusammenhang eigentlich auf den Sack, wenn ihr solche Floskeln hört wie: „Früher wart ihr härter und rebellischer"?
Gunnar: Nun ja, es ist ja nicht nur so, dass wir uns ändern, sondern auch das Publikum hat sich geändert. Viele sind auch genau wie wir älter geworden – und auch die Kids, die nachgekommen sind, denken nicht mehr so eindimensional.
Früher war es so, dass man ganz klare Linien gezogen hat: Der eine hat Punk gehört, der andere hat Metal gehört und noch ein anderer Crossover. Da mischte sich eigentlich nichts und wir, mit DRITTE WAHL, waren eigentlich immer ein wenig dazwischen, weil wir eigentlich Metaller waren, die aber auch Punkrock total geil fanden. Das war damals relativ kompliziert.
Heute ist alles etwas gemischter, und somit kann man auch nicht mehr ganz so plakativ sein wie damals. Natürlich ist es geil, z.B. bei SLIME in der ersten Reihe zu stehen und die alten Parolen zu brüllen und in Erinnerungen zu schwelgen. Aber du kannst heute nicht mehr solche Songs schreiben. Das wollen die meisten auch einfach nicht mehr. Es gibt heutzutage mehr Feinde, als nur die Bullen, und schließlich empfinde ich auch anders als früher. Da ist es ganz normal, dass auch die Lieder einem Wandel unterliegen.
Friedemann: Der Mensch unterliegt einfach einer ständigen Veränderung und auch ich werde nach dem heutigen Konzert ein anderer sein, als vorher. Ich mache mir Gedanken über neue Dinge, die passiert sind, über neue Leute, die ich kennengelernt habe. Man ist halt ständig unterwegs und traurig für den, der nicht unterwegs ist. Genau davon handelt auch unser Song „Ihr Auch" von unseren neuen Platte.
Die Leute sagen auch immer: „Die Freistil (COR, 2005), das war so eine geile Scheibe", wo ich immer nur entgegnen kann: „Wer braucht dreimal die Freistil? Wer braucht dreimal die „Nimm Drei"? Wer?" Man macht ja vor einer Platte keinen großen Plan. Man schreibt Texte und Lieder über das, was einen bewegt ... und das ändert sich.
Gunnar: Platten sind einfach Zeitdokumente.
Eines meiner Lieblingslieder auf „Lieber tot als Sklave" (COR, 2015) ist der Track „Mischling", auf dem ihr euch darauf bezieht, dass ihr eure Heimat in vielen Musikstilen habt. Auch DRITTE WAHL mischt gerne ein wenig, wie jetzt wieder bei dem Track „Geblitztdingst". Gibt es auch genrefremde Songs, die ihr mögt und mit denen ihr mich vielleicht sogar schocken könntet? Ich mache da mal den Anfang mit BERNHARD BRINK und seinem Lied „Lieder an die Liebe" ...
Friedemann: Ich höre immer viel Bauradio, wenn ich auf dem Bau unterwegs bin, und da ist mir dieses „Wovon sollen wir träumen" (Frieda Gold) im Ohr geblieben. Das hätte von mir sein können – textlich hat da echt mal einer ausgeholt. Aber was ich noch geil finde, sind diese ADELE-Sachen. Großartige Stimme! Da bin ich dann immer ganz klein und denke mir, das lässt du mal lieber sein mit der Musik.
Gunnar: Ja, es gibt so tolle Musiker, die machen so tolle Sachen, wie z.B. die alten Sachen von Udo Jürgens. Nicht diese „Aber bitte mit Sahne Dinger", sondern die Sachen mit Grips – aber die hat ja keiner gespielt.
Ich glaube, wenn man vernünftig schaut, findet man wohl in fast jeder Musikrichtung Sachen, die cool sind, solange sie mit Herz und Verstand geschrieben wurden.
Friedemann: Ich finde es auch immer sehr schade, dass im Radio meistens sehr flache Sachen gespielt werden. Ich bin der Meinung, dass man den Leuten auch mehr zutrauen kann. Mehr Tiefgang einfach.
Hattet ihr eigentlich eine gewisse musikalische Vorbildung oder seid ihr recht unbedarft in das Musizieren gestartet?
Friedemann: Ich hatte viel Musikunterricht. Ich habe klassisch Flöte gelernt, fürs Schlagzeug habe ich auch Unterricht genommen und Gesangsunterricht muss man auch mal nehmen. Dadurch begreifst du einfach viele Dinge viel einfacher.
Du fängst ja auch nicht an, ein Haus zu bauen, ohne Ahnung davon zu haben. Du kannst es probieren ... aber besser ist es, wenn du vorher weißt, wie es geht.
Gunnar: Mein Vater war Banjo-Spieler in so 'ner Dixieland-Band und mit dem habe ich auch sehr früh immer Musik gehört. Der hat sich sehr für Musik interessiert und so lief daheim oft Udo Lindenberg und so.
Friedemann: Den hole ich nach wie vor auch oft raus. Das ist so ein Musiker, da sind Gunnar und ich auch einer Meinung, der ist einfach polemisch und ein Ausnahmetyp!
Und wie fandet ihr es, als alte Fans, als er mit dieser CLUESO-Nummer angefangen hat? Hat euch das nicht auch etwas gestunken?
Friedemann: Warum? CLUESO ist ein junger und ambitionierter Musiker, der da sein Ding macht und vom Udo ja auch noch was lernen kann. Wenn mich der Udo mal fragen würde, „wollen wir mal einen schönen Song singen", würde ich das auch sofort machen.
Sowas ist doch immer für beide Seiten cool. Beide haben was davon und lernen dazu.
Das stimmt, aber mich persönlich nervt es trotzdem irgendwie, wenn meine Musik, die ich höre, zu populär wird. Ich möchte auf den Konzerten nicht mit irgendwelchen Leuten stehen, die „meine" Musik nur als Radiomusik im Hintergrund laufen lassen.
Friedemann: Na ja, wozu machen wir Musik? Grundsätzlich gesehen: In dem Moment, wo du Platten oder Konzerte machst, willst du, dass diese Musik möglichst viele Menschen hören – und kein Musiker geht auf die Bühne und sagt: „Ihr könnt jetzt alle nach Hause gehen! Ich will hier alleine auf der Bühne stehen und meine Musik sollt ihr auch nicht kaufen!"
Musik ist dafür da, dass die Leute sie hören. Das ist alles! Wir wollen uns zwar auch nicht ficken lassen, aber wenn wir jetzt, mit dem was wir machen und lieben, auf Platz 1 der Charts einsteigen würden, dann beschwere ich mich doch nicht. Und wie ich dann damit umgehe, ist doch mir überlassen. Ich muss ja nicht ausflippen.
Gunnar: Als jetzt die Nachricht kam, dass wir mit „Geblitztdingst" in den Charts sind, kam auch von manchen Leuten die Aufforderung, dass wir nicht wachsen sollen und alles so bleiben soll, wie es ist. Aber es ist ja bei uns nun mal auch so, dass wir davon leben und darum ist es echt schön, wenn man im Februar schon weiß, wovon man im März die Miete bezahlt. Viele Leute haben da auch eine komplett falsche Sicht der Dinge. So, wie wir das mit beiden Bands betreiben, ist es auch für manche ein Full-Time-Job. Und da ist es eben schön, wenn am Ende auch was übrig bleibt.
Friedemann: Ich muss nebenbei noch auf den Bau gehen. Ich war jetzt die ganze Woche auf dem Bau und am Wochenende geht es auf Tour, das ist echt harte Arbeit. Und wenn ich jetzt, mit den Dingen, die ich tue – ohne dass mir einer reinquatscht oder dass ich mich bücken muss – Platten verkaufe, sage ich doch "Schönen Dank – habt ihr aber einen guten Geschmack"! Aber Unterschrift und Zensur gibt es bei uns nicht.
Gunnar: Mittlerweile sehen es zum Glück viele Leute anders als früher. Es kommt jetzt nicht mehr als erstes die Frage danach, wie viel man denn mit der Musik verdiene. Die Leute hatten da immer eine falsche Vorstellung.
Friedemann: Wenn man das mit der Musik so macht wie wir, ohne Deal und alles in Eigenregie, ist es natürlich ein Arsch an Arbeit und sehr schwer verdientes Geld – aber fast alles, was wir machen, kommt zu uns zurück. Das ist der große Unterschied zu dem, was passiert, wenn man sich von der Industrie ficken lässt. Da bleibt am Ende nicht viel über. Da kommt die Band dann immer ganz am Ende.
Kam bei euch mal die Industrie an und wollte euch unter Vertrag nehmen?
Friedemann: Bei uns kamen sie im letzten Jahr an und wollten so ein Gegending zu der FREIWILD-Sache machen, aber da haben wir direkt abgelehnt.
Gunnar: Wir hatten mal so ein Ding nach der „Nimm Drei". Unsere ersten drei Platten waren noch bei Amöbenklang und anschließend waren wir ja frei, und dann kamen da auch Firmen mit richtig Geld um die Ecke. Das war aber so ein Knebelvertrag und das wollten und konnten wir auch nicht. Du kannst nicht alle eineinhalb Jahre ein qualitativ hochwertiges Album rausbringen, das geht einfach nicht!
Noch eine abschließende Frage, schließlich müsst ihr ja auch gleich noch Geld verdienen: Was würdet ihr morgen gerne in der Zeitung lesen, wenn ihr euch was wünschen könntet?
Gunnar und Friedemann: Weltfrieden!
Einen schöneren Abschluss kann es wohl kaum geben. Wir sagen danke und ich freue mich auf die Show gleich!
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