Geschrieben von Sonntag, 05 Juli 2015 15:42

Anti-Flag - Interview mit Frontman und Songwriter Chris zu "American Spring"

anti flag band

Es gibt wohl kaum eine populärere Band im Genre des Polit-Punk, als die aus Pittsburgh stammende Formation ANTI-FLAG. Nicht zu unrecht, denn schließlich prangert sie bereits seit 1988 das System der USA und der restlichen Welt lautstark an. Eben dieses tun sie nun auch wieder auf ihrem aktuellen Longplayer "American Spring". Allein dies wäre schon Grund genug, ein wenig mit Frontman Chris #2 zu plaudern, aber wir fanden auch noch so manch anderes Thema, darunter natürlich Politik.

Zu Beginn möchte ich dir erstmal meinen Respekt aussprechen, dass ihr es immer wieder schafft, so starke und bewegende Alben rauszubringen, wie ihr es nun abermals mit „American Spring“ getan habt. Die 14 Songs zeigen mal wieder auf, dass es nach wie vor mehr als genug Kritikpunkte in dieser Welt gibt, auf welche einfach immer wieder hingewiesen werden muss.
Seid ihr dieses Hinweisen und Aufklären eigentlich auch ab und an mal Leid und hättet Bock, auch mal über banale Dinge wie Liebe, Saufen und Prügeleien zu singen?

Wir lassen uns da halt vom Weltgeschehen inspirieren und wollen ja schließlich auch nicht, dass irgendwann mal Menschen auf das Jahr 2015 zurückblicken und sich fragen, wo denn der Protest war. Wir wollen, dass diese Menschen dann auch eine Band sehen, die auf der richtigen Seite der Geschichte stand. Die gegen Rassismus, Sexismus, Homophobie, Kriegstreibereien und Fanatismus jeder Art gekämpft hat. Das ist es, was für uns wichtig ist.

Seht ihr euch als Aktivisten oder seid ihr doch eher Musiker und Künstler?

Wir sind Aktivisten einer Punkrock-Gemeinschaft. Wobei wir uns da mehr auf die musikalische und künstlerische Seite unseres Schaffens und Handelns konzentrieren. Wir sind auch nicht intelligenter oder schlauer als andere ...wir sind nur auf der Suche nach Menschen, die so fühlen wie wir.

Euer aktuelles Album trägt den Titel „American Spring“. Der derzeitige Amerikanische Frühling wird vorwiegend durch Polizeigewalt und das Angstklima in Bezug auf den Terrorismus dominiert. Was ist deine Bedeutung des Amerikanischen Frühlings?

Unmittelbare Demokratie! ... Entfernung der Habgier und dem Geld aus der Weltpolitik, denn nur dann sehen wir einem Ende der Umweltzerstörung, Polizeigewalt und der allgemeinen amerikanischen Ungerechtigkeit entgegen.

Du hast erst kürzlich die deutsche Skacore-Band THE PROSECUTION in ihrem Song „A New Sensation“ unterstützt. Bist du der Meinung, dass es mehr politische Bands wie ANTI-FLAG oder eben auch THE PROSECUTION geben sollte? Es könnte dann ja auch passieren, dass die Hörer irgendwann nicht mehr richtig hinhören, weil sie diese Themen satt haben.

Ich denke, dass wir definitiv mehr Politik in der Musik benötigen. Allerdings nur, wenn sie ehrlich und wahr ist. So wie bei THE PROSECUTION eben.

Wie kam es eigentlich zu eurer Zusammenarbeit?

Wir trafen uns mal auf einem Festival und verstanden uns auf Anhieb. Und als sie mich dann fragten, ob ich sie in einem Song unterstützen könnte, nahm ich diese Ehre natürlich an.

Hattet ihr in der Vergangenheit schon mal irgendwelche Diskrepanzen wegen eurer klaren politischen Blickrichtung?
In Deutschland passiert es auch immer mal wieder, dass Konzerte abgesagt oder Bands vom Staatsorgan beobachtet werden.


Oh ja, das hatten wir. Gerade nach dem 11.09.2001 war es als amerikanische Band mit dem Namen ANTI-FLAG nicht gerade einfach.
Plattenläden wollten unsere Alben nicht mehr verkaufen und schickten sie zurück, Shows wurden gecancelt und keine Radiostation wollte uns mehr spielen. Es war eine dunkle Zeit für Antinationalisten. Aber wir behielten unsere Meinung ... ungeachtet, ob es nun populär war oder nicht.

Die Aufhebung des Kuba-Embargos sowie das Handelsabkommen TTIP zwischen den USA und Deutschland wird hierzulande recht kritisch beäugt. Wie siehst du diese Wirtschaftsstrategien?

Wir sind gegen jedes Handelsabkommen, das hinter verschlossenen Türen ausgehandelt wird. So waren wir schon gegen NAFTA und GATT, genauso wie nun gegen TTIP. Bezüglich Kuba hoffen wir sehr, dass die Seele und der Charme dieses Staates nicht unter der neuen Situation leiden.

In Deutschland kann man derzeit fast von einem Vegetarismus- und Bio-Trend sprechen, was ich natürlich sehr begrüße. Ebenso wird das Thema der allgegenwärtigen Tierquälerei auch recht offen diskutiert. Ist so eine Entwicklung auch in den Staaten erkennbar?

Ja, das ist sie! Die vegane und tierversuchsfreie Lebensweise ist ebenfalls ein großer Trend bei uns und ich ziehe auch eine Menge Hoffnung und Optimismus daraus. Denn schließlich sollten alle Lebewesen in dieser Welt freundlich behandelt werden.

Auf „American Spring“ befindet sich auch ein Song namens „Brandenburg Gate“. Was bedeutet Berlin, mit seiner bewegten Geschichte, für dich?

Ich fand eine Menge Gemeinsamkeiten zwischen der Geschichte Berlins und mir – die Mauer und ihr Untergang, die Zeiten in denen ich mich einsam, allein und traurig fühlte. Aber vor allem der Glaube, dass es dort noch mehr außerhalb unserer Reichweite gibt, für was es sich zu kämpfen lohnt. 
Wir wollen Bildung für alle und ein Gesundheitswesen und wir werden nicht aufhören, bevor diese Mauer vor uns nicht zusammen gebrochen ist.

Die Live-Aufnahmen aus dem Lyric-Video zu „Fabled World“ wurden in Russland aufgenommen. Sollte dieses alleine auch schon eine Botschaft, in Bezug auf die derzeitige Ost-West-Krise, sein?

Absolut! Zudem hat ein Amerikaner den Text im Video bearbeitet und ein Russe filmte. Ihnen wird z.B. immer von außen zugetragen, dass sie Feinde wären – aber sie sind einfach nur großartige Künstler und Freunde, ungeachtet dessen, was uns unsere sogenannten Mächtigen erzählen.

Seit eurer Gründung wart ihr schon bei so manchem Label unter Vertrag und „American Spring“ ist nun die erste Scheibe bei Spinefarm-Records. Wie läuft die Zusammenarbeit und warum bringt ihr nicht mehr eigene Sachen über euer Hauslabel AF-Records raus?

Wir waren auf der Suche nach einem Label mit globaler Reichweite und Spinefarm ist, mit Büros in Berlin, London, Paris und Helsinki, ein solches. Wir lieben AF-Records und arbeiten hart an ihm, aber es ist eben auch nur ein kleines Vinyl-Label in Pittsburgh. Aber wer weiß, was mal wird.

Was wird die musikalische Zukunft bringen? Kommen noch ein paar Solo- und Nebenprojekte auf uns zu, oder liegt der Fokus derzeit nur auf ANTI-FLAG?

Derzeit liegt der Fokus nur auf „American Spring“. Chris Head und ich haben zwar noch eine Band namens WHITE WIVES und Justin Sane werkelt auch noch ein wenig an seinem Soloprojekt, aber dennoch setzen wir derzeit unseren Fokus auf das in unseren Augen beste ANTI-FLAG Album aller Zeiten.

Was würdest du morgen gerne als Schlagzeile in der Zeitung lesen?

Wirtschaftskonzerne und Regierung gehen ab jetzt getrennte Wege ... und so werden diese von jetzt an auch gerecht besteuert!

Somit sage ich danke für deine Zeit und vor allem für eure Musik.

Ich bedanke mich!