Geschrieben von Donnerstag, 21 Mai 2015 16:29

Valborg - Interview mit Jan Buckard zum Album "Romantik"

Die Bonner Band VALBORG hat mit „Romantik“ ein fantastisches, wunderbar armosphärisches Doom-Album veröffentlicht – die Stimmung erinnert deutlich an TYPE O NEGATIVE. Als erste Band des DIY-Kollektivs Zeitgeister haben VALBORG außerdem ein Album bei einem anderen Label veröffentlicht. Wir haben uns ans Telefon gehängt und mit Bassist/Sänger Jan Buckard (Bild Mitte) darüber gesprochen, wie „Romantik“ entstanden ist. Der wichtigste Faktor: Zufall.

Wenn man euer neues Album mit dem Vorgänger vergleicht, fallen zuallererst die Synthesizer auf, die ihr diesmal verwendet. Wie habt ihr das denn bei eurem Release-Konzert gelöst?

Wir haben keinen Keyboarder dazu geholt, sondern einen Playback-Track laufen lassen und unser Schlagzeuger Florian hatte einen Klick im Ohr. Das Material ist ja ziemlich simpel, mit relativ wenigen Noten auf Bass und Gitarre. Das ist recht einfach zu spielen. Schwieriger ist dann eher, dass ich mich von irgendwelchen Sachen ablenken lasse, weil die Finger nicht so viel zu tun haben. Aber das Material funktioniert live gut.

Wie kam es dazu, dass ihr auf „Romantik“ so massiv auf Synthies zurückgegriffen habt?

Wir hatten eigentlich was ganz anderes vorgesehen. Wir hatten schon eine gute Handvoll Lieder, acht, neun Stück oder so. Die wären wahrscheinlich typisch VALBORG gewesen, wenn wir die aufgenommen hätten. Aber wir haben dann gemerkt, dass wir eigentlich gar keinen Bock haben, so ein Album zu machen. In dieser Stimmung haben wir mit Synthesizern rumgespielt, die ich mal aufgenommen hatte – das waren einfach so Parts, ohne Drums und Gitarre, und ich war mir auch gar nicht sicher, was ich damit anfangen wollte. Wir haben uns also spontan überlegt, wie das wohl sein würde, die für VALBORG zu verwenden, und haben angefangen damit zu arbeiten. Das war Zufall und vollkommen neu für uns, aber wir sind sehr froh, dass wir das gemacht haben.

Es fällt auf, dass das Album sehr homogen ist, während ihr sonst auch immer mal stilistische Ausreißer dabei hattet. War das auch Zufall?

Größtenteils nicht. Das relativ gleich bleibende Tempo zum Beispiel hat sich durch die Synthesizer ergeben, die ihr Tempo schon hatten, die Band hat sich daran angepasst. Wir hätten tempomäßig einen Ausreißer gehabt, aber der hat sich zum Schluss nicht passend angefühlt, deshalb haben wir ihn weggelassen. Damals hätte ich den Song cool gefunden, aber jetzt bin ich froh, dass wir ihn nicht genommen haben. Aber so ein kompaktes Teil müssen wir trotzdem nicht nochmal machen.

In meinem Review habe ich die Stimmung von „Romantik“ mit TYPE O NEGATIVE verglichen …

Bist du da von selbst hinter gekommen oder hast du das irgendwo gelesen?

Ich habe es erst gelesen und dann den Test gemacht: Ich habe das Album „Bloody Kisses“ von TYPE O NEGATIVE mal wieder angemacht, und vor allem bei „A Death in The Family“ habe ich gespürt: Das passt. Seht ihr das auch so oder nervt es euch schon langsam, dass das alle schreiben?

Überhaupt nicht. Das kam ursprünglich von uns. Wir haben unserem Label Vorschläge gemacht, wie man uns für die Promotion kategorisieren könnte. Im Endeffekt sind da TYPE O NEGATIVE, VANGELIS, KILLING JOKE, CELTIC FROST und TRYPTIKON rausgekommen. Ich bin sehr froh, dass du das spürst, weil das letztendlich ja eine Gefühlssache ist.

Ich habe auch überlegt, woher diese Stimmung kommt.

Liegt vielleicht ein bisschen am Plattentitel. Oder an den Texten … Obwohl man nicht sagen kann, dass die was mit Liebe zu tun haben. Hast du was von den Lyrics gelesen? Du hattest nur die Promo-CD, oder?

Ja, und leider habe ich nicht viel verstanden. Worum geht es denn? Inwieweit warst du daran beteiligt?

Christian (Kolf, Gitarre und Gesang) und ich teilen uns das immer zu gleichen Teilen. Ich hatte, als noch nicht alle Texte da waren, mal daran gedacht, endlich mal ein Metalalbum als H. P. Lovecraft-Tribut zu machen. Davon ist auch noch was übrig geblieben, aber eigentlich nur der letzte Track, „The Haunted Womb“. Da geht es um ein verkommenes Dorf an der Ostküste Amerikas. Eine Frau kriegt ein Kind, das einen Zwilling hat – der ist unsichtbar, lebt auf dem Dachboden und wird immer größer. Irgendwann bricht das Ding dann aus und macht Krawall. Naja, das war jetzt sehr schlecht erzählt. (lacht)

Worum geht es in den anderen Stücken?

Was immer wieder vorkommt, sind Stichworte wie Weltall, unter dem All, zwischen den ängstlichen Planeten … Ziemlich viel Space-Angst, Urhorror, Übergewalt … Irgendwas mit absoluter Urzeit …

Das sind alles Stichworte, die tatsächlich sehr nach Lovecraft klingen.

Ja, das kommt aber auch von einem Science Fiction-Autor, den Christian und ich zu der Zeit gelesen haben, Cordwainer Smith heißt der. Das ist klassische Science Fiction, aber manchmal klingen so Horroruntertöne an, die einen fundamental packen. Der hat sehr unheimliche und bedrohliche Ideen über das All entwickelt. Das hat in das Gefühl reingespielt, das wir beim Schreiben hatten.

Und wie passt der Titel da rein?

Wir ziehen immer sehr viel in Betracht, verwerfen immer weiter und irgendwie ist es dann diesmal bei „Romantik“ geblieben – eigentlich nur deshalb, weil es sich richtig angefühlt hat. Wir hatten dabei auch den Vorgänger „Nekrodepression“ im Kopf, und weil wir das Bedürfnis hatten, was anderes zu machen, haben wir nicht nur Material verworfen, sondern auch einen Titel gewählt, der in eine ganz andere Richtung geht. Für mich passt er sehr gut zu dem Album.

Habt ihr das Album wieder live eingespielt?

Nein, diesmal nicht. Wir hätten es vielleicht besser getan, das hätte uns viel Arbeit gespart.

Warum habt ihr es dann gemacht? Eure vorherigen Alben habt ihr doch live aufgenommen?

In den Anfängen von VALBORG haben wir nicht live aufgenommen, die letzten Alben schon. Diesmal haben wir irgendwie nicht darüber nachgedacht, ob es Sinn macht. Wir hatten erst die Synthesizer und dachten: Wir packen jetzt nacheinander die Instrumente drauf und gut ist. Aber diese Arbeitsweise gefällt mir nicht wirklich. Das Ergebnis rechtfertigt den Aufwand nicht.

Ihr seid jetzt bei dem Label Temple Of Torturous unter Vertrag. Wie kam es dazu?

Der Gründer von TOT kannte uns irgendwie schon länger, und Christian hat schon mal Kontakt zu ihm gehabt. Vor anderthalb Jahren etwa hat er explizit erwähnt, dass er Bock auf VALBORG hätte. Wir haben uns das überlegt und fanden die Idee gut: Wir hatten Lust, was anderes zu machen und auch weniger selbst machen zu müssen.

War das ein wichtiger Schritt für euch? Immerhin weicht ihr als erste Zeitgeister-Band vom DIY-Weg ab.

Eigentlich nicht. Wir sehen das ganz rational. Wir haben einen Deal über dieses eine Album, legen uns also nicht auf mehrere Alben fest. Das ist den Versuch auf jeden Fall wert – vor allem, weil das Gefühl stimmt. Im Moment macht es Spaß, wir kriegen Promotion und es kommt viel zurück.

Und ihr habt bald eine Vinylversion von „Romantik“.

Ja, die kommt am 16. Juni raus. Das hätten wir ohne Label nicht machen können. Das war für mich persönlich auch der Hauptanreiz, zu TOT zu gehen: endlich Vinyl zu haben. So viel Knete haben wir alle nicht, um das mal eben alleine zu stemmen. Und jetzt haben wir auch noch ein hübsches Digipak dazu bekommen. Allein, um mal zu sehen, was bei unserer Hörerschaft mit Vinyl geht, lohnt sich das Experiment.

valborg cover sm kopie kopieLass uns mal über das Cover sprechen. Wer hat das gestaltet?

Peter Böhme, das ist ein alter Freund von mir. Der hat bis jetzt alle unsere Cover gemacht, das sieht man dem neuen allerdings nicht unbedingt an. Unsere vorherigen Cover waren alle gemalt. Das hier ist 3D: Das heißt, diese Dinger sind konstruierte Lebewesen, die in einem Raum angeordnet sind und rausgerendert wurden. Es gibt sie also wirklich.

Wie ist die Idee dazu entstanden?

Ich setze mich immer mit Peter zusammen und wir überlegen uns Themen oder Motive und kritzeln herum. Wir hatten eigentlich ein Artwork geplant, das das Weltall in Kombination mit etwas sehr Verstörendem zum Thema hat. Aber dieses verstörende Element war so ein bisschen das Problem: immer wenn wir das angegangen sind, hatte Peter den Eindruck, dass es zu fantasy- oder comicartig wirkt. Deshalb haben wir das Konzept wieder verworfen und sind stattdessen mit der Idee rangegangen, ein Artwork zu machen, das aussieht, als würde man durch ein Mikroskop auf etwas Fremdartiges schauen. Viele Leute halten diese Dinger auf dem Cover für Quallen, aber Quallen haben nicht so dicke Tentakel. Man könnte darin auch sehr fremdartige Spermien sehen.

Mit fällt es allerdings schwer, das Cover mit dem Titel zusammenzubringen.

Das kann ich nachvollziehen. Ich finde das aber gar nicht so wichtig, dass das passt. Durch die Kombination entsteht irgendein Gefühl, und wenn es das Gefühl von Ratlosigkeit ist. Irgendwas passiert, und das reicht. Vielleicht ist es so: Die Musik ist die Romantik und die Lyrics sind das Artwork.

Was steht jetzt bei euch an? Kann ich auf eine große Deutschland- oder Europatour hoffen?

Du kannst gerne hoffen, aber es ist im Moment nicht in Planung. Wir machen eine kleine Rumänientour im Herbst …

Wieso ausgerechnet Rumänien?

Das hat sich durch persönliche Kontakte ergeben. Wir hatten eigentlich immer mal Lust, ein bisschen Richtung Osten zu touren … Eigentlich war es Zufall.

Wie alles bei euch.

Ja, genau. Natürlich würden wir gern was Großes machen. Aber dafür müsste man erstmal ins Booking investieren, und das steht im Moment nicht an. Wir sehen mal, was passiert.
Helge

Stile: Doom Metal, Black Metal, Post Rock, Stoner, Prog

Bands: My Dying Bride, Opeth, Nachtmystium, Saint Vitus, Genesis