Ihr seid Debütanten, die viele wahrscheinlich noch nicht kennen. Deshalb, als Einstieg: Wer seid ihr und was wollt ihr?
Alex: Wir sind ŁINIE, kommen teils aus Hamburg, teils aus Elmshorn und spielen in dieser Konstellation seit einem guten Jahr miteinander. Wir haben Ende 2013, Anfang 2014 eine erste EP veröffentlicht, zusammen mit Iggi, der das damals produziert und aufgenommen hat. Da das vom Sound her gut zusammen gepasst hat, haben wir ihn im letzten Jahr in die Band geholt. Dann haben wir einfach Songs geschrieben und gemerkt, dass das sehr viel Spaß macht und Potenzial hat. Das wollten wir ins Studio und auf Platte bringen.
Wenn ihr erst seit einem Jahr in dieser Konstellation spielt, wart ihr ja ganz schön schnell mit eurem Debütalbum. Oder war vorher schon viel Material vorhanden?
Alex: Nicht wirklich. Als klar war, dass Iggi in der Band ist, haben wir relativ viele Songs geschrieben, da kam schnell viel zusammen. Dann haben wir uns einen Studiotermin gesetzt, darauf hingearbeitet und aufgenommen.
Gab es vorher kein festes Ziel?
Ralf: Alex und die die anderen beiden (Jörn (Gesang, Gitarre) und Alex (Gitarre), Anm.d.Red.) hatten vorher schon recht lange zusammen gespielt. Dann ist deren Bassist ausgestiegen. Alex und ich waren damals Arbeitskollegen, und als er herausgefunden hat, dass ich Bass spiele, meinte er: "Komm doch mal vorbei." Von dem alten Bandprojekt haben wir dann einen Cut gemacht und wieder bei null angefangen. Dann haben wir Iggi kennengelernt, der die ganze Elektro- und Produzentenschiene drauf hat. Der hat dann unsere EP aufgenommen.
Iggi, wie kam es dazu, dass du dann auch Soundelemente zu den Songs hinzugefügt hast?
Iggi: Wir haben so ein bisschen rumgesponnen und die erste Idee waren Interludes zwischen den Songs. Und dann habe ich mir mal die Gesangsspur genommen und den ersten Remix von „Chewing“ gemacht. Das hat den Jungs ganz gut gefallen. Dann hat sich das so ergeben, und ich habe mich sehr gefreut – so in 'ner Rockband spielen, ist schon was Geiles … (alle lachen)
Also konntest du mit der Musik auch was anfangen?
Iggi: Ja, auf jeden Fall. Ich habe mein Leben lang viel Rock gehört und damit auch nie aufgehört.
Was hat es denn mit dem Bandnamen auf sich?
Alex: Mit dem Schnitt nach dem alten Projekt ging es auch um einen neuen Namen. Das ist natürlich megaschwer, sich mit fünf Leuten zu einigen. Irgendwann hatten wir mal im Proberaum den Witz: Wer sich verspielt, muss einen Strafschnaps trinken. Man kennt ja den Aquavit "Linie", deshalb hat unser Sänger Jörn das immer reingeschrien: „Linie! Linie!“ Und irgendwann hat er gesagt: So, wir heißen jetzt ŁINIE. Da kann viel dahinterstecken, tausende von Linien ziehen sich durchs Leben. Und je länger wir drüber nachgedacht haben, desto besser fanden wir das. Es ist ein mächtiges Wort.
Und der Querstrich im „L“?
Alex: Das ist das polnische „L“, ein reines Stilelement. Das kleine polnische „L“ ist das Logo geworden.
Ich habe mich ganz schön schwer getan, euch stilistisch einzuordnen, und das ging wohl den meisten Rezensenten so. Wie würdet ihr selbst eure Musik kategorisieren?
Alex: Das ist immer schwierig bei der eigenen Musik. Wir bezeichnen es als Rock/Desert/Noise, aber es ist noch viel mehr drin, was wir aber nicht komplett aufdröseln wollten. Wir haben es nur grob vorgegeben, benennen sollen es andere. Die Verweise gehen ja von TYPE O NEGATIVE über TOOL bis zu THE CURE … und ich finde das super! Das macht es spannend.
Wie hat die Band geklungen, aus der ŁINIE entstanden ist?
Alex: Das war ein bisschen crossoverig. Viel 90er Jahre drin, Alternative …
Also dieses sehr düstere Element von ŁINIE gab es damals noch nicht?
Alex: Nein. Eigentlich gar nicht.
Ralf: Früher war es wohl auch so, dass Jörn mit fertigen Songs ankam. Als ich eingestiegen bin, fingen wir an, als Band an den Stücken zu arbeiten. Damit kamen mehr Einflüsse rein. Und Alex fing an, Texte zu schreiben und Gesangslinien einzubringen.
Alex: Iggis Elektrosachen haben natürlich auch einen riesigen Einfluss auf die Stimmung.
Ich finde es sehr interessant, dass du, Iggi, zum Teil Sachen spielst, die wie richtige Riffs klingen.
Iggi: Ich habe in einem ersten Schritt versucht, die Räume zwischen den Parts zu füllen und bin dann auf die Idee gekommen, auch mal tragende Elemente einzubringen. Sowas kann schnell mal scheiße klingen, weil Elektrosounds oft ziemlich voll sind und einen Song kaputt machen können. Aber wir haben einen guten Weg gefunden, und deshalb kickt mich das auch so – auch live.
Wie spontan kannst du dabei sein, wieviel Spielraum für Improvisation hast du?
Iggi: Wenn ich einen Song höre, habe ich schnell eine Idee, in welche Richtung das gehen könnte. Dann klicke ich mich durch ein paar Sounds, die ich vorbereitet habe, und achte im Proberaum auf die Gesichter. Dann merke ich schnell, was gut ankommt und was nicht.
Ralf: Das war auch für uns eine ganz neue Erfahrung, uns auf solche Sounds einzulassen, weil sie die Songs sehr stark verändern können.
Mein größter Kritikpunkt in meinem Review zu „What We Make Our Demons Do“ sind die Vocals von eurem Sänger Jörn, weil ich seine Gesangslinien arg sperrig finde. Könnt ihr damit was anfangen oder wie reagiert ihr auf so etwas?
Alex: Wir kennen solche Aussagen, vor allem von der EP. Da fanden viele den Gesang schwierig. Glücklicherweise ist es jetzt andersrum und du bist die Ausnahme. Ich höre den Typen jetzt schon so lange, dass ich das gar nicht mehr so wahrnehme.
Ralf: Mir ist schon bewusst, dass es keine Allerweltsstimme ist. Man muss sich dran gewöhnen, das ging mir auch so. Aber wir geben Jörn auch Feedback und sagen ihm, wenn was nicht passt.
Alex: Auf jeden Fall ist Jörns Stimme ein ganz wichtiges Element bei uns.
Prägend ist seine Stimme auf jeden Fall.
Alex: Ja, genau. Bei vielen Bands ist die Stimme das prägende Element, angefangen bei TOOL bis hin zu MOTÖRHEAD.
Und andererseits gibt es wahnsinnig viele Bands, die ganz gute Musik machen, aber einen lahmen Sänger haben.
Alex: Ich brauche auf jeden Fall keinen zweiten Eddie Vedder. Klar kann der geil singen, aber was bringt es, wenn man einen Sänger hat, der genauso klingt? Von daher finde ich es mittlerweile immens wichtig, dass es so läuft.
Wie entsteht denn der Gesang? Du arbeitest auch an Gesangslinien mit?
Alex: Ja, mittlerweile. Durch den Schub nach vorne habe ich auch Ideen entwickelt und Jörn die gezeigt. Auch meine Texte fand er super und hat sie aufgegriffen.
Bei vier von euch fünfen stehen Vocals im Booklet. Wie kann ich mir das praktisch vorstellen?
Alex: Zum Teil sind das Shouts, die Ralf, der andere Alex und ich beisteuern. „Bearing Life“ habe ich komplett alleine und bei „No Ideal“ den Refrain gesungen.
Iggi: Nur ich darf nicht mitsingen. (lacht)
Und die Texte schreibst auch du, Alex?
Alex: Jörn auch. Für das Album habe ich sechs Texte geschrieben und er drei. Das hat sich mittlerweile also ein bisschen gedreht. Als klar war, dass wir ins Studio wollen, hatte ich eine Phase, wo einfach viel rauskam.
Worüber schreibst du?
Alex: Puh, viel. Manchmal ist es nur ein kleiner Moment, den ich erlebe, oder ich habe einen Satz im Kopf und fange an, darüber zu schreiben. Natürlich auch über Sachen, die ich erlebt habe – ich finde es immer schwierig, über Fiktives zu schreiben. In „Bearing Life“ zum Beispiel geht es um den Tod meiner Mutter. Den Text hatte ich schon ganz lange fertig und wollte was damit machen, ohne zu wissen, was. Es ist viel düsteres Zeug, fraglich, anklagend. Auch von Jörn, der viele Alltagsbeobachtungen reinbringt. Aber ich finde, Texte sind erstmal zweitrangig, ich persönlich höre immer als erstes die Musik. Auch wenn man keinen Bullshit schreiben sollte.
Wie ist der Albumtitel entstanden?
Ralf: Das ging auf jeden Fall leichter von der Hand als der Bandname. Ich hatte eine Doku gesehen, da ging es um einen alten Bluesmusiker, der erzählt hat, wie er sein erstes Instrument bekommen hat. Der sagte sinngemäß in etwa: "Als ich die Gitarre angefasst habe, war es so, als ob ein Dämon mich dahin geleitet hätte." Er hat das auf Englisch gesagt und ich fand es cool und habe es aufgeschrieben. Bei der Diskussion um den Albumtitel habe ich das vorgeschlagen und alle fanden es cool. Wir haben ja alle unsere Dämonen, die Sachen mit uns machen und bei Musik sicher auch eine große Rolle spielen.
Passt auf jeden Fall zu diesem düsteren, sumpfigen Sound. Genauso wie das Artwork.
Ralf: Ja, man sieht darauf diese drei Figuren, das könnten auch Dämonen sein.
Alex: Auf dem Cover sind ein Mann, eine Frau und noch eine Frau, die ein bisschen abseits steht. Da kann man sich fragen, welche Rolle die spielt.
Wo habt ihr das her?
Alex: Das ist von einem rumänischer Künstler, der ein Freund von dem Künstler ist, der unser EP-Cover gemacht hat. Die Arbeiten fanden wir alle super und in diese haben wir uns gleich verliebt.
Wisst ihr schon, was jetzt bei euch ansteht? Ich nehme mal an, dass die guten Reaktionen euch überrascht haben?
Alex: Ja, wir sind mega überrascht. Die Band war ja ein Experiment, von dem wir nicht wussten, ob das irgendjemand außer uns geil findet. Wir wollen natürlich möglichst viel live spielen und für Herbst/Winter ist grob eine Support-Tour angedacht. Das wäre super und mit den guten Rezensionen kommen auch Angebote für Gigs rein. Wir sind gerade ein bisschen am Sortieren. Es tut sich gerade viel, konkret können wir sagen, dass wir am 31.7. unsere Release-Show im Hamburger Hafenklang haben.
Habt ihr Ziele oder Träume, die ihr mit ŁINIE erreichen wollt?
Alex: Wir sind Realisten, aber natürlich muss man Träume haben. Für mich erfüllen sich gerade jeden Tag irgendwelche. Ein Traum war, die eigene Musik auf Vinyl in der Hand zu halten. Das muss man sich dann erstmal ein paar Tage auf der Zunge zergehen lassen. Dann steht das auf einmal in den Läden und Leute bestellen das, und manche schreiben, es sei das Debütalbum des Jahres. Das geht alles sehr schnell und man muss sich ein bisschen bremsen.
Ralf: Seit Mai, als die Promo losging, ist schon sehr viel passiert, das hat uns ziemlich erschlagen. Wir bleiben aber auf jeden Fall auf dem Boden. Aber es stimmt: Allein schon diese Vinylgeschichte, das war wirklich ein Lebenstraum, eine echt große Sache für uns.
Alex: Selbst wenn es jetzt vorbei wäre, würde ich sagen: Was 'ne geile Zeit. Wir haben ein Album rausgebracht und das wird auf jeden Fall immer irgendwo da draußen sein. Das ist echt cool.